Auf dem Gas bleiben

Die wige Media AG war auf der SpoBIS 2015 „Presenting Partner“. Das Unternehmen mit den drei Geschäftsbereichen „Vision“, „Creation“ und „Live“, die sich auf die Bereiche Beratung, TV-Produktion und Mediendistribution konzentrieren, gilt als wichtiger Dienstleister, wenn es um die Produktion von Bewegtbild geht. 270 Mitarbeiter arbeiten in Köln, München, Nürburgring und Stuttgart in sieben GmbHs. Wie andere Firmen in diesem Bereich auch, hat die wige Media AG eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Peter Lauterbach über die Zukunft des Unternehmens und der Branche.

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Auf dem Gas bleiben

Der SpoBiS zeigt, dass sich Geschäftsmodelle rasant verändern. Welche wichtigen Eindrücke haben Sie auf der Veranstaltung gewonnen?

Alle, die mit Content zu tun haben, müssen sich damit beschäftigen, dass Inhalte ganz andere Wege nehmen als in der Vergangenheit. Wir sind es gewohnt, mit Fernsehsendern über Rechte zu verhandeln, aber wir sind es noch nicht gewohnt, auch und parallel über Multi Channel Netzwerke nachzudenken. Und wir sind es auch noch nicht gewohnt, dass internationale Bewegtbild-Reichweiten gemessen werden – mit Werbeerlösen, die dagegenstehen. Die USA sind in dieser Hinsicht viel weiter als wir in Europa. Es ist wichtig, dass wir einen Weg finden, um die Rechte- und Contentlandschaft neu zu sortieren.

Es ist noch gar nicht so lange her, da hatte die gesamte Produktionsdienstleisterbranche drastische Einbrüche zu verzeichnen. Viele haben geklagt…

Mir ist grundsätzlich jedes Gejammer fremd. Und andere für die eigene wirtschaftliche Schieflage verantwortlich zu machen, halte ich für grundsätzlich falsch. Die Sender müssen sich in ihren Ansprüchen an die Dienstleister verändern, weil schlicht und ergreifend Marktanteile verloren gehen. 30 Prozent des Marktes, der vorher noch bei den großen Sendern war, verteilt sich jetzt auf unzählige andere Angebote.

Was bedeutet das für die Branche?

Die Mediaagenturen geben ihr Geld nur einmal aus. Dienstleister müssen kreativ sein und den Sendern proaktiv neue Wege aufzeigen, zum Beispiel mit Branded Entertainment und Strategien, die Social Media-Kanäle mit einbinden. Die digitale Entwicklung ist aus meiner Sicht ein Segen, weil nur technologische Innovation die Welt verändert: Hätte Steve Jobs nicht den iPod auf den Markt gebracht, hätten Download- und Streamingportale womöglich bis heute nicht so eine hohe Relevanz erzielt. Die Bewegung auf dem Digitalmarkt ist für uns hochinteressant und wird die Branche in den nächsten fünf Jahren entscheidend verändern.

Sie selbst sehen _wige als einzigartiges Unternehmen in der Branche. Warum?

Kein Unternehmen ist so aufgestellt wie wir: _wige ist das einzige Haus in Europa, das eine eigene 30-köpfige Bewegtbild-Redaktion außerhalb eines Senders beschäftigt. Wir haben einen ganz starken Vermarktungsarm, der eine Content Maschine betreibt. Und das in Verbindung mit den notwendigen technologischen Voraussetzungen, um diese Inhalte zu produzieren und zu verbreiten. Wir sind die einzigen in Europa, die Technik und Inhalte unter einem Dach vereinen. Das macht uns für viele Veranstalter und Marken attraktiv, weil es Schnittstellen vermeidet und dadurch auch Missverständnisse.

_wige war ja seit seiner Gründung 1979 eher im Technikbereich verortet. Hat sich das nun gewandelt?

Nein, vielmehr haben wir das Portfolio erweitert. Grundsätzlich kommen wir aus der Technologie: Wir haben beispielsweise die Zeitmessung im Motorsport beeinflusst, wir haben die grafische Darstellung von Sport in den Medien überhaupt verändert. Etwa mit der virtuellen Linie beim Schwimmen oder mit dem farbigen Feld, in dem die Skispringer landen, was virtuell aber nur im Fernsehen dargestellt wird. Dazu kommt große technologische Kompetenz in der Kameraentwicklung und -anwendung. Wir entwickeln ständig neue Technologien und produzieren damit für Marken und Veranstalter hochwertigen Content. Inhalt folgt Technik.

„Sport scheint einer Ihrer wichtigen Schwerpunkte zu sein. Welche Auftraggeber sind in diesem Segment für Sie wichtig?

