Die Fusion der „Schule für Rundfunktechnik“, srt mit der „Zentralen Fortbildung der Programm-Mitarbeiter“, ZFP, zur ARD.ZDF medienakademie repräsentiert nun die größte Medienakademie in Deutschland für die Weiterbildung im audiovisuellen Bereich. Wie viele Seminare pro Jahr bieten Sie an?
Im ersten Jahr unseres Zusammenschlusses rechnen wir mit rund 2.000 Veranstaltungen pro Jahr und zirka 16.000 Teilnehmern. Damit sind wir nicht nur die größte Einrichtung für Qualifizierungsmaßnahmen im audiovisuellen Bereich, sondern gleichzeitig einmalig in Bezug auf das weit gefächerte Spektrum unseres Angebots. Wir begleiten den gesamten Prozess in der audiovisuellen Produktion von der Idee bis hin zur Formgebung: Umsetzung, Gestaltung und Ausstrahlung.
Wie teilt sich das Weiterbildungsangebot der ARD.ZDF medienakademie auf die Bereiche Hörfunk und Fernsehen auf?
Es gibt handwerkliche Unterschiede für Hörfunk und Fernsehen, zum Beispiel bei der Moderation, bei den Darstellungsformen, bei der Gestaltung. Dies wird in Seminaren, Trainings, Coachings – speziell für Hörfunk und Fernsehen vermittelt. Es gibt allerdings auch zunehmend Trainings, beispielsweise Interview, Recherche, die für beide Medien ausgerichtet sind, sowie alle Seminare im Bereich Sachwissen, die Hintergrundwissen und Kenntnisse vermitteln.
Welche Rolle spielen die neuen digitalen Vertriebswege wie Online und Mobile-TV im Seminarangebot?
Seit Mitte der 90er haben wir mit dem Aufbau von Online-Seminaren und Trainings begonnen, die mittlerweile zu einem umfassenden Paket ausgebaut wurden, mit Workshops zugeschnitten auf Medien, Wellen, Sendungen. Wir haben Großereignisse wie zum Beispiel die Weltausstellung in Hannover, Kirchentage „multimedial“ in Workshops begleitet. Mitarbeiter aus Hörfunk, Fernsehen und Online arbeiteten zusammen, entwickelten Formen, die trimedial einsetzbar sind. Natürlich kam dabei auch Mobile-TV vor, wenn bisher auch eher am Rande. Durch den ständigen Informations- und Erfahrungsaustausch haben wir dazu beigetragen, die Mitarbeiter der Rundfunkanstalten „up to date“ zu halten. Mobile-TV- und die Möglichkeiten, die es bietet, werden wir jetzt verstärkt in Trainings einbeziehen.
Welche Rolle spielt HDTV bei Ihren Qualifizierungsmaßnahmen?
Wenn von Seiten der „Politik“ beziehungsweise der Verantwortlichen in den Medien der Startschuss gegebenen wird, stehen wir parat.
Durch den Zusammenschluss hat sich die Finanzierung geändert. ARD und ZDF überweisen der Medienakademie jetzt wohl keinen „Sockelbeitrag“ mehr. Ist die Medienakademie also mehr auf den freien Markt ausgerichtet?
ARD und ZDF, Deutsche Welle und Deutschland Radio sind unsere Gesellschafter. Sie garantieren uns zurzeit 75 Prozent der Abnahme – gemessen an dem Durchschnittswert der letzten fünf Jahren bei srt und ZFP. 25 Prozent müssen wir am Markt erwirtschaften. Wir sind also auch für den „freien Markt“ geöffnet, der von dem Know-how profitieren kann.
Wer genau sind Ihre „Kunden“, auch bei den 75 Prozent, die von ARD und ZDF kommen?
Das sind Mitarbeiter aus den Bereichen Programm und Produktion, der Technik und auch der Verwaltung, vorrangig von ARD und ZDF aber eben auch zunehmend aus den Bereichen der privaten Rundfunksender und von Produktionsunternehmen. Die Schule für Rundfunktechnik hat schon seit längerer Zeit für den freien Markt gearbeitet. Seit dem Zusammenschluss zur ARD.ZDF medienakademie bieten wir jetzt Seminare und Trainings für den Programmbereich offen an, die bei der früheren ZFP nur für feste Mitarbeiter von ARD und ZDF zugänglich waren. Zum Beispiel können jetzt auch freie Autoren, Dramaturgen und Produzenten an Seminaren teilnehmen. Der Austausch in der Medienlandschaft ist uns sehr wichtig. Natürlich wollen ARD und ZDF ihre „heißeste Software“ nicht an jedermann preisgeben, so dass wir schon „Closed-Shop“-Angebote haben, die vor Ort an den Arbeitsplätzen von ARD und ZDF stattfinden. Die offenen, für alle zugänglichen, Seminare werden via Internet und im Programmheft offen ausgeschrieben, mit einem Preis versehen, der den Marktpreisen angeglichen ist. Zusätzlich liefern wir Seminare auf Bestellung von einzelnen Redaktionen/Abteilungen in ARD und ZDF für spezielle Qualifizierungsmaßnahmen vor Ort und natürlich auch für kommerzielle Anbieter.
Die Fusion der zuvor getrennten Weiterbildungsinstitutionen wurde vom ARD-Vorsitzenden Fritz Raff damit begründet, dass mittlerweile „Programm und Technik im Rundfunkalltag immer mehr zusammen wachsen“. Was heißt das genau und wie spiegelt es sich im Angebot der Medienakademie wider?
