Investitionen in Produktionseffizienz

Wann kommt 4k als relevanter Standard für die Live-Übertragung? Kann man von Live-Regien auch in der Filmproduktion profitieren und wird der Ü-Wagen künftig durch mobile Remote-Übertragungstechnologien ersetzt, die gleichwertige Bildqualität, Übertragungssicherheit auf Basis von effizienten IT-Workflows bieten? Darüber und mehr sprach MeBuLive mit Goetz Hoefer von der Studio Hamburg-Gruppe, der unter anderem gemeinsam mit Mike Krüger und Andreas Walter Geschäftsführer von Studio Berlin Adlershof ist.

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Investitionen in Produktionseffizienz

Herr Hoefer, ist die Live-Produktion für einen technischen Dienstleister wie Studio Berlin/Hamburg die Königsdisziplin?

Für uns als Studio Berlin ist es eigentlich irrelevant, ob wir live, live on Tape oder eine Aufzeichnung wie einen TV- oder Kinofilm produzieren. Live-Produktionen an sich haben eher die Besonderheit, dass wir noch viel weniger Fehler machen dürfen als ohnehin. Ich vergleiche sie immer mit einem Theaterspiel direkt vor Publikum. Da kann man im Gegensatz zu einer Aufzeichnung das Ganze nicht einfach mal anhalten und neu anfangen. Wenn etwas nicht klappt wie geplant, muss blitzschnell während der Übertragung eine Analyse erfolgen, um den Fehler wieder aufzuheben. Man kann auch nicht wie bei Live on Tape gegebenenfalls noch einmal eine Korrektur im Schnitt machen. Generell laufen aber die Produktionsprozesse nach demselben Muster ab: Entweder bauen wir die technische Anlage on Location auf wie beispielsweise im Fußballstadiom oder wir nutzen das bestehende technische Set in einem unserer Studios und testen vorab die Funktionsweise hinsichtlich der speziellen Produktionsanforderungen.

Welche reinen Live-Produktionen haben Sie aktuell im Portfolio?

Wir bedienen alle Live oder Live on Tape-Produktionen im TV von Talk Shows über Unterhaltungssendungen und großen Sport-Events bis hin zu Live-Berichterstattungen. Dazu gehören etwa „Günther Jauch“, „Anne Will“, „Hart aber fair“, „The Voice of Germany“, „Circus Halli Galli“ oder „Echo“ sowie die erste und zweite Fußball-Bundesliga und die Deutsche Tourenwagen Meisterschaft. Die Fußball Champions League realisieren wir abwechselnd mit TVN für Plazamedia. Im Bereich Berichterstattungen übertragen wir übrigens mittlerweile auch Events, die gar nichts mehr mit dem klassischen Fernsehen zu tun haben. Zum Beispiel Aufsichtsratssitzungen großer Unternehmen, die ausschließlich im Internet übertragen werden.

Sie waren auch bei der Fußball-WM aktiv. Was stand da an?

Wir waren mit 60 Mitarbeitern in Brasilien um von Belo Horizonte, Salvador de Bahia und Brasilia insgesamt 19 Spiele zu übertragen. Das Besondere bei dieser WM war für uns, dass wir aus logistischen Gründen nicht mit eigenem Equipment vor Ort waren. Auftraggeber war Sony als technischer Gesamtdienstleister des FIFA-Hostbroadcasters HBS, der die gesamte Übertragung der Fußball WM realisierte. Unsere Mitarbeiter wurden im vergangenen März eingewiesen und haben diverse Trainings absolviert. Wir freuen uns sehr, dass wir als Studio Berlin wieder bei diesem wichtigen Sportevent dabei sein konnten.

Das Know-how ihrer Mitarbeiter ist also geschätzt?

Ja. Es kommt bei so großen Events vor allem auch auf die Produktionserfahrung an. Und die Fußball Weltmeisterschaft ist mit weit über zwei Milliarden Zuschauern vor den Fernsehgeräten eines der größten TV-Events weltweit. Da wird an unsere Mitarbeiter ein sehr hoher Anspruch gestellt. Studio Berlin ist zu Recht stolz darauf, dass wir seit 2006 regelmäßig bei den Fußball-Europa- und Weltmeisterschaften dabei sind und uns einen guten Ruf erarbeitet haben.

Die Übertragungstechnik ist im Wandel. Was bedeutet das für Sie?

