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Fiction-Produktion im Umbruch

Fiction-Produktion im Umbruch

Die Umstellung auf den HD-Standard ist jetzt auch in der deutschen fiktionalen TV-Produktion in vollem Gange. Das zeigen die Ergebnisse der Gespräche, die MEDIEN BULLETIN mit Technologie-Verantwortlichen der marktführenden TV-Produzenten in Deutschland führte und hier im Einzelnen dokumentiert. Dabei sind sich die Technologie-Verantwortlichen in einem Punkt einig: Die Umstellung von SD auf HD geht viel schneller als erwartet und ziemlich problemlos über die Bühne. Diese Aussage bezieht sich allerdings im Wesentlichen auf die schon seit Jahren industriell gefertigte tägliche Serie, die Daily Soaps und Telenovelas.

Die Daily ist die TV-Fiction-Ware, die unter dem höchsten Geschwindigkeits- und Kostendruck steht und im Ergebnis jeden Tag eine Serienfolge in der Länge bis zu zirka 50 Minuten auf die Beine stellt. Ein irres Produktionsvolumen, das in der Hand der marktführenden Produzenten in Deutschland liegt, deren Mütterhäuser entweder ARD/ZDF die RTL oder ProSiebenSat.1 – also Konzerne – sind, nämlich: UFA, Bavaria Film, Studio Hamburg und Producers at Work.

Gerade weil es sich bei der Daily-Produktion um immense Datenmengen handelt, die verwaltet werden müssen, kamen hier schon bei der SD-Produktion eine ausgefeilte Produktionslogistik zwischen Dreh und Postproduktion zum Tragen, die einen reibungslosen, effektiven Workflow auf digitaler Basis leisten musste. Wobei jedes Produktionsunternehmen seinen mehr oder weniger individuellen Workflow entwickelt hat – und davon nun zunehmend Erfahrungen für die Produktion von Prime-Time-Filmen und Serien ableitet, die jetzt immer weniger mit der 16mm-Kamera, sondern mit Alexa oder RED entstehen.

Wie sich die inhaltliche Kreativität in Zukunft bei jedem einzelnen Film mit den zu verwaltenden Daten verträgt, wird die Herausforderung der Zukunft sein. Sicher ist. HD ist Alltag, ist Produktionsnorm geworden. Die Zukunft wird von neuen Themen bestimmt.

Grundy UFA – Dailys im Hollywood-Look?

Am weitesten und ehrgeizigsten prescht Ernst Feiler in die Zukunft vor. Er ist Head of Technology bei Grundy UFA, die mit GZSZ die industrielle Serienproduktion für Deutschland erfunden hat. Feiler hat nicht weniger vor, als auch die Dailys mit einem echten Kinolook auszustatten.
Aktuell produziert Grundy UFA mit GZSZ (RTL) „Unter uns“ (RTL), „Alles was zählt“ (RTL) und „Verbotene Liebe“ (ARD) parallel vier tägliche Serien für deutsche Sender und eine in Ungarn. Obwohl die vollständige Umstellung auf HD-Produktion laut Plan erst Ende des Jahres bei Grundy UFA abgeschlossen sein wird, betrachte Feiler schon heute HDTV als „ein historisches Thema“, als „Schnee von gestern“, wie er an anderer Stelle sagt. Auch wenn „die faktische Umsetzung“ teilweise noch laufe, habe sich gezeigt, dass der Umstieg von SD auf HD „deutlich smoother und unaufgeregter von statten gegangen ist, als es manche vermutet hatten“. Ergebnis sei ein höherer Production Value, der nun „auf den Flatscreens der Republik zur Geltung kommt“, „ein Gewinn an Licht und an Design“.