Sicherlich ist die Rennserie DTM einer unserer wichtigsten Partner. Ubiquitär bieten wir hier sämtliche technischen und redaktionellen Leistungen. Die entsprechenden Inhalte werden den Sendern zur Verfügung gestellt. Wir produzieren das World Feed. Aber auch sonst sind wir bei der DTM sehr aktiv, beispielsweise mit der Einrichtung der Blackboxen in den Rennfahrzeugen, die die GPS-Daten übertragen. Auch mit dem ADAC verbindet uns eine langjährige Partnerschaft, genauso wie mit RTL für die Übertragung der Formel 1. Motorsport ist eine unserer Domänen, allerdings produzieren wir für die Fußball Bundesliga ebenso wie für die Handball Champions League. Und viele der im Sport-Sponsoring tätigen Marken beauftragen uns mit der Aktivierung ihrer Engagements im Bewegtbild.

Sie bezeichnen sich als Marktführer im Bereich Branded Content…

Ja, hier sind wir sicherlich Marktführer und dürfen die größten und bekanntesten Marken unsere Kunden nennen: zum Beispiel Volkswagen, Red Bull oder Deutsche Post DHL. Sie und andere erhalten von uns eine Fullservice-Betreuung, wenn es um die Markendarstellung und Distribution im Bewegtbildbereich geht. Zusätzlich werden wir in Joint Ventures im digitalen Umfeld investieren, die auf Sport konzentriert sind. Der größte Teil unseres Umsatzes kommt aber aus der Technologiesparte. Die Formel-1-Strecke in Russland etwa ist komplett von _wige ausgestattet.

Klassische TV-Inhalte scheinen bei Ihnen mittlerweile eine untergeordnete Rolle zu spielen…

Ganz und gar nicht. Für das ZDF haben wir zum Beispiel während der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien „Servus Brazzo“, einen Prominenten-Talk parallel zum Turnier, produziert. Und mit der Akquise von SOUTH&BROWSE im letzten Jahr bauten wir den Bereich TV-Formate sogar gezielt aus.

Fernsehen bleibt für uns wichtig, ist aber eben nicht allein entscheidend. Unseren im vergangenen Jahr signifikant und nachhaltig gestiegenen Jahresumsatz erwirtschaften wir als technischer Dienstleister für Sender, als Partner für Veranstalter sowie als Generalunternehmer für den infrastrukturellen Ausbau von Sportstätten und Corporate TV-Netzwerken.

Bei diesem Portfolio müssen Sie wahrscheinlich ständige Erweiterungen Ihrer eigenen technischen Ausstattung vornehmen…

Richtig. Wir investieren permanent. Zum Beispiel in neue Technologien, die preiswerte Liveübertragungen möglich machen. Wir arbeiten an Streaming-Plattformen, wir bauen einen neuen Champion in der Distribution. In den letzten drei Jahren haben wir schon mehrfach siebenstellig in Technologie investiert, und werden es auch weiterhin tun. Das strategische Ziel dabei: Präsenz in den digitalen Medien und effiziente Produktionsplattformen.

Wie wollen Sie zukünftig erfolgreich sein?

Grundsätzlich möchten wir uns von den Wettbewerbern weiter klar über unique Produkte und Leistungen differenzieren. Wir haben in den vergangenen Jahren schon wirkliche Innovationen und kreative Ansätze entwickelt – und so konnten wir bei technischen Lösungen und auch Dienstleistungen teilweise einen zeitlichen Vorsprung von mehreren Jahren gegenüber den Kollegen, die uns in Pitches begegnet sind, erzielen. Und es gibt niemanden, der Marken im Bewegtbildbereich mit solch einem journalistischen Know-how betreuen kann wie wir.

Welche Herausforderungen sehen für Ihr Unternehmen in nächster Zeit?

Wir müssen auf dem Gas bleiben. Wer jetzt bei Innovationen und notwendigen Investitionen nachlässt, wird das Nachsehen haben. Dazu gehört auch, Mitarbeiter zu zufriedenen Mitarbeitern zu machen, um sie auf einen erfolgreichen Weg mitzunehmen.

Und was planen Sie mit Blick auf die internationalen Märkte?

Die Internationalisierung wird für _wige in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Wir sind zwar durch unsere deutschen Auftraggeber schon oft im Ausland aktiv und auch in Russland haben wir vor der politischen Krise viel bewegt, aber es muss noch mehr werden. Vor anderthalb Jahren haben wir damit begonnen. Ein besonders großes Potential sehen wir in den Golfstaaten, Asien und den USA.

Wilfried Urbe

MB 2/2015