Hochprofitables neues Geschäftsmodell

Die ProSiebenSat.1 Group erreicht mit ihren TV-Sendern in Deutschland, Österreich und der Schweiz über 41 Millionen TV-Haushalte. Zwar ist ihr Kerngeschäft werbefinanziertes Free-TV. Doch das kontinuierliche Wachstum des Unterhaltungs-Konzerns ist im Wesentlichen dem Vorstandsbereich „Digital & Adjacent“ zu verdanken, der von Dr. Christian Wegner verantwortet wird. Zu diesem Bereich gehören beispielsweise Deutschlands größte Online-Videothek maxdome, die Online-Plattform MyVideo, ProSiebenSat.1 Games, das Musiklabel Starwatch und nicht zuletzt das Unternehmenssegment SevenVentures, das am meisten boomt und 80 Mitarbeiter beschäftigt. Im Interview mit MEDIEN BULLETIN erläutert der Digital-Vorstand ProSiebenSat.1, Christian Wegner, das Geschäftsmodell.

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Hochprofitables neues Geschäftsmodell

Herr Wegner, übersetzt bedeutet Ventures „Unternehmen“ oder auch „Risiko“. Mal auf den Punkt gebracht: Was macht SevenVentures, und was ist das Geschäftsziel?

Das ist leicht erklärt: Das Unternehmen ermöglicht seinen Geschäftspartnern Werbepräsenz bei den Sendern unserer TV-Gruppe – und erhält dafür im Gegenzug von ihnen entweder Unternehmensanteile nach dem Prinzip „Media for Equity“ oder eine Umsatzbeteiligung nach dem Prinzip „Media for Revenue Share“. Das Angebot richtet sich an junge, erfolgversprechende Unternehmen, die sich TV-Werbung in der Regel noch nicht leisten können. Kernziel des Modells ist die schnelle Erhöhung der Markenbekanntheit und die Steigerung des Abverkaufs der von den Unternehmen im Fernsehen beworbenen Produkte oder Dienstleistungen. Damit unterstützen wir junge Unternehmer und fördern so die Start-up-Kultur in Deutschland.

Sie betreiben dieses Geschäftsmodell seit dem Jahr 2010. Wie ist man bei ProSiebenSat.1 auf die Idee gekommen, Start-up-Unternehmen Werbezeit zur Verfügung zu stellen?

ProSiebenSat.1 kann über seine TV-Sender zwölf Minuten Werbung pro Stunde verkaufen, ist aber nicht immer ausverkauft. Um die übrige Zeit angemessen zu vermarkten, suchen wir neue TV-Werbekunden, denen wir diese Zeiten mit dem genannten Geschäftsmodell – Beteiligung am Umsatz und/oder am Eigenkapital – verbunden mit einer geringeren Minimumgarantie für uns anbieten. Inzwischen sind wir der größte Media-Investor in Deutschland und vermutlich auch in Europa. So beteiligen wir uns über Werbeinvestitionen an vielversprechenden Firmen, die vorwiegend im Bereich E-Commerce tätig sind. Als Konzern profitieren wir doppelt: Wir nutzen freie Werbeflächen effizient und gewinnen gleichzeitig attraktive Beteiligungen und Partnerschaften.

Ist es eine originäre Idee von ProSiebenSat.1 oder wurde sie aus den USA oder einem anderem Land übernommen?

Nein, das ist eine neue Idee von uns, die im Rahmen unserer Strategiedefinition entstanden ist. Mittlerweile sprechen uns viele globale Unternehmen an, wie wir das machen.

Der Vorstandsbereich „Digital & Adjacent“ gilt als Wachstumstreiber des Konzerns. Welche Relevanz hat der Unternehmensbereich SevenVentures am wirtschaftlichen Erfolg von ProSiebenSat.1 im Vergleich mit den anderen Aktivitäten im digitalen Geschäft?

Unser Wachstum im Geschäftsbereich Digital & Adjacent fußt auf vier starken Säulen: Online Video, Online Games, Online Commerce & Ventures sowie Musik. So verschieden die Geschäftsfelder auch sind, eins haben sie alle gemeinsam: Ihr Wachstum basiert auf einem sehr starken und soliden Fundament und das ist unser erfolgreiches TV-Geschäft. Bei allen vier Säulen nutzen wir die Reichweite und die Werbekraft unserer Fernsehsender, um Produkte aus dem Digitalbereich sowie angrenzenden Geschäftsfeldern („Adjacent“, d. Red) zu erfolgreichen und starken Marken aufzubauen. Auf diese Weise erschließen wir uns neue Umsatzquellen und stärken unsere Unabhängigkeit von den konjunktursensitiven TV-Werbe-märkten. Das Venture-Business lieferte im letzten Jahr mit einer dreistelligen Steigerungsrate beim Umsatz den größten Wachstumsbeitrag im besagten Geschäftsbereich.

Zalando war einer der ersten Start-up-Partner Ihres Ventures-Geschäfts. Welche Rolle spielt die aufmerksamkeitsstarke TV-Werbung hierbei?