Die konkrete Antwort auf die Frage, welche Technik Grundy UFA in der HD-Produktion einsetze, umgeht Feiler zunächst elegant philosophisch. Es gebe „seit einigen Jahren einen elementaren Paradigmen-Wechsel aufgrund der Vielzahl der Möglichkeiten, Technologie einzusetzen“. Im Prinzip seien „HD-Kameras von allen Herstellern gut“. Doch die Kamera allein sei in der heutigen Produktion gar nicht entscheidend. „Eine Kamera“, so Feiler, müsse vielmehr „als Bestandteil eines Workflows“ betrachtet werden. Früher hätten alle Produzenten dieselbe Technologie eingesetzt. Technologie sei kein Faktor gewesen, um sich im Production Value von den Mitbewerbern zu unterscheiden.

Das habe sich geändert, weil das Technologie-Angebot für das Zusammenspiel von Dreh und Postproduktion in einem optimalen Workflow heute riesig sei. So sei „das Rezept, wie man seinen Workflow auch unter Kostenaspekten optimal gestaltet, ein Wettbewerbsvorteil“ geworden sagt Feiler und fügt so knallhart wie selbstbewusst hinzu: „Deswegen werden wir an dieser Stelle nie detailliert kommunizieren, weil wir die einzige Abteilung in Deutschland direkt beim TV-Produzenten haben, die sich ihren Wissensvorsprung in langen Jahren erarbeitet hat, und wir damit nicht so öffentlich umgehen wollen“.

Indessen hat sich in der Branche immerhin herum gesprochen, welche Kamera Feiler besonders am Herzen liegt. Es ist ARRIs Alexa, die ursprünglich weniger für die TV-Produktion als für den Kinofilm konzipiert worden ist. Die zentrale technologische Frage, die sich Grundy UFA in Bezug auf Kameras stelle, sei, so betont Feiler, ob es sich um einen Zweidrittel-Zoll-Chip oder 35-mm-Chip handeln solle. Verbunden damit sei die Frage für ihn:„Wann steigen wir auf den Kino-Look um? Das ist für uns das brennende Thema“, sagt Feiler und erklärt: „Ich rede über Workflows. Die Zeit, in der man am Set nur eine Kamera verwendet, ist vorbei. Unsere Kollegen von der Kameraabteilung sagen jetzt: ‚Wir stehen vor der Wahl der Waffen’“. Man wolle die jeweils optimale Kamera für die spezielle Drehsituation einsetzen. Feiler: „Faktisch haben wir heute schon Minimum zwei bis drei Kamera-Typen fest im Besteck und suchen heraus, welche für die jeweilige Szene die richtige ist.

Nur zur Erinnerung: Als HDTV das Laufen lernte, hat man, auch um HDTV-Geräte in Richtung Konsumenten effektvoll verkaufen zu können, HDTV gerne als Synonym für „Kino-„ oder gar „Hollywood-Look“ verwendet. Tatsächlich aber, darauf weist Feiler hin, ist die Technologie HDTV nur ein erster Schritt, um für TV Kinobilder generieren zu können. Ein weiterer „elementaren Sprung, der hinzukommen müsse, sei „die Größe des Bildsensors“. Zwar sei mit HDTV eine vergleichbare Bildschärfe wie die des 35mm-Films „befriedigend gelöst“. Aber erst mit der ausreichenden Tiefenschärfe, die Kinofilmkameras ermöglichen, könne der echte Kinolook realisiert werden: Bilder mit Schärfen und Unschärfen zwischen Vorder- und Hintergrund, die Regisseur und Kameramann kreativ so gestalten können, „dass die Aufmerksamkeit genau auf das gelenkt wird, was für die Dramaturgie wichtig ist“, sagt Feiler. „Rein physikalisch“ gebe es aber heute noch „einen elementaren Unterschied zwischen 35mm-Bildsensor und den klassischen EB-Kameras mit Zweidrittel-Zoll Chips.