Die größte Änderungswelle hat mit dem Wechsel von SD auf HD vor rund zehn Jahren stattgefunden, weil man damit vom anlogen auf die filebasierten Workflows umgestiegen ist. Momentan geht der Trend verstärkt zu IT-basierten Workflows. Die entsprechenden Investitionen stellen nicht nur eine wirtschaftliche Herausforderung für uns dar, sondern erfordern von uns großes technisches Know-how und die konsequente Weiterentwicklung unserer Mitarbeiter mitsamt der Verantwortung dafür, dass sich unser Personal fortlaufend durch Schulungen weiter entwickeln kann.Fehler, die heute in der Produktion auftreten, sind in der Regel softwarebasiert. Bedingt durch die komplexe Glasfasertechnik mit einem Kabel – bestehend aus mehreren Fasern – ist hier im Gegensatz zur analogen Verkabelung – pro Signal ein Kabel – im Vorfeld der Produktion per Software eine Konfigurationsarbeit zu leisten, aus der sich perspektivisch eine erhebliche Effizienzsteigerung ergibt.

Entstehen dadurch höhere Anforderungen an das Bedienpersonal der Regien? Auch in Sachen Software-Know-how?

So ist es. Zudem müssen die Mitarbeiter das Produktions-Niveau halten, das die Kunden gewöhnt sind. Softwarebedingt sind die Systeme heute anfälliger – es gibt mehr potentielle Fehlerquellen. Aber wir bekommen das insgesamt sehr gut hin.

Effizienzsteigerung heißt auch, es wird preiswerter?

In der heutigen Situation ist das Preisniveau eine große Herausforderung. Die VTFF-Studie hat deutlich gezeigt, dass unsere Branche von wirtschaftlichen Erfolgen weit entfernt ist.

Wie schätzen Sie die Relevanz von 4k aktuell und für die Zukunft ein, insbesondere auch in der Live-Übertragung?

Die Herausforderung der Live-Fähigkeit von 4k liegt heute noch an der Distribution des Signals, nicht an der Produktion, die selbst kein Problem darstellt. Aus diesem Grund ist 4k im Broadcastbereich zurzeit ein hochwertiges Nischenprodukt für ganz besondere Produktionen. Beispiel: Bei der diesjährigen Fußball-WM werden von über 60 Spielen drei in 4k übertragen.

Aber 4k-Empfangsgeräte sind doch schon im Markt?

Da die Distribution der 4k-Signale zurzeit nicht kosteneffektiv zu realisieren ist, werden die wenigen Konsumenten, die bereits im Besitz eines 4k-Displays sind, die Bilder aus Brasilien nicht in 4k empfangen können. Man wird bei 4k noch die Herausforderungen Storage, Monitoring und die technische Distribution bis hin zur Verteilung der 4k-Signale an die Konsumenten meistern müssen. Deshalb gehe ich davon aus, dass es noch etwas dauern wird, bis sich 4k flächendeckend durchsetzen wird.

Lassen sich die 4k-Systeme, die in Live-Produktionen eingesetzt werden, auch für Filmproduktionen verwenden?

Wir bedienen an unserem Standort in Berlin regelmäßig auch fiktionale Kunden, wie zuletzt die internationale Produktion „Ein Hologramm für einen König“ mit Tom Hanks. Für eine andere fiktionale Produktion hatten wir auch eine unserer Regien im Einsatz. Dies ist jedoch eher die Ausnahme. Zwar lässt sich die Produktion von 4k technisch für uns einwandfrei realisieren, aber in der Regel werden bei Filmproduktionen andere Kameras eingesetzt, als bei Produktion im Broadcast Bereich.

Welche Kamerasysteme setzen Sie ein?

Im Moment arbeiten wir im Bereich Broadcast mit Grass Valley Kameras, wobei Sony und Ikegami auch sehr gute Systeme entwickelt haben. Die neue Sony F55 ist zum Beispiel ein System, das sowohl für Broadcast- als auch für Filmproduktionen eingesetzt werden kann. Das ist für uns natürlich sehr interessant.

Bei welchen TV-Live- oder Live-on-Tape-Formaten arbeitet Studio Berlin mit Festregien oder Ü-Wagen? Mit welchen Vorteilen oder Nachteilen hinsichtlich Workflow und Kosten?

