Bürgerjournalismus, 5G und cloudbasierte Infrastrukturen

In seinem mebucom-Kommentar spricht Andreas Jacobi, Mitgründer und CEO von Make.TV, über die Herausforderungen des fragmentierten Medienmarkts, 5G für die Newsberichterstattung, cloudbasierte Infrastrukturen und neue Chancen, Bürgerjournalismus gewinnbringend und effizient einzusetzen.

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Bürgerjournalismus, 5G und cloudbasierte Infrastrukturen

Jedem Nachrichtensender geht es darum, möglichst als erster über ein aktuelles Medienereignis zu berichten um die Aufmerksamkeit der Konsumenten auf sich zu lenken. Das Problem dabei ist, dass der Zugang zu den gängigen Nachrichtenservices noch nie so leicht war wie jetzt. Sich von der breiten Masse abzuheben wird zudem noch dadurch erschwert, dass Medienorganisationen zunehmend gezwungen sind, mit weniger Mitteln noch mehr zu bieten. 

Nachrichtenredakteure müssen daher ihre Arbeitsabläufe und Prozesse neu überdenken, wenn sie sich dem digitalen Zeitalter erfolgreich anpassen möchten. Viele denken bereits um und führen cloudbasierte Infrastrukturen ein, die es Reportern und Produktionsteams ermöglichen sollen, an vielfältigeres Filmmaterial zu gelangen, die Produktion zu beschleunigen und den Vertriebsprozess zu straffen, ohne dabei Abstriche bei der Qualität machen zu müssen.

Zunehmender Bürgerjournalismus

Konsumenten erstellen mehr Inhalte als je zuvor. Einer Studie von Cisco zufolge werden Live-Videos bis 2021 voraussichtlich 13 % des gesamten Videoverkehrs im Internet ausmachen. Smartphone-Kameras können qualitativ hochwertiges Filmmaterial produzieren und jeder kann dadurch zu den Nachrichten beitragen. Die Zunahme von nutzergeneriertem Inhalt (User Generated Content oder UGC) eröffnet Nachrichtenredakteuren ein breiteres Spektrum an Blickwinkeln und Perspektiven vom Ort des Geschehens. UCG ist daher ein kostengünstiges, relevantes und hyperlokales Angebot an Nachrichten, auf das zugegriffen werden sollte.

Um sich den zunehmenden Bürgerjournalismus zunutze zu machen, brauchen Nachrichtensender Anwendungen mit Web Real-Time Communication (WebRTC). Diese Funktionen erlaubt es Medienanstalten, mobile Reporter oder Augenzeugen vor Ort um Beiträge in Form von Ferninterviews, Call-ins oder von Live-Filmaufnahmen eines größeren Ereignisses zu bitten. In zeitkritischen Situationen hat WebRTC auch den wesentlichen Vorteil, dass die Beitragsersteller nicht erst eine spezielle App herunterladen müssen. 

Cloudbasierte Infrastrukturen können Nachrichtensendern helfen, die Akquise von Inhalten zu optimieren, indem Redakteure auf eine beliebige Anzahl an simultan laufenden Live-Feeds zugreifen können. Das können professionelle Kamerafeeds sein, Encoder, Mobiltelefone oder Online-Quellen. Ein solche Infrastruktur kann nicht nur die Art und Weise der Nachrichtenrecherche, sondern auch den gesamten Arbeitsablauf in der Redaktion – von den Autoren bis zu den Kuratoren von Nachrichten – entscheidend verändern. 

Sofortiger mobiler Einsatz noch besser durch 5G

Um eine Live-Übertragung zu stemmen, müsste ein Medienunternehmen normalerweise einen SNG-Wagen organisieren, Satellitenübertragungen reservieren und die Aufzeichnung planen. Diese bewährte Methode garantiert zwar stabile Live-Übertragungen, ist aber auch kostspielig, arbeitsintensiv und alles andere als kurzfristig einsetzbar. Dass Nachrichtensender nicht umgehend vor Ort sein können, wirkt sich für sie im Wettbewerb mit ihren digitalen Konkurrenten nachteilig aus. 

Während es die Cloud-Infrastruktur Produktionsteams ermöglicht, UGC in Kombination mit professionellen Inhalten zu nutzen, dürfte 5G sowohl die Qualität als auch die Stabilität solcher Beiträge erhöhen. Da 5G-Netze auf dem Vormarsch sind, ist es möglich, Signale von Nachrichtensendern zu priorisieren. Mediengruppen könnten dann darauf vertrauen, eine stabile Verbindung von Orten herstellen zu können, in der die Netzkapazität besonders stark beansprucht wird, wie etwa Sportstadien, Konzerte oder auf dem Times Square in New York an Silvester.  

Plattformunabhängige Bereitstellung von Inhalten 

Der Kampf um die Zuschauer ist durch neue Medienkanäle und Online-Plattformen, die auf den Markt drängen, härter geworden. Das Publikum ist zunehmend fragmentiert. Eine Studie von Pew and Nielsen hat gezeigt, dass Millennials sich von herkömmlichen Fernsehformaten abwenden und digitale Plattformen bevorzugen. Sie verbringen pro Tag nur 12 Minuten vor dem Fernseher, um Nachrichten zu sehen, während die über 38-Jährigen auf einen Durchschnitt von 54 Minuten kommen. Die Zunahme des Nachrichtenkonsums auf digitalen Plattformen bedeutet, dass Redaktionen umdenken müssen, wie sie ihr Publikum erreichen.

Durch einen Wechsel zu cloudbasierten Video-Workflows können Medienanstalten Inhalte simultan über eine unbegrenzte Anzahl an Kanälen übertragen. Ein Programm kann gleichzeitig über mehrere Kanäle, darunter lineare, OTT- und soziale Medienkanäle übertragen werden. Mit einer einzigen Übertragung kann so die Reichweite deutlich gesteigert werden.

Vor Kurzem nutzte Revry, der erste globale Streaming-Sender für LGBTQ+-Menschen, die Live Video Cloud von Make.TV, um die Spendenveranstaltung TrevorLIVE zu senden. Durch die Cloud-Technologie von Make.TV konnte Revry die Sendung simultan und live über mehrere Kanäle auf der ganzen Welt übertragen. Seit Revry mit Make.TV zusammenarbeitet, hat sich die Zahl der Kanäle, über die die TrevorLive-Sendung übertragen wird, von sechs auf 13 im Jahr 2018 erhöht. Revry erreichte damit während des Streamings der Veranstaltung im Dezember 2018 über 9,4 Millionen Live-Zuschauer. Dieses Jahr übertrug Revry die Sendung an über 23 lineare, OTT- und soziale Medienkanäle. Revry ist zwar kein Nachrichtensender, doch ist TrevorLIVE ein gutes Beispiel dafür, wie Medienunternehmen eine Reihe von neuen verfügbaren Kanälen nutzen können, um ihre Reichweite zu erhöhen. Andreas Jacobi (7/19)

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