Letztlich, das räumt Feiler ein, sei der Kinofilm-Look weniger Ergebnis des Einsatzes von Technologie, denn vielmehr vom „Aufwand in der Inszenierung“: von Darsteller, kreativem Talent aller Beteiligten, Zeit, die man sich zum Ausleuchten nimmt, Locations, Ausstattung und Budgets, über die man verfügt, um Kameras auf langen Schienen zu setzen, an Kränen oder an Hubschraubern oder in rasenden Fahrzeugen emotionale Bilder einfangen zu lassen. Aber, so Feiler, die Technologie sei in ihrer Qualität so weit fortentwickelt, dass heute „eine Daily mit den gleichen Technologien wie der Kinofilm gefertigt“ werden könne: „Die Dreifaltigkeit, die es früher mit den völlig verschiedenen Gerätegruppen EB-Kameras, Studio-Kameras und Kinofilmkameras gab, ist heute Schnee von gestern“.
Technologisch gibt es laut Feiler „keinen Unterschied mehr zwischen einem Dreh in einem Hollywoodstudio, wo man mit einer Alexa dreht, auf Final Cut postet und eine Baselight als Farbkorrektursystem nutzt“. Das alles sei auch in einer Daily-Produktion möglich. „Für mich“, so Feiler, „ist es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass wir gerade im fiktionalen Bereich alle wieder in den 35mm-Bereich und seine Ästhetik emigrieren werden“. Die Frage sei nur, „in welcher Geschwindigkeit“.

Wenn nun aber mehr Zeit – das heißt Geld - für die Inszenierung von TV-Fiction eingesetzt werden soll, um einen größeren Production Value zu erreichen, muss es auf der anderen Seite wieder eingespart werden – oder es müssen neue zusätzliche Einnahmen generiert werden. Mit der Einführung des filebasierten Workflow, der „zu effizienteren Produktionsketten“ geführt habe, sieht sich Feiler auf dem richtigen Weg, zumal er neuerdings über ein digitales Archiv in Gütersloh verfügt, das von der Arvato Digital Services gemanagt wird, das wie die UFA zu Bertelsmann gehört. Von hier aus soll eine neue Wertschöpfung erschlossen werden. „Im Zeitalter von iTunes und Co“, so prognostiziert Feiler, werde „nach HDTV und Kinolook das nächste Blockbuster-Thema für Produzenten das „intelligente“ digitale Archiv mit inhaltlich beschreibenden Metadaten“ sein, da man stetig „auf der Suche nach neuen Einnahmequellen“ sei. Auch, um trotz des großen Kostendrucks, den die Sender auf Produktionen ausüben, einen hohen Production Value zu erhalten.

Bavaria – Kein Workflow von der Stange

Bei der Bavaria Film werden aktuell zwei tägliche Serien produziert. Während die erst in diesem Jahr gestartete Medical-Daily „Herzflimmern – die Klinik am See“ (ZDF) von Anfang an im HD-Produktionsstandard konzipiert worden ist, soll die erfolgreiche Telenovela „Sturm der Liebe“ (ARD) in dieser Sommerpause auf HD umgestellt werden, wie Günther Farrenkopf, Bereichsleiter Produktion und Technologie der Bavaria Production Services berichtet. Grundsätzlich erwarte man beim Wechsel von SD auf HD keine großen Probleme, zumal die dabei entstehende Datenmenge „nicht ganz so gravierend“ sei, sagt Farrenkopf „Wir haben uns für den XDCamHD-Codec entschieden, der letztlich auch mit 50Mbit arbeitet und wenn man den kompletten Fertigungsprozess nativ in diesem Codec gestaltet, sehr gute Ergebnisse abliefert. Er sei für HDTV „qualitativ durchaus ausreichend“, ist er überzeugt und entspreche den technischen Richtlinien von ARD und ZDF.

„Sturm der Liebe“ war laut Farrenkopf die erste tapeless produzierte Daily in Deutschland. Bei der mittlerweile eingestellten Serie „Eine für alle“ hatte man dann als erster Daily-Produzent die Workflows bereits im HD-Standard entwickelt und frühzeitig gelernt, „auch hochauflösende Inhalte optimal in den Fertigungsprozess einzubinden“. Es gehe darum, so Farrenkopf, die verschiedenen Programminhalte, die entweder im Studio- oder beim Außendreh erzeugt werden, in einem einzigen Contentpool mit einem Content-Mangement-System so zu verwalten, dass alle Bearbeitungsschritte wie Schnitt, Farbkorrektur, Look, Tonbearbeitung und Tonmischung bis zum Versand des Programmmasters nahtlos in einem möglichst effizienten Workflow erfolgen können. Dieser Workflow, an dessen Verbesserung man kontinuierlich weiter arbeite, sei der neuen Daily „Herzflimmern“ von Anfang an zu Gute gekommen. Mittlerweile, das sei neu, werde das Endprodukt auch in Files an den Sender geliefert. Bei „Herzflimmern“ arbeite man mit drei Ikegami-Studio-Kameras und im Außendreh mit Sony XDCamHD.