Am Standort Berlin haben wir zwei Festregien, eine große und eine mittlere. Diese Regien setzen wir am Standort für große Unterhaltungssendungen oder Talkshows ein. On location arbeiten wir mit Ü-Wagen oder Flightcase-Regien, die aber auch bei unseren Studios zum Einsatz kommen, wenn wir diverse Produktionen parallel bedienen. Die Flightcase-Regien setzen wir oftmals international ein, wie zum Beispiel beim „Der Bachelor“, der in Südafrika produziert wurde. Hier Ü-Wagen einzusetzen, wäre doch recht ineffizient.

Könnten Ü-Wagen einmal ganz überflüssig werden?

Kurz- und mittelfristig werden Ü-Wagen nicht überflüssig werden. Zwar ist es mitunter überlegenswert, Remote-Produktionen zu realisieren. Wenn aber zum Beispiel große Regien bei großen Live-Events erforderlich sind, spricht weiterhin viel für Ü-Wagen. Um sie völlig überflüssig zu machen, bräuchten wir auch in Deutschland ein flächendeckendes Glasfasernetz. Zudem ist es für die Regie immer noch wichtig, auch eine echte und nicht nur eine virtuelle Nähe zur Produktion vor Ort zu haben, um die Gegebenheiten optimal in Bilder umsetzen zu können. Allerdings wird das Thema „Effizienz“ auch in Zukunft für technische Dienstleister eine immer größere Rolle einnehmen. Und deshalb wird es auch Produktionen geben, die man Remote herstellen wird. Aber in den nächsten fünf Jahren wird es sicher keine komplette Umstellung geben.

Axon oder Ross kommen mit Systemen auf den Markt, mit denen man im Gegensatz zu herkömmlicher Technik Randsportarten preiswert produzieren kann. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Diese Unternehmen sind langjährige und geschätzte Partner von uns. Wir produzieren selber bereits mit Remote-Kameras. Der Vorteil ist, dass ein, zwei oder drei Personen je nach Set eine höhere Zahl an Kameras steuern können. Das ist natürlich eine notwendige Effizienzsteigerung. Und man kann diese Art der Technik auch mobil einsetzen.

Bei knappen Produktionsetats ist das sehr interessant, das betrifft aber nicht nur Randsportarten, sondern auch beispielsweise Eishockey. Praktisch ist es aber noch so, dass Remote-Kameras schnelle Bewegungen nicht in der gewohnten hohen Bildqualität liefern können.

Wie viele Kameras werden in der Regel bei großen attraktiven Sportevents und im Vergleich dazu bei Live-Entertainment-Shows eingesetzt?

Bei großen Sportevents sind es in der Regel über 30 Kameras. Bei den Shows kann man es nicht pauschalisieren, es kommt auf die Art der Show und ihren Sendeplatz an – es können bis zu sechs-, bis zu zwölf- oder bis zu 24 Kameras sein. Das hängt natürlich auch vom jeweiligen Sender ab.

Dass so viele Kameras speziell bei König Fußball eingesetzt werden, hängt damit zusammen, dass der Zuschauer heute alles ganz genau sehen will?

Um möglichst jede schnelle Bewegung des Balls mit der Kamera einfangen zu können, kommt es auch darauf an, dass man jeweils geschickte Winkel einsetzt, so dass das Bild nicht verwackelt, weil die Kamera parallel dazu den schnellen Move mitmachen muss. Meiner Beobachtung nach können Remote-Kameras speziell bei Großereignissen wie Fußball-WM noch nicht die Sicherheit bieten, die die Sender und die Zuschauer von der Bildqualität und -übertragung erwarten.

Die Technik ist im rasanten Wandel von HD zu 4k und immer mehr IT und IP in der Technik. Was bedeutet das hinsichtlich der Amortisierung? Stehen neue Herausforderungen bevor?

Die hohen Investitionen, die mit der Einführung und der Aufschaltung von HD einhergingen, waren nicht nur für uns ein Kraftakt, der jetzt langsam abgeschlossen ist. Einen nächsten großen Investitionszyklus sehe ich für uns im Moment nicht.

Wir werden Ersatzinvestitionen haben und in unsere Produktionseffizienz investieren. Wenn es zu einem neuen Zyklus kommt, dann ist ein Groß-Event wie eine Weltmeisterschaft oder Olympische Spiele hilfreich. So hatten zur Fußball-WM 2006 viele Anbieter ihre Ü-Wagen speziell zu diesem Termin auf HD umgerüstet oder in neue Übertragungswagen investieren können, weil entsprechende Produktionsaufträge vorlagen.

Erika Butzek

MB 4/2014

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