Fortschritt und Vereinfachung

Die zur Sportrechte-Agentur Infront gehörende TV-Produktionsfirma HBS (Host Broadcasting Services) ist beim FIFA-Confederations-Cup 2013 und bei der FIFA-Fußball-WM 2014 in Brasilien für die Produktion der TV-Bilder verantwortlich. Dazu unterzeichnete das Unternehmen zur IBC 2012 einen wichtigen Vertrag mit Sony über die Bereitstellung von Live-Broadcast-Technik. MEDIEN BULLETIN sprach in Amsterdam mit HBS-CEO Francis Tellier über die WM-vorbereitungen.

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Fortschritt und Vereinfachung

Die FIFA-Fußball-WM 2014 rückt näher. Wieweit sind die Vorbereitungen zur TV-Produktion des Wettbewerbs gediehen?

Der zur IBC 2012 mit Sony geschlossene Vertrag über die Bereitstellung von HD-Produktionsequipment ist für uns ein ganz wichtiger Schritt auf dem Weg zur FIFA-Fußball-WM 2014 in Brasilien. Wir können uns nun ganz auf den Confederations Cup 2013 in Brasilien konzentrieren. Das wird ein erster Test für die WM-Produktion. Sechs Stadien werden dabei genutzt. Bei der WM selbst sind es dann 12 Spielstätten.

Gegenwärtig sind alle HBS-Abteilungen mit den Produktionsvorbereitungen beschäftigt. Die Kollegen aus der Stadion-Abteilung sind dabei, alle Stadien in Brasilien zu besuchen und sicherzustellen, dass dort alles glatt läuft. Der Bau dieser Stadien ist abgeschlossen. Es geht nun mehr um die nötigen Anpassungen von der Confed Cup- zur Worldcup-Periode.

Steht auch schon der Produktionsplan?

Ja, im Großen und Ganzen. Im Vergleich zu 2010 gibt es hier auch nicht viele Veränderungen. Schon bei den letzten FIFA-Fußball-Weltmeisterschaften haben wir reichlich Content produziert. In Südafrika 2010 haben wir mehrere Signale zu den Matches bereitgestellt. 40 ENG-Crews waren damit beschäftigt, für unsere Broadcast-Kunden alle relevanten Themen aufzubereiten. Wir hatten ein eigenes Live-Signal für die kleinen Screens – für Mobile- und Multimedia-Anwendungen. Das gesamte Material war auf einem zentralen Server abgelegt und wurde dort allen Rechteinhabern verfügbar gemacht.

Vielleicht machen wir diesen 2014 noch ein paar Zusatzangebote. Das ist aber noch nicht entschieden. Wir überlegen zum Beispiel, ob wir unseren Broadcast-Kunden eine besondere WM-App bereitstellen sollen. Aus rein produktionstechnischer Sicht sind die Vorbereitungen zur WM 2014 eher einfach.

Kompliziert ist allerdings die ganze Logistik, die damit verbunden ist. Brasilien ist ein riesiges Land. Wir müssen viele Flüge chartern und Hotelzimmer anmieten. Insgesamt haben wir zur WM schließlich fast 3.000 Mitarbeiter vor Ort.

Gibt es zur WM 2014 mehr Live-Streams im Internet?

Was gefordert wird, liefern wir der FIFA und unseren Broadcast-Kunden. Die müssen nur sagen, was sie mit dem, was wir produzieren, anfangen wollen. Sender wie ESPN aus den USA sind heute bereits sehr viel stärker im Web aktiv als das 2010 der Fall war. Die Olympischen Spiele in London haben deutlich gemacht, was alles möglich ist. Im Gegensatz zu den Olympischen Spielen geht es bei einer Fußball-WM zwar nur um eine Sportart. In Brasilien wird das Turnier dafür aber in zwölf verschiedenen Städten ausgetragen. Dem Zuschauer wird deshalb auch hier ein sehr vielfältiges Sporterlebnis geboten.

Wird die Qualität der Produktion angehoben?

Natürlich wird die Produktionsqualität über die Jahre immer besser aber grundsätzlich ist das, was wir mit der verfügbaren Technik machen, nicht viel anders als zuvor.

Warum wurde Sony als Techniklieferant ausgewählt?

Sony hat uns ein gutes Angebot gemacht und wir sind zuversichtlich, wieder gut mit dem Unternehmen zusammen arbeiten zu können. Wir haben ja auch schon das 3D-Projekt in Südafrika in guter Harmonie zusammen realisiert.

Auch zu anderen Herstellern pflegen sie beste Kontakte, so zum Beispiel zu EVS. Gibt es Alternativen zu deren Technik?

Nein, im Grund nicht. EVS ist für 2014 gesetzt. Bei den Diskussionen mit dem Unternehmen geht es nur noch um die Menge der einzusetzenden Technik. Wir haben in dem Bereich nicht mal eine Ausschreibung gemacht. Die Beziehung zu EVS ist sehr alt und gut bewährt.

Werden in Brasilien auch Ü-Wagen zum Einsatz kommen?