Auf die Frage, ob er es aktuell für sinnvoll halte, beispielsweise mit der Alexa, Kinoeffekte in die Dailys rein zu bringen, antwortet Farrenkopf: „Das streben wir nicht an“. Im Dailybereich müsse man „in hoher Geschwindigkeit Output erzeugen und mit den Budgets, die man zur Verfügung hat, auskommen. Eine Alexa ist da eigentlich überdimensioniert“ und würde die Postproduktion wesentlich komplexer machen, zumal man dann mit einer erhöhten Anzahl von Schnittsystemen arbeiten müsse, um das große Programmvolumen im festgesetzten Zeitraum stemmen zu können, weiß Farrenkopf.

Wunschlos glücklich mit dem Angebot an Kameras und den zwischenzeitlich immer mehr IT-lastigeren Produktionstechnologien ist Farrenkopf nicht. So regt er beispielsweise eine Verbesserung im Bereich des Angebots an Kameraobjektiven an. Das, was momentan für HD als Standardobjektive auf dem Markt vorhanden sei, „ist nicht das, was man für HD wirklich braucht“. Die Spezialobjektive, die man stattdessen einsetzen könnte, würden nicht nur die Kosten erhöhen, sondern ließen sich teilweise in bestimmten Drehsituationen nicht in der angestrebten Geschwindigkeit einsetzen. Zwar funktioniere der Workflow mittlerweile im Großen und Ganzen gut. Dennoch gebe es nach wie vor Schnittstellenprobleme der einzelnen Hersteller untereinander. Beispielsweise ist der Übergang vom AVID-Schnittsystem zum Gradingsystem Scratch von Assimilate trotz „kleinerer Zugeständnisse“ seitens AVID immer noch nicht so, wie das für einen optimalen Fertigungsprozess wünschenswert wäre. „Es greift nicht nahtlos ineinander. Die immer wieder zu bemängelnde Geschlossenheit des Schnittsystemherstellers führt nach wie vor oft wieder zu längeren Bearbeitungszeiten als notwendig.“

Als Bereichsleiter Produktion und Technologie der Bavaria Production Services ist Farrenkopf nicht nur für die Dailys sondern auch für alle anderen TV Produktionen und Serien im Hause zuständig. Von daher weiß er: „Es gibt keinen Workflow von der Stange“. Unterschiedliche Herangehensweisen an Fertigungsprozesse für unterschiedliche Inhalte und nicht zuletzt die verschiedenen Auswertungsmöglichkeiten auch in Bezug auf neue digitale Plattformen wie im Internet erfordern immer auch differierende Workflows. Während der Workflow der täglichen Serien zumindest unter dem Dach der Bavaria in etwa vergleichbar sei, „gelten für Movies und Prime-Time-Serien derzeit noch andere Regeln und Workflows für die HD-Produktion“, sagt Farrenkopf.

Mit der Nachfolgetechnologie der 16mm-Filmkamera – etwa Alexa und RED - entstehen dabei am Set neue Herausforderungen, berichtet er. Man müsse „ein hohes Datenaufkommen, neue Speichertechnologien, anders geartete Anforderungen an das Qualitätsmanagement und den Umgang mit IT basiertem Musterversand“ in den Griff bekommen. Um das sicherzustellen, geht Farrenkopf davon aus, dass die Produktion am Set in Zukunft noch stärker direkt mit dem Postproduktionszentrum vernetzt werden müsse, wo neben den verschiedenen Fertigungsprozessen optimalerweise auch die digitale Archivierung umgesetzt werden müsse, um alle Vorteile und Synergien des vernetzten Arbeitens voll ausschöpfen zu können.

