Die Umkehrung der Verwertungskette

Mit der Hamburger Filmproduktionsfirma C-FILMS (Deutschland) GmbH beschreitet der Geschäftsführer Benjamin Seikel neue Wege. Neben der klassischen Produktion von Spielfilmen und Dokumentarfilm-projekten entwickelt er verschiedene werbe-finanzierte Formate für die Fernseh- und Internetauswertung. Zugute kommt ihm dabei die Kooperation mit der Werbefirma Markenfilm, die zusätzlich zu der Schweizer Mutterfirma C-Films AG als Partner in das Unternehmen eingestiegen ist.

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Die Umkehrung der Verwertungskette

„Die Finanzierungsformen von Serien, Spielfilmen und Internet-Formaten werden sich in den nächsten Jahren in Deutschland verändern, wie das bereits in den USA der Fall ist“, erklärt Benjamin Seikel, Geschäftsführer der C-FILMS (Deutschland) GmbH. Um bei der Finanzierung von Projekten nicht ausschließlich von Sendern und Förderungen abhängig zu sein, setzt C-Films darauf, werbefinanzierte Internet-Formate zu entwickeln. Die preisgekrönte US-Serie „Mad Men“, in der Werbeprodukte inhaltlich in die Geschichte eingebettet sind, zeige, dass dieses Konzept durchaus funktionieren könne. Da sich die Finanzierung als zunehmend schwieriger gestalte und länger dauere, suche er nach Alternativen, um entsprechende Bereiche in der Werbung zu finden.

Erleichtert wird diese Firmenstrategie durch den neuen Gesellschafter Markenfilm, der Mitte 2011 in die C-Films (Deutschland) GmbH eingestiegen ist. Das traditionsreiche Hamburger Werbefilmunternehmen deckt mit seinen verschiedenen Töchterfirmen bereits die Bereiche Branded Entertainment, PR-TV, Postproduktion oder Imagefilme ab. „Nur die Sparte Filmproduktion fehlte ihnen bisher noch“, berichtet Seikel. Neben der in Zürich beheimateten Mutterfirma C-Films AG sei Markenfilm nun ein großer Partner. Das Kerngeschäft der C-Films (Deutschland) GmbH soll aber weiterhin die Filmproduktion bleiben. „Unser Schwerpunkt liegt auf der klassischen Spielfilmproduktion“, betont Seikel, „mit der wir etwa achtzig Prozent unseres Geschäfts bestreiten.“

Als erste große internationale Koproduktion hat die C-Films (Deutschland) GmbH das Kinofilmprojekt „Nachtzug nach Lissabon“ mitentwickelt, für das die Schweizer Mutterfirma die Studio Hamburg Filmproduktion an Bord geholt hat. Derzeit befindet sich dieser knapp 7,8 Millionen teure Kinofilm, der als Koproduktion zwischen Deutschland, der Schweiz und Portugal entstanden ist, in der Postproduktion. Diese hochkarätig mit Jeremy Irons und Bruno Ganz besetzte Bestsellerverfilmung von Bille August soll 2013 ins Kino kommen.

Mit der Studio Hamburg Filmproduktion setzt Seikel seine Zusammenarbeit bei der innerdeutschen Koproduktion „Simpel“ fort. Die Vorlage zu dieser Tragigkomödie lieferte die französische Schriftstellerin Marie-Aude Murail mit ihrem preisgekrönten Jugendroman. Ein junger Mann ist gerade dabei, zum Studium ins Ausland aufzubrechen, als ihn per Telefon plötzlich ein Hilferuf ereilt. Er soll sich um seinen behinderten Bruder Simpel kümmern, der sich mental auf der Stufe eines dreijährigen Kindes befindet und aus dem Heim davon gelaufen ist. Daraufhin quartiert er sich und den 22-jährigen in einer WG ein, wo dieser mit seiner unverstellten Art, immer die Wahrheit zu sagen, für jede Menge Wirbel in den zwischenmenschlichen Beziehungen sorgt. Als Regisseur für diese Komödie haben die Produzenten Markus Goller gewonnen, der für den Kino-Hit „Friendship“ mit Matthias Schweighöfer sowie die bayerische Erfolgskomödie „Eine ganz heiße Nummer“ verantwortlich zeichnet. Derzeit überarbeitet Goller das Skript zu „Simpel“, das ähnlich wie die US-Kinofilme „Juno“ oder „Little Miss Sunshine“ einen ernsten Hintergrund erhalten und Family Entertainment für alle Altersgruppen liefern soll. Die Story, die Erinnerungen an den Filmklassiker „Rain Man“ wachrufe, ziehe das Publikum sofort in ihren Bann.

Als Produzenten von der Studio Hamburg Filmproduktion sind an diesem Kinofilmprojekt Sabine Timmermann, Günther Russ und Michael Lehmann, der die Idee für die Verfilmung hatte. Wir planen, im Frühjahr oder Sommer 2013 zu drehen“, berichtet Seikel. Ob die Dreharbeiten zu „Simpel“ in Hamburg oder Berlin erfolgen werden, hänge von der Finanzierungsstruktur ab.

