Der neue Standard HbbTV, der unter anderem auch bei den diesjährigen MEDIENTAGEN MÜNCHEN eine große Rolle spielte, soll ein neues, hybrides Fernseh-Erlebnis für den Zuschauer schaffen. Das Internet findet dabei auf dem Fernseher statt. Was halten Sie davon?
Abe Peled: HbbTV ist ein sehr einfacher Standard, verglichen etwa mit den Möglichkeiten von HTML5. Die öffentlich-rechtlichen Fernseh-Veranstalter machen hier gerade eine Menge – aber sie haben auch schon einmal viel Zeit damit verbracht, MHP-Applikationen zu schreiben. Ich habe in zwölf Jahren interaktiven Digital-TVs gelernt, dass die Killer-Anwendung für interaktives Fernsehen schlicht gutes Fernsehen ist. Es geht nicht darum, ob ich auch noch eine Pizza oder das Kleid von Samantha aus „Sex and the City“ bestellen kann.
Alle in der Branche haben viele sinnlose Dinge versucht, auch wir. Wir konzentrieren uns nun darauf, Geräte mit einzubinden, die die Kunden sowieso schon nutzen, und vor allem gern nutzen – beispielsweise iPads oder Smartphones. Anstatt die anderen Zuschauer im Raum zu stören, wenn ich ein weiteres Menue auf dem Bildschirm öffne, kann ich damit viel leichter Zusatzinformationen abrufen oder parallel in sozialen Netzwerken aktiv sein. Wir verlinken den Kontext und transportieren die Metadaten via WiFi zu den einzelnen Devices. Den Rest kann der Zuschauer entscheiden.
Sie realisieren gemeinsam mit Technologiepartnern wie Intel, Nagravision und Samsung für Liberty Global ein neuartiges Multimedia Home Gateway. Zentrales Element ist eine Art „Superbox“. Welche Rolle spielt NDS in diesem Projekt?
NDS liefert die Middleware MediaHighway mit dem neuen Snowflake-User Interface. Der Receiver ist nicht nur eine Hybrid-Box, die sowohl Fernseh- als auch IP-Signale empfangen kann. Die Box ist auch in der Lage, sämtliche Inhalte an andere Geräte im Haus weiter zu verteilen, sie erfüllt damit auch eine neuartige Gateway-Funktionalität. Das System soll in der ersten Hälfte 2011 zunächst in Holland eingesetzt werden. Das Projekt ist wegweisend, denn zum ersten Mal verbaut Intel einen leistungsstarken Chip für diese Art von Boxen – somit funktionieren sogar flash10 oder HTML5. Im Hinblick auf CPU-Leistung und Graphik geht die Box schon fast in Richtung PC.
Einen ähnlichen Fokus hat ein gemeinsames Projekt mit Vodafone, das auf der IFA und der IBC vorgestellt wurde.
Ja, auch das ist eine sehr interessante Hybrid-Lösung. Mit „Vodafone TV“ können die Zuschauer Internet-TV via DSL empfangen und zeitversetztes Fernsehen in HD-Qualität nutzen. Dabei müssen sie aber nicht auf ihre vertrauten Sat- oder Kabelprogramme verzichten. Das „Vodafone Connected Home“ vernetzt sich darüber hinaus mit anderen Geräten, wie etwa Smartphone, Computer oder Tablet-PC.
Die Box ist aber nicht so leistungsstark?
Das ist ausbaufähig. Weniger leistungsstark bedeutet zunächst einmal nicht so teuer…
Auffällig ist das optisch sehr ansprechende und moderne Design der Box. Inwiefern beeinflusst der „Apple-Trend“ auch die Entwicklungen von NDS?
Apple hat gezeigt, wie wichtig eine einfache Handhabung und das Design, also die „User Experience“ sind. Manchmal ist das den Leuten inzwischen sogar wichtiger als die Funktion, deshalb ist dieser Trend so mächtig. Das beeinflusst natürlich auch die Benutzeroberflächen und die Schnittstellen zum Zuschauer. Bei den User Interfaces waren wir diesem Trend jedoch schon weit voraus – „Snowflake“ erhielt bereits seit der IBC im vergangenen Jahr mehrere Preise, seit mehr als drei Jahren haben wir an dem reduzierten aber funktionalen Design gearbeitet. Aus unserer Sicht sind die Inhalte noch immer am wichtigsten. Aber wir glauben, dass es ein Wettbewerbsvorteil sein kann, wenn man ein angenehmes, einfaches und ästhetisches Nutzererlebnis schafft.