Noch aber werde auch weiterhin mit 16mm-Filmkameras gearbeitet. Das Verhältnis zwischen dem Aufnahmestandard 16mm-Film und den elektronischen Kameras Alexa/RED liege bei der Bavaria schätzungsweise mit 50: 50 relativ günstig für den Film. Es werde sich vermutlich aber bereits im nächsten Jahr noch viel stärker zu Gunsten der elektronischen Kameras entwickeln. Bereits in diesem Jahr habe man in 15 neue Alexa-Kameras und zehn RED-Kameras investiert. Der Markt fordere diese Technologie, analysiert Farrenkopf so nüchtern wie realistisch: „Dass die 16mm-Filmkameras von elektronischen Kameras abgelöst wird, kann niemand mehr bestreiten“. Nur mit Kameras des Typs Alexa und RED, so deutet Farrenkopf an, werde sich künftig im Bereich der Prime-Time-Filme der höhere Aufwand für die visuelle Gestaltung, der wegen der hohen Bildqualität von HDTV notwendig geworden ist, realisieren lassen – in den vorgegebenen Zeit- und Kostenzusammenhängen natürlich.

Dabei sei abzusehen: Flatcreens, Computerspiele und Internet haben längst die Sehgewohnheiten insbesondere von jüngeren Fernsehzuschauern verändert. Sie erwarten den coolen Look der Bilder, die HDTV bietet. Farrenkopf hofft, dass die „jüngere Generation“ auch wenn sie „längst auf dieses neue Sehen abgefahren ist“, dennoch den früheren körnigen „Filmlook“ „etwas vermissen“ werde. „Wir reden ja nicht über Kino, sondern wir reden über Fernsehen“, betont Farrenkopf. Aber auch inwieweit Produktionen mit Filmkameras für den Kinobereich künftig realisiert werden können, „ist selbstredend eine Kostenfrage“.

Für die fiktionale TV-Produktion sei heute gewiss: „Technologie und Know-How gehen Hand in Hand. Man muss in der Lage sein, mit IT-unterstützen Fertigungsprozessen einen optimalen Workflow zwischen Dreh und Postproduktion so kostengünstig wie möglich gestalten zu können. Das ist heute das A und O, um im Wettbewerb der Produzenten vorne dabei sein zu können“, weiß Farrenkopf. In diesem Punkt ist er mit Feiler von Grundy UFA einig. Wobei Farrenkopf den Grund dafür nennt: „Die zum Einsatz kommende Technologie und die Programminhalte lassen sich nicht mehr so ohne weiteres voneinander trennen, weil durch die Vernetzung aller Arbeitsschritte eine große Abhängigkeit erzeugt wird, um mit nahtlos ineinandergreifenden Workflows erfolgreich sein zu können.“
In Bezug auf die Kosten der täglichen Serienproduktion in HD statt SD verrät Farrenkopf: „Bei unserem Workflow liegen die Investitionskosten für die HD-Technik vielleicht zehn Prozent über der im Vergleich zur SD-Technik“. Das müsse aber kein Maßstab für andere Produzenten sein.

Producers at Work – mal XDCAM HD, mal Alexa

Auch Herstellungsleiter Olav Mann von Producers at Work, ist überzeugt, dass die 35mm-Optik, wie sie ARRIs Alexa bietet, „heute noch nicht notwendigerweise erforderlich ist, um ein gutes Bild für die Fernsehauflösung zu erzeugen“. Zumindest für die Daily-Produktion reiche die XDCAM HD 422 „völlig aus“, sagt Mann. Diese Sony-Kamera setzt er bei der Daily „Hand aufs Herz“ (SAT.1) ein. Die Neuauflage des TV-Krimis „Wolffs Revier“ für SAT.1, aus der eine Reihe entstehen könnte, will Mann allerdings mit der Alexa drehen, um die 35mm-Optiken nutzen zu können. Im Doku-Fiction-Bereich hat Mann bereits mit der 5D Erfahrung gemacht und will demnächst die F3 von Sony ausprobieren. Auch Mann schöpft voll aus dem riesigen Kamera-Angebot in HD-Qualität, das der Markt heute bietet, und wählt von Projekt zu Projekt aus, was zur jeweiligen Drehsituation in Verbindung mit der avisierten Postproduktion am besten passt.