Darüber hinaus befinden sich in der C-Films (Deutschland) GmbH eine ganze Reihe unterschiedliche Formate in Entwicklung, die für die Auswertung im Fernsehen und Internet konzipiert sind. Schon sehr weit fortgeschritten ist die dreiteilige TV-Reihe „Junges Deutschland“, die aus drei jeweils 45-minütigen Teilen bestehen soll. „In ‘Junges Deutschland’ begeben sich zwei Jugendliche auf eine Zeitreise, um herauszufinden, wie die Jugend damals gelebt und gefühlt hat“, erläutert Seikel das Konzept. Die beiden Moderatoren, für die Kostja Ullmann und Anna Maria Mühe vorgesehen sind, stöbern nicht nur in Kisten von Archivmaterial, das zum Beispiel Einblick in die 50er Jahre gibt sondern tauchen auch selbst als Protagonisten in den verschiedenen Zeitdokumenten auf. „Wir haben verschiedene Spielszenen mit ihnen nachgestellt, was sehr aufwändig ist.“ Um die deutschen Shooting Stars unter die Wandervögel zu mischen, welche mit ihrer Lebensart die Jugendkultur vor dem Ersten Weltkrieg geprägt haben, oder sie in die Hochzeit des Rock’n Roll zu katapultieren, müssen nicht nur Kostüm und Maske stimmen, sondern auch die Hintergründe entsprechend nachgebaut werden.

Produziert wird der Dreiteiler „Junges Deutschland“ in Koproduktion mit der Hamburger Signed Media Produktion, die 2008 von ehemaligen MME-Mitarbeitern gegründet worden ist. „Der NDR war von unserer Idee zu ‘Junges Deutschland’ sofort begeistert und hat sich bereits an der Produktion unseres Trailers beteiligt. Inzwischen haben die Produzenten und der Sender außerdem den WDR ins Boot geholt. Die Dreharbeiten zu „Junges Deutschland“ sollen im März 2013 erfolgen.

Neben diesem rein senderfinanzierten Projekt plant Seikel, die Idee zu „Junges Deutschland“ weiterzuentwickeln, um daraus zusätzlich werbefinanzierte Formate zu generieren. „Unser Ziel ist, in den nächsten Jahren Formate zu realisieren, die mit geringer oder sogar völlig ohne Senderbeteiligung entstehen könnten“, erklärt Seikel. Sein Ansatz sieht dabei vor, Projekte komplett über das Internet zu finanzieren oder nach dem Vorbild von „Mad Men“ Marken in die inhaltliche Konzeption miteinzubinden. „Bei den Privatsendern ist Product Placement einfacher geworden.“ Denkbar sei beispielsweise, eine Kinderserie für einen Schokoladenfabrikanten zu entwickeln. „Die Markenhersteller wollen sich nicht selbst sehen, sondern verfolgen einen anderen Ansatz.“

Zu seinen geplanten Vorhaben gehört auch eine Dokumentation über die Geschichte der Automobilindustrie, in der sich anhand von verschiedenen Firmen erklären lässt, wie sich das Design entwickelt hat. „Über Markenfilm bekomme ich direkten Zugang zu den Designern und kann sie zusammenbringen“, sagt Seikel. „Das ist ein großer Vorteil. Dank dieser neuen Konstellationen weiche der Druck, dass die Sender als einziger Abnehmer in Frage kämen. „Gute Inhalte setzen sich durch; und zwar sowohl im Fernsehen als auch im Internet“, betont der Produzent. „Genau das möchten wir auch für die Finanzierung nutzen.“

Insgesamt werden bei der C-Films (Deutschland) GmbH zur Zeit etwa 20 neue Formate entwickelt. Dazu gehört das innovative Kinofilmprojekt „Roula Rouge“, um das Seikel eine Werbekampagne aufbauen möchte, um es teilzufinanzieren. „Die Kinoproduktion selber ist derzeit noch nicht der richtige Markt dafür.“ Eine wichtige Rolle spiele dabei die Einbeziehung sozialer Netzwerke wie Facebook, ohne die das Publikum im Internet nicht mehr erreichbar sei. „Ein Projekt muss eine gewisse Authentizität besitzen“, weiß Seikel. Dabei sei es wichtig, klar mit der Gemeinde im Internet zu kommunizieren und sie nicht zu täuschen. „Es ist zwar möglich, im Netz einen Hype zu kreieren, aber dieser muss von Anfang an durchdacht sein.“ An dieser Stelle seien die Kreativagenturen gefordert, entsprechende Aktionen zu entwickeln. „Wir sind derzeit intensiv am Experimentieren.“ Auch hier sei der Ansatz, bei der Projektfinanzierung auf Werbekunden zu setzen und damit das Interesse der Sender zu wecken. „Die Verwertungskette dreht sich um.“

Trotz dieser neuen Konstrukte bleibt die klassische Spielfilmproduktion bei der C-Films (Deutschland) GmbH weiterhin im Vordergrund. „Bei der Zusammenarbeit zwischen C-Films und Markenfilm war von Anfang an die Vorgabe, dass wir uns auf die Langfilmproduktion konzentrieren.“ In den neuen Büroräumen am Hamburger Pferdemarkt befindet sich C-Films nun unter einem Dach mit Firmen wie Markenfilm Crossing. „Wir sind gute Partner, aber jeder bedient sein eigenes Geschäftsfeld“, erläutert Seikel. Sofern es sich anbiete, erfolge ein Austausch über bestimmte Projekte. „Durch unsere Ideen, die wir gemeinsam entwickeln, entstehen neue Formate. Damit sind wir gut für die Zukunft aufgestellt, weil wir dadurch bereits über diverse Erfahrungen mit unterschiedlichen Projekten verfügen werden, wenn sich in einigen Jahren auch in Deutschland die Finanzierungsstrukturen ändern.“
Birgit Heidsiek
(MB 07/08_12)