Zalando ist ein Glücksfall, weil ein junges Unternehmen durch kreative TV-Werbung enorm erfolgreich geworden ist. Den „Schrei vor Glück“ hat jeder im Ohr. Und damit auch den Sensationsaufstieg des Online-Händlers vor Augen. Möglich wurde dieser Erfolg durch die Partnerschaft mit ProSiebenSat.1, konkret mit SevenVentures, und der damit verbundenen TV-Präsenz. Diesem Erfolgsbeispiel sind inzwischen viele weitere Partner gefolgt. Für uns ist damit ein entscheidender Nachweis erbracht: TV ist das beste Medium, um Marken aufzubauen und letztendlich den Abverkauf zu erhöhen.

Mit wie vielen Partnern arbeitet SevenVentures zusammen?

Innerhalb der letzten drei Jahre haben wir uns ein Portfolio aufgebaut, das bereits rund 70 Partnerschaften und Beteiligungen umfasst. Wir konzentrieren uns dabei vor allem auf die Bereiche Reise, Sport, Beauty, Gesundheit, Mode, Wohnen und Lifestyle. Daneben investieren wir in so genannte digitale Marktplätze. Wir suchen dabei Unternehmen, die besonders gut von unserer TV-Stärke profitieren können. Unser Motto lautet: Ihr habt Ideen – wir haben die Power für die Umsetzung. Hinzu kommen unsere strategischen Beteiligungen, die sich sehr positiv entwickeln. Unsere Mehrheitsbeteiligung Preis24.de zum Beispiel verzeichnet ein erfreuliches Umsatzwachstum von 400 Prozent. Zugleich haben wir unser Beteiligungsportfolio im Reise-Bereich durch die Zukäufe von mydays und billiger-mietwagen signifikant gestärkt und auch im Fashion-Bereich haben wir investiert: So können STYLIGHT und Outstore künftig von den starken TV- und Online-Reichweiten unseres Hauses profitieren und ihre Marken einem Millionenpublikum präsentieren.

Wie werden die Partner ausgesucht und welche Kriterien müssen Sie erfüllen?

Wir achten auf eine hohe Deckungsgleichheit zu den Zielgruppenmerkmalen der ProSiebenSat.1 Group. Bei Geschäften, die unser E-Commerce-Business stärken und dem Konzern wirtschaftlichen Mehrwert bringen, peilen wir Mehrheitsbeteiligungen an und setzen neben Media-Leistung auch Kapital ein. Auf der anderen Seite müssen die Start-ups auch schnelles Wachstum auf Vertriebsseite stemmen können. Das trifft in der Regel auf Firmen zu, die im Jahr bis zu zehn Millionen Euro umsetzen und von einem versierten Team gemanagt werden.

Welche Partnerschaften haben sich als besonders erfolgreich erwiesen?

Bewährt haben sich alle Themen, die auf einen Massenmarkt abzielen und solche, die großen Wert auf ein besonderes Markenversprechen legen. Denken Sie an das eingangs erwähnte Zalando, aber auch der führende Internet-Versand für Baby- und Kleinkindartikel babymarkt.de und die Preisvergleichsplattform Preis24.de sind dafür gute Beispiele. All diese Unternehmen profitieren bei ihrem Erfolg enorm von der Kraft unserer Medialeistung.

Ihre inzwischen abgestoßene Minderheitsbeteiligung an der Online-Apotheke dedendo hingegen schien weniger erfolgreich zu sein?

Wir prüfen im Rahmen unseres kontinuierlichen Portfolio-managements permanent, wo eine weitere Zusammenarbeit den Wert unseres Portfolios steigert und wo eine andere Lösung Sinn macht. SevenVentures hat seine Anteile inzwischen zurückgegeben, beide Parteien bleiben sich freundschaftlich verbunden.

Sie gehen zunehmend auch Mehrheitsbeteiligungen ein, insbesondere im Travel-Business. Was versprechen Sie sich davon?

Lassen Sie mich unsere Strategie an diesem Beispiel konkretisieren. Der Internet-Reisemarkt ist einer der größten E-Commerce-Märkte mit zirka 20 Milliarden Euro Volumen pro Jahr in Deutschland und einem Onlinemarktanteil von rund 40 Prozent. Der Markt wächst. Und das macht es für uns besonders attraktiv, denn er ist für ein bildstarkes und emotionales Medium wie das Fernsehen prädestiniert. Vor diesem Hintergrund haben wir uns entschieden, das komplette Dienstleistungsumfeld zum Thema „Reise“ abzubilden. Wir bedienen mit unseren Internet-Beteiligungen an Tropo, Billiger-Mietwagen, MyDays, Holliday-Insider und wetter.com sämtliche Bedürfnisse, die ein Reisewilliger bei der Planung seines Urlaubs hat: Vom Flug über Unterkünfte und Mietwagen bis hin zu allen wichtigen Wetter- und Klimadaten. Auf diese Weise haben wir ein Portfolio aufgesetzt, bei dem wir zwischen den einzelnen Angeboten Synergien herausstellen und die Wirkung der TV-Werbung durch crossmediale Promotion gegenseitig verstärken können.