Die zweite Daily-Produktion, die Producers at Work ebenso für SAT.1 stemmt, wird indessen noch in SD produziert. „Wir können uns nur zwei Wochen Produktionspause leisten, die wir üblicherweise über Weihnachten machen. Ich müsste in zwei Wochen den gesamten Postproduktions-Workflow umstellen und innerhalb von zwei Wochen ein neues funktionierendes System haben. Mir kann aber niemand versprechen, dass das System bereits am ersten Tag der Produktion dann einwandfrei funktioniert“, erklärt er.

Die Unsicherheit rühre daher, dass die Leitungswege für die Produktion von „Anna und die Liebe“ bislang an eine SD-Vernetzung angepasst seien, „die von der Leistungsfähigkeit der Datenmengen nicht für HD geeignet ist“. „Wir müssten“, so erläutert Mann, „die ganzen Maschinen, die an der Unity hängen, entsprechend anpassen, damit sie die Datenmengen von HD bewältigt“.
Als Kriterien für die Auswahl der Technologie für die industrielle Serienproduktion in HD-Qualität nennt Mann als bestimmende Faktoren „Preis und Bedienfreundlichkeit“. „Bedienfreundlichkeit sowohl im Sinne der Aufzeichnung als auch im Sinne der Postproduktion“, fügt er hinzu.

Man habe für den Fiction-Bereich festgestellt, „dass eine Kamera, die zu schwer ist, schlecht zu bedienen ist, aber auch eine Kamera, die zu klein ist und zu wenig wiegt“. Bei letzteren sei es für die Kameraleute „relativ schwierig, sie ruhig zu halten“. Kriterium für die Auswahl der Kameras sei ebenso, dass man daran „Zubehör für die Funkschärfe“ basteln könne. Berücksichtigt werde ferner, welche Objektive bei einer Kamera genutzt werden können, um die avisierte Optik zu erreichen.

Auch bei Producers at Work geht es um das optimale Zusammenspiel zwischen Dreh und Postproduktion im geeigneten Workflow. Da hat Mann in der Anlaufphase für die Daily „Hand aufs Herz“ feststellen müssen, dass bei der XDCAM HD als Produktionsstandard für den Daily-Bereich noch keine Erfahrungswerte vorgelegen haben. Das heißt, so Mann. „die Firma AVID war nicht so richtig vorbereitet, diese Datenmengen auf diesem Format zu verarbeiten“. Deshalb habe man lange als Beta-Tester im Markt unterwegs sein müssen. Doch mittlerweile habe man die Probleme selber gut gelöst. Zum Beispiel, wie man die Artefakte weg bekommt oder die Asynchronität, die beim Ton angefallen war. Auch waren mitten in der Postproduktion zum Beispiel Abspanntafeln plötzlich mitten im Film und vieles mehr, so dass „es lange gedauert habe, bis wir alles im Griff gehabt haben“.

Nach Anlaufschwierigkeiten, die sich natürlich auch in den Kosten widergespiegelt haben, sei die HD-Produktion im Vergleich zu SD im Daily-Bereich unterm Strich mittlerweile kostenneutral. „Seitdem die Kameras der XDCam-Technik ähnlich strukturiert sind wie die Beta-Kameras sei alles nicht mehr soviel aufwändiger. Auch der Speicherplatz ist kein Problem mehr“, sagt Mann. Allerdings: „Wir mussten feststellen, dass man im Postproduktionsbereich mit den neuesten Maschinen, mit der neuesten Software arbeiten muss und nicht mit Maschinen arbeiten kann, die schon zwei, drei Jahre alt sind, weil die mit den Datenmengen nicht sehr gut klar kommen. Das ist aber jetzt kein wesentliche Kostenfaktor mehr“.