Die strikte Trennung von redaktionellen und produktionstechnischen Tätigkeiten wird schwieriger beziehungsweise löst sich ganz auf, wie zum Beispiel beim „Videojournalisten“ – Ton, Bild, Schnitt, Redaktion sind in einer Person verkörpert. In ihr fließen Tätigkeiten zusammen, zu der früher verschiedene Professionen notwendig waren. „News Room“ – ein anderes Beispiel, in der die Grenzen zwischen Redaktion, Produktion und Technik sich verschieben.
Was heißt das?
Der Redakteur wählt die Beträge aus – schneidet sie, testet wenn nötig, macht die Aufnahme, leitet das fertige Produkt in den Speicher – und dann steht es für die Sendung bereit.
Bezieht sich das alleine auf den Bereich News Room und Nachrichten oder geht es darüber hinaus?
Der Videojournalismus geht ja schon darüber hinaus. Zurzeit sind wir an einem interessanten Projekt beteiligt – das trimediale Funkhaus – von Radio Bremen, in dem Fernsehen, Hörfunk, Online in gleichen Räumen zusammenarbeiten. Die Sendeplanung ist eine zwischen den unterschiedlichen Medien hochabgestimmte integrierte Planung für alle Programmabläufe also für den Content jeden Tag. Es gibt einen Reporterpool – in dem nach Priorität medien- und sendungsspezifische Beiträge erstellt werden.
Die traditionellen Grenzen zwischen Contentgenerierung, Ideenentwicklung und produktionstechnischer Umsetzung in der Technik werden aufgehoben?
Sie verschieben sich – sicher, aber es bleiben auch weiterhin Unterschiede bestehen. Am Produktionsprozess sind jeweils unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Charakteren und Fähigkeiten beteiligt, die auch verschiedene Voraussetzungen aufgrund ihrer speziellen beruflichen Ausbildung einbringen und davon geprägt sind. Menschen, die Inhalte generieren, haben in der Regel andere Voraussetzungen, eine andere Ausrichtung, wie Menschen, die in der Technik arbeiten. Es wird immer diejenigen geben müssen, die Ideen für Themen haben, wie diese in welche Form zu gießen sind – und Personen, die Experten für die produktionstechnische Umsetzung sind und das Know-how dazu haben. Expertenwissen und -fähigkeiten werden immer gebraucht werden. Es sind eher die einfachen Tätigkeiten, die aufgrund der Entwicklung, der digitalen Technik, keine besondere Profession benötigen.
Können Sie Bitte Beispiele für aktuelle Themen des technologischen Expertentums nennen?
Zum Beispiel die Produktion längerer Stücke auf hohem Anspruchsniveau erfordert Spezialisten für Kamera, Schnitt, für Aufnahme und Mischtechniken. Es werden zunehmend auch Experten für das Netzwerkmanagement gebraucht, um das Managementsystem im Alltag am laufen zu halten.
Die Ausbildung dieser Experten ist aber nicht die Aufgabe der ARD.ZDF Medienakademie?
Zum Teil auch. Wir haben unterschiedliche Angebote von Grundqualifikationen bis zu High-Quality.
Wie stark arbeiten Sie im Bereich technische Weiterqualifizierung mit der Industrie, zum Beispiel mit Avid, zusammen?
Es gibt Beziehungen zur Industrie, und wir arbeiten mit einigen Unternehmen auch enger zusammen, zum Beispiel mit Avid. Die Industrie stellt uns auch einiges an Equipment für die Trainings zur Verfügung, schon auch in ihrem eigenen Interesse.
Welche Rolle spielt HDTV bei Ihren Qualifizierungsmaßnahmen?
Wenn von Seiten der „Politik“ beziehungsweise der Verantwortlichen in den Medien der Startschuss gegebenen wird, stehen wir parat.
Gibt es zurzeit einen besonderen Trend, wohin weiter qualifiziert wird?
Wir gehen mittlerweile verstärkt in den Bereich Prozessbegleitung und Beratung hinein…
…zum Beispiel, wie man Programmanalysen betreibt?
Auch das, wir erstellen diese auch auf Nachfrage; wir begleiten Programmmacher bei der Entwicklung ihres Programms. Wir sind bei Entwicklungsprozessen von über zwanzig Hörfunkwellen beteiligt und bieten vielfältige Trainingseinheiten dazu an. Ähnlich sind wir im Fernsehbereich bei der Weiterentwicklung von Formaten involviert.
Woher beziehen Sie die Impulse für die konkreten Weiterbildungsangebote?
Von überall her. Wir werten so gut wie jeden ernst zu nehmenden Impuls aus, der uns erreicht, ob er von den Rundfunkanstalten oder von außen kommt. Auch über die Qualitätssicherung, bei der unsere Angebote von unseren „Kunden“ bewertet werden, erhalten wir viele Anregungen, was fehlt, was man besser machen kann. Und das ist bei 14.000 Kunden eine Menge. Ebenso greifen wir Anregungen auf, die sich auf Konferenzen der Rundfunkanstalten ergeben, wenn Verantwortliche aus Produktion und Programm zusammensitzen und so weiter.
Das ZDF und auch die ARD haben Probleme, speziell ein junges Publikum anzusprechen. Ist das auch eine Aufgabe für die ARD.ZDF medienakademie?
Wenn uns ein solcher Auftrag über die Rundfunkanstalten erreicht: Ja. Aber wir sind nicht die Programm-Macher, wir kümmern uns um die Weiterbildung und -qualifizierung. Wir sind nicht die Programminitiatoren sondern begleiten diejenigen, die sich auf einen neuen Weg begeben. Die unterstützen wir und helfen ihnen, dass sie besser werden, um ihr Ziel zu erreichen – und wenn das heißt, wie junge Leute anzusprechen sind – auch dafür sind wir gerüstet.
Erika Butzek (MB 07/07)