Hier kommt Sony ins Spiel. Sony liefert aber keine Ü-Wagen nach Brasilien sondern fertig gebaute Produktionseinheiten in Containern – sogenannte Fly-away-Packages – für alle zwölf Stadien. Die sind alle identisch gebaut. Wir bewegen nur die teuren Teile der Ausrüstung zwischen den Stadien. Die sind in acht Kits untergebracht und werden von einem speziellen Technikstab begleitet. All das ist in dem Vertrag mit Sony genau geregelt. In Brasilien werden keine Ü-Wagen eingesetzt, weil das Land dafür einfach zu groß ist. In Deutschland 2006 war das viel einfacher. Da konnten wir einen Ü-Wagen leicht zwischen zwei Stadien hin und her bewegen. Die Maximal-distanz betrug 400 Kilometer. In Brasilen ist das anders. Die Distanzen sind da immens.

Was passiert mit den Sony-Einheiten nach der WM?

Danach gehen die zurück an Sony. Ich bin sicher, dass das Unternehmen einen Plan für die Weiterverwertung haben. Ich denke, das meiste Equipment wird nach dem Worldcup an Ü-Wagen- und Rental-Firmen gehen.

Gibt es Überlegungen, wieder 3D- oder vielleicht auch 4K-Produktionen zur FIFA-WM 2012 zu starten?

Wir sind diesbezüglich immer noch in Gesprächen mit der FIFA und Sony. 3D-Produktionen haben wir bereits 2010 zusammen realisiert. Das würden wir wiederholen. Deshalb sprechen wir auch mit einigen wichtigen TV-Sendern über das Thema. In Sachen 4K sind wir ebenfalls in Gesprächen mit Sony. Wenn wir da einsteigen wird das auf jeden Fall nicht unsere Hauptproduktion betreffen. Wir sind immer offen für Innovationen. Sie müssen aber Sinn machen und zwar nicht nur für die Sender sondern auch für die FIFA. Die hat mit FIFA Films ja ein großes Archiv. Das heißt, auch wenn das Material heute nicht unbedingt in 4K genutzt werden kann, so dann doch in der Zukunft.

Wurden auch schon Kooperationsverträge mit Herstellern wie Lawo und Riedel geschlossen?

Es gibt entsprechende MoUs (Memorandum of Understanding). Wir brauchen in Brasilien mehr Kommentatoren-Einheiten. Wegen der Größe des Landes ist es schwierig, sie schnell genug von einem Ort zum anderen zu transportieren. Wir nutzen deshalb die Gelegenheit, den Bereich der Kommentatoren-Einheiten bei uns zu erneuern und dabei auch in den Genuß neuer Audiotechnologien zu gelangen. Wir haben dazu eine ganze Reihe neuer Einheiten geordert mit denen wir ältere Systeme ersetzen wollen.

Erhält HBS in Brasilien auch Unterstützung von TV Globo?

TV Globo ist der nationale Rechtehalter in Brasilien. Der Sender wird eine sehr uzmfangreiche Berichterstattung zur FIFA-WM 2014 im eigenen Land realisieren. Wenn die uns helfen können, dann gerne. Zur Weltcupzeit ist der Sender aber komplett beschäftigt und hat keine Kapazitäten frei. Allerdings wird TV Globo – und das ist für die FIFA wichtig – zur WM das Fanfest fernsehtechnisch in Brasilen bedienen. Darum brauchen wir uns dann nicht zu kümmern.

Sie haben in Brasilien fast 3.000 Mitarbeiter am Start. Setzen Sie dabei auch auf lokale Kräfte?

Klar, soviel wie möglich. Trotzdem ist es nötig, sehr viele internationale Mitarbeiter einzufliegen. Wir haben auch wieder unser Legacy Programm mit Universitäten aufgelegt – so wie in Südafrika. Damit bieten wir jungen Leuten den Einstieg in die TV-Produktion.

Wie weit sind Sie mit Ihren Logistik-Plänen?

Die Pläne stehen, müssen aber noch umgesetzt werden. Dazu sind noch viele Verträge zu schließen und Flüge zu chartern. Das alles soll bis Ende des Jahres erledigt sein. In den meisten Städten sind wir schon sehr weit. Nur Rio ist sehr schwierig. Auch die Stromversorgung muss vom Organisationskomitee in den Städten sichergestellt werden. Wir wollen da sehr zuverlässige Lösungen.

Werden an irgendeiner Stelle neue Technologien eingesetzt?

Nicht wirklich. Alles läuft wie gehabt. Natürlich gibt es Verbesserungen– wenn man zum Beispiel die Ultramotion-Kameras betrachtet. Wir versuchen ständig, überall Verbesserungen zu verwirklichen. Dabei gilt jedoch immer Fortschritt mit Vereinfachung zu kombinieren.

Welcher Grafikanbieter ist bei der WM 2014 mit dabei?

Wir haben gerade erst eine Vereinbarung mit Deltatre geschlossen. Es wird also auch in diesem Bereich Kontinuität geben. Die Kombination aus Kontinuität und Fortschritt ist unsere wichtigste Triebfeder. Auch unsere Broadcast-Kunden mögen das. Ihr Leben ist schwer genug. Deshalb ist es besser, nicht immer das Rad neu erfinden zu wollen und immer wieder Innovationen durchsetzen zu wollen. Besser ist, die Sachen, wenn immer möglich, zu vereinfachen. Damit helfen wir den Broadcastern mehr. 95 Prozent des technischen Set-ups beim FIFA-Worldcup 2014 ist genauso wie bei der Fußball Euro 2012. Und selbst die produktionstechnischen Hauptkonzepte der Olympischen Spiele sind nicht sehr viel anders als die unseren.

Wie schon gesagt: Innovationen machen nur Sinn, wenn sie den Broadcastern auch einen echten Vorteil versprechen.

Eckhard Eckstein
(MB 11/12)

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