Beim Umstieg von SD auf HD sei vor allem auch die Kontrolle der Schärfe der Bilder sensibel zu beachten. Es sei notwendig über Kamera-Assistenten zu verfügen, die gravierende Probleme dabei vermeiden können und sich mit der Schärfe des 35mm-Films auskennen. Jede HD-Produktion liege in der Bildschärfe ungefähr bei der vom 35mm-Film. Wenn es ein Kamera-Assistent nicht sofort checke, dass man in den Bereich der Unschärfe wechsle, sei das Material nicht mehr zu verwenden, warnt Mann.
Ausstattungsmäßig habe man auch im Daily-Bereich der HD-Produktion keine Probleme feststellen können. Da man generell im Deko-Bau auf eine hohe Qualität Wert gelegt habe, gebe es auch mit HD keinen Unterschied. Für die Darsteller gebe es mittlerweile ein speziell auf die Anforderungen von HD abgestimmtes Make-up, das dünner als früher aufgetragen werde. Das sei mitunter aber etwas aufwändiger als die frühere Schminke, weil man es nicht nachbessern kann, sondern es vollständig abtragen und durch ein neues Make-up ersetzen muss. Aber „das ist eine Ausnahme“.

Grundsätzlich hält Mann die HD-Produktion im Daily Bereich für unproblematisch. In Bezug auf den Einsatz von HD für fiktionale Prime-Time-Produktionen gibt er sich sogar noch euphorischer. „Ich finde, dass HD inzwischen besser aussieht als ein 16mm-Film“. Für die Prime Time werde er „in der Regel aber nicht XDCAM wählen, sondern eher auf die Alexa oder die Red gehen, weil ich dann die Möglichkeit habe, mit 35mm-Optiken zu arbeiten“. Das ergebe „eine bessere Lichtausbeute“: „Ich kann mit weniger großen Einheiten leuchten, ich kann schnelleres Licht machen, ich kann Lichtumbauten wesentlich schneller realisieren und mit vorhandenem Licht sehr gut fotografieren. Mitunter reichen Straßenlaternen oder Schaufenster als Beleuchtung aus, zumindest als Grundlicht“, erläutert Mann: „Der 35mm-Standard bietet eine deutlich bessere Lichtstärke als der 16mm-Standard, diese Möglichkeit will ich auch nutzen“. Mann will künftig sämtliche Prime-Time-Formate von Producers of Work in HD herstellen.

Serienwerft – Problemlose Umstellung auf HD

Während Producers at Work eine potentielle Umstellung der Daily „Anna und die Liebe“ von SD auf HD mitten im engen Produktionsprozess noch potentiell vor sich hat, hat die Serienwerft Studio Hamburg dies für die Daily „Rote Rosen“ schon erfolgreich hinter sich gebracht.
„Wir haben traditionell über Weihnachten ein bisschen Luft, so dass das Team und die Schauspieler mal durchatmen können“, erläutert Emmo Lempert, Produzent und Chef der Studio Hamburg Serienwerft. In dieser Zeit habe man die Umstellung von „Rote Rosen“ in Lüneburg vorbereitet. Weil Studio Hamburg über viel Erfahrung und bestes Know-how in Bezug auf die HD-Produktion verfüge, habe man davon profitieren können. Nach ein paar Probeaufzeichnungen über die Weihnachtszeit habe man dann „aus dem Stand heraus im Januar mit der HD-Produktion begonnen“, sagt Lempert: „Die Besonderheit bei uns war, dass wir nicht nur auf HD umgestellt haben, sondern zum bandlosen Aufzeichnen übergegangen sind. Wir haben einen entsprechenden Server installiert und die Technik komplett verändert“.

