Unsichtbare Kameras

Die Berliner Firma Blackcam hat mit ihrer Idee eines unsichtbaren Schienensystems für Fahraufnahmen während Shows und Konzerten eine echte Marktlücke gefüllt. In den etwas über zwei Jahren ihres Bestehens ist das System der von Regisseur Thomas Janze und Robotikingenieur Jan Karabasz gegründeten Firma fester Bestandteil jeder großen Primetime-Show des deutschen Fernsehens geworden. Janzes Idee hinter Blackcam ist der Einsatz von Kameras nah am Bühnengeschehen ohne dass das Live-Publikum von Kameramännern oder großen Aufbauten in seiner Sicht behindert wird.

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Unsichtbare Kameras

„Im Laufe des vergangenen Jahres hat sich unser System herum gesprochen und mittlerweile bekommen wir Anfragen von Interessenten, die bis dahin noch nicht direkt mit uns zu tun hatten“, erzählt Christoph Dietrich, Disponent bei Blackcam. Anfragen kommen aus den benachbarten Ländern wie den Niederlanden, der Schweiz oder Belgien. Aber das Blackcam-System wurde auch schon in den USA, Großbritannien, China oder Australien eingesetzt. Mit dem System hat Thomas Janze gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Jan Karabasz ein technisches Werkzeug erschaffen, das es erlaubt, eine kreativere Bildregie zu verwirklichen. Das wird von Showregisseuren auch intensiv genutzt, berichtet Christoph Dietrich: „Die Regisseure setzen das Blackcam-System bewusst ein und suchen dafür aktiv nach neuen Kamerapositionen.“ Genau dies war auch die Intention von Thomas Janze: „Für ein Konzert hatte ich nach einem kleinen System gesucht“, erzählt er. „Quasi etwas, das unsichtbar ist!“ Und da er es nicht gefunden hatte, haben es Janze und Karabasz selbst gebaut. Heraus gekommen ist die Möglichkeit Kameras von nun an auch an Orten einzusetzen, die aus verschiedensten Gründen für herkömmliche Kameras nicht zugänglich sind.

Das Schienensystem von Blackcam wird entsprechend den Anforderungen der Produktion und den Bedürfnissen der Kreativen passgenau gebaut. Da alles in der eigenen Werkstatt gemacht wird, können auch über Nacht noch neue Ideen umgesetzt werden. Die Schienen können an Kanten angebracht werden oder unter der Decke. Auf ihnen gleitet aufrecht oder hängend ferngesteuert und ruckelfrei ein Dolly entlang. Auf ihm kann jedwede Art von Kamera montiert werden. Besonders attraktiv ist das Schienensystem, da es unter der Bühne versenkt werden kann, so dass nur noch der Remotehead mit dem Objektiv heraus schaut. Der ist dann nur bei genauem Hinsehen bemerkbar und stört weder Zuschauer noch das Übertragungsbild, wenn die Bühne in der Totale oder Halbtotale gezeigt wird. Dieses System ist so klein und effizient, dass bei Konzertaufnahmen Schienen selbst am Keyboard oder Schlagzeug angebracht werden können, um den Musikern ohne sie zu stören auf die Pelle zu rücken. Bei der Aufzeichnung des mit 45.000 Menschen ausverkauften Coldplay-Konzerts im RheinEnergie Stadion in Köln 2012 wurde eine 180 Grad-Schiene für eine kleine Kamera um das Schlagzeug von Will Champion herum gebaut, ohne dass sich jemand davon gestört fühlte. Dies stellte sich als so effektiv und überzeugend heraus, dass es beim Tote Hosen-Konzert im Jahr darauf gar eine 360°-Schiene gab und die Kamera während des Konzerts ständig um den Schlagzeuger herum fuhr. Während der Fahrt konnte durch Zoom und Schwenks eine breite Palette an bisher nicht möglichen Detailbildern, Totalen und Fahrbildern gewonnen werden. Gerade die Fahrten, mit denen man ganz nah an die Protagonisten heran kann und dann Weitwinkel einsetzt, sind sehr eindrucksstark und daher sehr beliebt. Die Ideen der Kunden beweisen welch kreative Kraft durch das Blackcam-System frei gesetzt wird. Für „The Voice of Germany“ wurde eine Schiene gebaut, die in einem ca. 35-Grad-Winkel 20 Meter nach oben verlief. Dort ging es dann erst ein Stück geradeaus bevor die Kamera in eine Kurve einschwenkte. Dies sind Fahrten, die ein Kran nicht bewältigen kann, da er einerseits die Bögen nicht beschreiben kann und anderseits mit Aufbauten oder Zuschauern ins Gehege käme. „Das Blackcam-System ist tief in das Bühnenbild einstrukturiert“, erklärt Jan Karabasz den Unterschied. Längst ist Blackcam auch kein Sondersystem mehr, das zusätzlich eingesetzt wird oder eine andere Kamera ersetzt – wobei anzumerken ist, dass es keinen Kameramann ersetzt – sondern vollwertig zum Einsatz kommt, wie beim Peter Maffay-Konzert 2013 in München, wo Regisseur Hannes Rossacher sieben Blackcam-Systeme, darunter eine B40 hängend auf 75 Meter langer Schiene, eine B20 auf der Bühnenrückseite und eine B10 am Schlagzeug eingesetzt hat.