Wie lässt sich der Erfolg nach Ausstrahlung der Werbung im Bereich Reise messen? Können Sie uns ein konkretes Beispiel nennen?

Der Erfolg lässt sich neben der Markenbekanntheit auch an den Umsätzen messen. Dieser dürfte sich beispielsweise bei unserem Reise-Veranstalter Tropo in diesem Jahr verdoppeln. Außerdem haben wir nach der erfolgreichen TV-Kampagne 100 weitere Reisebüro-Partner gewinnen können. Und auch der so genannte Nachhall-Effekt ist messbar: Unmittelbar nach der Ausstrahlung eines Spots steigen die Zugriffe auf der Website des jeweiligen Anbieters signifikant an.

Vor wenigen Wochen hat SevenVentures seine Anteile an dem Reifenspezialisten Tirendo veräußert, der im September 2012 in Ihr Media-for-Equity-Programm aufgenommen wurde. Ist so ein Exit der größte Glücksfall für das Geschäft, weil er die größten Geldeinnahmen bringt?

Der Verkauf unserer Anteile an Tirendo ist in der Tat ein eindrucksvoller Beleg für den Erfolg unseres Media-Investments. Denn in weniger als einem Jahr haben wir mit unserer TV-Media entscheidend dazu beigetragen, den Wert des Unternehmens signifikant zu steigern und einen neuen E-Commerce-Player im deutschen Reifenmarkt zu verankern. Die spektakulären TV-Spots auf unseren Sendern mit Markenbotschafter Sebastian Vettel dürfte nahezu jeder in Deutschland gesehen haben. Unsere Anteile nach so kurzer Zeit zu veräußern, ist ein großer Erfolg sowohl für Tirendo als auch für uns.

Warum wird das Beteiligungsmodell Media-for-Revenue beziehungsweise Media-for-Equity nur mit Start-ups und nicht mit klassischen Unternehmen durchgeführt?

Das Media-for-Revenue-Modell unterscheidet sich signifikant vom klassischen Mediageschäft. Sie können es als eine Art Anschubfinanzierung für junge Unternehmen verstehen, die sich TV-Werbung in der Regel noch nicht leisten können. Zugleich führen wir diese Unternehmen an das Medium TV heran. Ich bin fest überzeugt: Wer einmal von dem Zaubertrank getrunken hat, wird auch in Zukunft daran festhalten. Idealerweise hat die SevenOne Media, der klassische Vermarkter unserer TV-Gruppe, nach der Laufzeit des Revenue-Share-Vertrags einen neuen Kunden mit eigenem TV-Budget. Die meisten der Verträge bei SevenVentures sind auf drei Jahre ausgelegt und laufen allmählich aus.

Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung der SevenVentures ein und wie groß ist das Risiko für die ProSiebenSat1-Gruppe?

Für uns ist das ein Geschäft ohne allzu große Risiken. Wie bei jedem Venture-Modell zeigen natürlich nicht alle Deals das Wachstum, das weitere TV-Werbung oder Investitionen rechtfertigen würde. Unser Fazit bis dato: Wir sind mit den Erfolgen sehr zufrieden und lernen aus den übrigen Fällen. Insgesamt ist unser Ventures-Business hoch profitabel, ebenso wie das gesamte Digital-Business unserer Gruppe. Neben den reinen Venture-Geschäften werden wir auch weiter in den Aufbau strategischer Industrien, etwa im Bereich Travel oder Fashion investieren und planen hier weitere Zukäufe.

Eine abschließende Frage: Zum zweiten Mal veranstalten Sie in diesen Tagen den „SevenVentures Pitch Day“, bei dem Start-ups Werbezeit im Wert von sieben Millionen Euro gewinnen können. Warum machen Sie so etwas?

Deutschland wirbt für sich als Land der Ideen, und dieser Initiative fühlen wir uns verbunden. Wir möchten vor allem Kreativität, innovatives Denken und Gründergeist belohnen und dabei unterstützen, den Traum vom eigenen Geschäftserfolg zu verwirklichen. Mit dem SevenVentures Pitch Day möchten wir Gründern und Start-ups die Chance zu geben, das eigene Unternehmen im größten europäischen Markt bekannt zu machen .Bei dem internationalen Wettbewerb, der auf der NOAH-Konferenz in London stattfindet, wird TV-Media in Höhe von sieben Millionen Euro an zukunftsweisende Unternehmer ausgelobt. Der Vorjahressieger busuu, eine Online-Sprachenschule, konnte seine Bekanntheit in Deutschland übrigens in kurzer Zeit verdoppeln. Gerade eben haben wir aus 300 Bewerbern die Finalisten gekürt, die am 14. November gegeneinander antreten werden. Ich freue mich sehr auf diesen spannenden Wettbewerb mit ganz unterschiedlichen internationalen Persönlichkeiten.

Warum setzen Sie gerade einen Werbezeite-Gewinn in Höhe von sieben Millionen Euro ein?

Wir heißen SevenVentures! (lacht)
Erika Butzek

(MB 11/13)