Es habe „ein paar Computerprobleme“ gegeben, „aber keinen Produktionsstillstand“. Kleinere Detailanpassungen konnten während des laufenden Betriebs gemacht werden, erinnert sich Lempert. „Für uns war der Look immer schon sehr wichtig. Wir hatten bereits im SD-Standard ein ansprechendes Bild“. Weil man mit der Zeit gehen wolle, habe man es für den richtigen Zeitpunkt gehalten, mit der Folge 1001 auf HD umzustellen.

In der Ästhetik und Dramaturgie habe es „keinen totalen Umbruch“ gegeben. „Wir und auch die Zuschauer waren ja – wie gesagt – schon mit dem Look von „Rote Rosen“ in SD zufrieden“, erläutert Lempert. „Und uns lag daran, die Zufriedenheit weiter zu erhalten“. Natürlich sieht HD anders aus: „Größere Transparenz und Schärfe und faktisch eine größere Dreidimensionalität im Bild“. Doch Kameraführung und der Bildaufbau wurde nicht komplett verändert: „Unser Ziel war es“, so Lempert, „den Glow, wie ihn die Zuschauer schätzen, zu ihrer Zufriedenheit zu behalten“. Weil das „weiche, angenehme Bild“ erhalten bleiben sollte, hat man die „gnadenlose Schärfe von HD“ erst gar nicht ausgereizt.

Auch in Bezug auf Maske und Kulissen sei die Umstellung „unproblematisch“ gewesen, ergänzt Kai Pegel, Produktionsleiter von „Rote Rosen“. Zwar habe man die Maskenbildnerin vorher auf einen HD-Lehrgang gebeten, der neue Schminktechniken vermittelt hat. Aber es habe sich gar nicht als notwendig herausgestellt. Im Dekorationsbau, räumt Pegel ein, müsse man „etwas exakter“ arbeiten, „aber auch nicht viel anders als vorher“. Denn man habe „nicht den Look eines Hochglanzprospekts angestrebt“.
„Rote Rosen“ wird mit „branchenüblichen“ Sony-Kameras – PMW 500 und PDW-F700 – drei Kameras im Studio und zwei im Außendreh produziert. Man habe auch Kameras von anderen Herstellern getestet. Ausschlaggebend für die Entscheidung, so Pegel, sei die „entstehende Datenrate“ gewesen, „die so niedrig wie möglich sein sollte, damit man sie optimal benutzen kann“.

Lempert: „Für unser Projekt, bei dem wir am Tag 48 Minuten abliefern, war uns wichtig, nicht in Diskussionen zu kommen, sondern dass wir im selben Workflow und derselben Geschwindigkeit wie mit SD drehen können“. Im Studio geht das Signal direkt auf den Server. Die Umstellung auf bandloses Arbeiten sei eine Erleichterung, berichtet Pegel, zumal nun einige Arbeitsschritte zur Digitalisierung vereinfacht worden seien. Vorrausetzung dafür sei gewesen, dass man sich „eine gute Struktur für den Server und seinen Betrieb zurecht gelegt“ habe. Dass jetzt Dateien verwaltet werden anstatt Kassetten in Regalen zu sortieren, habe sich als großer Vorteil erwiesen. Lempert fügt hinzu: „Wir haben im Studio nach wie vor eine Bildmischung mit drei Kameras, aber wir bereiten alle drei Signale separat auf. Es wird nicht mehr das Summensignal aufgezeichnet, sondern eine Schnittliste. Das war der Einstieg in das bandlose Arbeiten“. Als letzten Schritt strebe man an, überhaupt keine Zwischenspeicher mehr zu benutzen, sondern die Files direkt weiterzuleiten, zum Beispiel auch zur Degeto, die daraus BlueRay-Discs erstellen lässt.

Natürlich hat die Umstellung auf HD zunächst zu Mehrarbeit und Zusatzkosten geführt. Ob unterm Strich die HD Produktion gegenüber der früheren SD-Produktion kostenneutral sein werde, hänge von der Laufzeit ab, die die Telenovela noch bei der ARD habe, die keinen extra Beitrag für HD gezahlt habe.
Erika Butzek
(MB 07/08_11)

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