Hat Blackcam auch seinen Ursprung bei Konzert- und Musikclip-Aufnahmen und ist es mit Shows groß geworden, so ist es doch überall einsetzbar. Neben Fashionshows, Filmpremieren in Berlin und Asien findet man Blackcam bei diversen Sportveranstaltungen und auch erste Projekte im fiktionalen Bereich werden gerade realisiert. Und sogar im Bereich der Sicherheitsüberwachung ist Blackcam angekommen. Eine Sicherheitsfirma hat ausgelotet, ob man das System nicht auf Dächern anbringen kann und ein Krankenhaus hat überlegt, ob es nicht einen sterilen Raum in seiner Intensivstation damit ausrüsten sollte, um den Patienten immer aus allen Richtungen im Auge behalten zu können ohne den Raum betreten zu müssen, was jedes mal das Anlegen von Sicherheitskleidung und anschließender Desinfikation bedeutet. Das System ist auch in der Lage 3D-Rigs zu tragen, wie Thomas Janze als Regisseur mit 3D-Aufnahmen eines Gigs von Bonaparte und Kalabrese vergangenes Jahr im Kater Holzig in Berlin unter Beweis stellen konnte. Nach einem UEFA Champions League-Spiel 2013 in Wien und einem Test bei einem Fußballspiel in Deutschland, hat Blackcam als technischer Support für den britischen TV-Dienstleister Apollo Remote Ende Mai für das Rugby Finale im englischen Twickenham – „The Home of Rugby“ – entlang einer Längsseite eine 140 Meter lange Schiene mit Dolly aufgestellt. Die Fahrgeschwindigkeit des Dollys liegt bei fünf Metern in der Sekunde. Der Unterbau der Schiene und der Dolly waren von der Bande verdeckt; nur die ferngesteuerte Kamera, eine Sony P1, schaute heraus. „Der Aufbau hat wieder gezeigt, dass wir das System einerseits sehr gut kaschieren können und wir anderseits mit kleinem Aufwand lange Fahraufnahmen realisieren können“, so Jan Karabasz. Allerdings stehen einem regelmäßigen Einsatz von Blackcam beim Fußball noch immer die Kosten im Wege, da das System erst einmal zusätzlich eingesetzt würde und zusätzliche Kosten dem Spardiktat entgegen stehen. Christoph Dietrich ist zuversichtlich, dass sich dies mittelfristig ändern wird, da die kreativen Möglichkeiten und Perspektiven, die Blackcam eröffnet, sehr attraktiv sind. „Unsere Kameras können herkömmliche Positionen ersetzen, stören den Spielbetrieb nicht und bringen gleichzeitig mehr Dynamik in die Übertagung“, betont Jan Karabasz das Potential von Blackcam für Sportübertragungen.

Während der NAB im April in Las Vegas war Blackcam mit einem eigenen Stand vertreten. „Firmen aus der ganzen Welt haben sich für unser System interessiert“, erzählt Christoph Dietrich. „Gerade vom Zukunftsmarkt Asien. Auch von Sendern, die neue Nachrichtenstudios planen, gibt es Anfragen. Jetzt ist die Phase, in der wir Blackcam in das Bewusstsein rücken, damit uns Planer und Entscheider bei anstehenden Planungen berücksichtigen.“

Thomas Steiger

MB 4/2014