Haben sich durch diesen Trend auch die Innovationszyklen für NDS in den vergangenen Jahren verkürzt?
Dieser Eindruck könnte entstanden sein, weil es immer mehr technische Entwicklungen gibt, die eingeführt werden. Das passiert aber nicht unbedingt schneller als früher. Mehr als von Apple beziehungsweise dem Angebot Apple TV wird speziell der TV-Markt vom Thema Breitband getrieben. Es ist eine Art Goldrausch entstanden, der viele neue Player anzieht. Neben den Telekommunikationsunternehmen entschließen sich nun auch Hersteller wie Samsung oder Sony das Thema Inhalte zu besetzen, denn die Technologie dafür ist da. Dieser neue zusätzliche Wettbewerbsdruck führt dazu, dass vor allem die Pay-TV-Anbieter Innovationen schneller einführen – und das ist doch positiv.
NDS hat bei Kabel Deutschland im Mai dieses Jahres das erste CI-plus-Modul eingeführt. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Der deutsche Markt überrascht mich immer wieder. Es überrascht mich deshalb, weil das Modul genauso viel kostet wie ein einfacher Receiver, aber keine zusätzlichen Funktionen wie etwa einen Programmführer mitbringt. Nirgendwo in der Welt hat sich CIplus durchgesetzt. Aber wenn unsere Kunden es wünschen, liefern wir es natürlich gern. Offensichtlich ist es ein bequemer Weg HD-TV-Geräte mit einem Pay-Service auszustatten. Ich kann Ihnen keine Zahlen nennen, aber es
wird angenommen.
Wie sehen Sie die Zukunft von 3D-TV?
Für viele ist es ein großartiges Fernseh-Erlebnis. 3D erweitert das Unterhaltungs-Angebot als ein Teil von vielem. Es wird aber noch eine Weile dauern, bis es genug gute Inhalte gibt. Auch die Kameraleute müssen noch viel besser geschult werden, damit den Zuschauern im Wohnzimmer nicht schwindlig wird. Genau wie HD wird auch 3D noch eine Zeit brauchen, bis es in großem Stil kommt. Ich glaube auch nicht daran, dass sämtliche Programme in 3D ausgestrahlt werden, sondern es geht um gewisse Einstellungen oder Events, die man dreidimensional erleben möchte.
Wie wichtig ist eigentlich der deutsche Markt für NDS?
Deutschland ist der einzige bedeutende westliche Markt der in punkto Digital-TV noch unterversorgt ist. Wir sehen hier sehr große Wachstumschancen. Sicher, viele Leute stehen hier Bezahlmodellen noch immer skeptisch gegenüber. Ich glaube aber, dass die neuen technischen Möglichkeiten wie etwa HDTV, Personal Video Recorder und die Entwicklung hin zum vernetzten Medienerlebnis zuhause auch die Pay-Modelle voranbringen. Durch den Einstieg von Liberty Global bei UnityMedia können wir nun übrigens auch den letzten „weißen Fleck“ auf der deutschen Kabel-Landkarte für NDS besetzen.
Sie entwickeln auch eine Lösung für e-publishing. Was können Magazin-Macher vom Pay-TV lernen?
Das einzige Unternehmen, das mit Online-Zeitungen Geld verdient ist Google mit den Google-Ads. Ansonsten springt die Werbung hier im Internet nicht an. Tablet-PCs könnten eine Möglichkeit sein, Pay-Modelle zu etablieren. Denn ein Tablet bietet ein ähnliches Lese-Erlebnis wie eine gedruckte Zeitung, auch ich lese das Wall Street Journal auf dem iPad. Wir experimentieren damit, weil wir die technischen Tools haben eine Art Print-App aufzubauen. Das ist dann fast so als würde ich Inhalte auf einen PVR schicken. Das könnte wiederum eine Basis für die Print-Branche sein, neue Werbeformen anzubieten, die für Werbekunden interessanter sind.
Simone Fasse
(MB 12/10_01/2011)