KI-Revolution in den Medien: Versprechen vs. Praxis

Marie Kilg von der Deutschen Welle analysiert auf der Eyes and Ears Conference 2024 die tatsächlichen Fähigkeiten von KI in den Medien.

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KI produziert mitunter sinnlose Ergebnisse bei ungewöhnlichen Aufgabestellungen, zeigt Marie Kilg auf der Eyes & Ears Conference 2024
KI produziert mitunter sinnlose Ergebnisse bei ungewöhnlichen Aufgabestellungen, zeigt Marie Kilg auf der Eyes & Ears Conference 2024

Auf der Eyes and Ears Conference 2024 sprach Marie Kilg, Chief AI Officer bei der Deutschen Welle, über die KI-Revolution in den Medien. Sie hinterfragte die tatsächlichen Fähigkeiten künstlicher Intelligenz und beleuchtete, wie weit die Versprechen von der Praxis entfernt sind.

Clever Hans und die Täuschung künstlicher Intelligenz

Marie Kilg eröffnete ihren Vortrag mit der Geschichte von Kluger Hans (Wiki), einem Pferd aus dem Jahr 1904, das angeblich rechnen und schreiben konnte. Sein Besitzer, Wilhelm von Osten, war überzeugt, dass Tiere intelligente Fähigkeiten erlernen könnten, wenn man sie nur richtig trainiere. “Hans konnte scheinbar komplexe Aufgaben lösen”, erzählte Kilg. Doch tatsächlich reagierte das Pferd auf subtile Signale seines Besitzers. Die sogenannte Hans-Kommission stellte fest, dass Hans nur dann die richtigen Antworten gab, wenn ein Mensch anwesend war, der die Lösung kannte. Kilg betonte, dass dieses Phänomen zeigt, wie leicht wir uns von scheinbarer Intelligenz täuschen lassen können. Es sei eine Lektion darüber, dass Wahrnehmung nicht immer mit der Realität übereinstimmt.

Die Grenzen der KI: Wenn Statistik für Verstehen gehalten wird

Im weiteren Verlauf ging Kilg auf ein zentrales Problem der KI-Revolution ein: die Verwechslung von statistischer Mustererkennung mit echtem Verständnis. Sie kritisierte Unternehmen wie OpenAI dafür, ihren Modellen Fähigkeiten zuzuschreiben, die sie nicht besitzen. “Wenn OpenAI von ‘fortgeschrittenem logischem Denken’ spricht, ist das irreführend”, sagte sie. Die aktuellen KI-Modelle basieren auf der Vorhersage des nächsten wahrscheinlichen Wortes oder Bildpixels, ohne echtes Bewusstsein oder Verständnis für den Kontext. Kilg führte Beispiele an, in denen KI-Modelle bei einfachen Aufgaben scheitern, wenn sie nicht genügend Trainingsdaten haben. So können Modelle etwa bestimmte Codes entschlüsseln, die häufig in ihren Trainingsdaten vorkommen, versagen aber bei ähnlichen Aufgaben mit weniger Daten. “Das zeigt, dass KI zwar mächtig ist, aber ihre Fähigkeiten oft überschätzt werden”, erklärte sie.

Marie Kilg, Chief AI Officer bei der Deutschen Welle

Erstaunliche Anwendungen und der notwendige menschliche Einfluss

Trotz der genannten Grenzen präsentierte Kilg KI-Anwendungen, die sie beeindruckten. Dazu gehörten Wissensmanagement-Tools und Textgenerierungshilfen, die den Arbeitsalltag erleichtern können.

Erstellung von Tabellenkalkulationsformeln mit KI-Unterstützung: Kilg nutzte den KI-Assistenten Claude, um eine komplexe Formel für ihre Hochzeitstabelle in Google Sheets zu erstellen. Sie beschrieb dem Tool in natürlicher Sprache ihr Problem, und es lieferte die benötigte Formel. “Es hat funktioniert. Das ist erstaunlich”, sagte sie und betonte, wie hilfreich KI bei spezifischen Aufgaben sein kann.

Textgenerierung und Erklärung komplexer Inhalte mit ChatGPT: Sie testete ChatGPT, indem sie dem Modell ein Bild einer komplizierten Grafik gab und es bat, diese zu erklären. Das KI-Modell lieferte eine präzise Analyse und Zusammenfassung des Inhalts. “Es hat perfekt funktioniert”, berichtete Kilg und zeigte sich beeindruckt von der Fähigkeit der KI, visuelle Informationen zu verarbeiten und zu interpretieren.

Aktuelle Informationsbeschaffung mit Perplexity AI: Kilg erwähnte das Tool Perplexity, das generative KI mit Internetrecherche kombiniert. Sie nutzte es, um aktuelle Informationen für Recherchen zu erhalten, beispielsweise als ein Kollege sie um eine Zusammenfassung aktueller Diskussionsthemen bat. “Ich habe ihm einfach den Link geschickt, und die Antwort war ziemlich gut”, teilte sie mit.

KI-gestütztes Wissensmanagement mit Obsidian: Sie verwendete ein KI-Plugin für das Notiz- und Wissensmanagement-Tool Obsidian, um ihre persönlichen Notizen effizient zu organisieren. Die KI half ihr dabei, thematische Verknüpfungen zwischen ihren Notizen zu finden, auch über verschiedene Sprachen hinweg. “Das ist super nützlich, wenn ich einen Artikel schreibe oder einen Vortrag vorbereite”, erklärte sie.

KI versus Kunst: Kann Kreativität automatisiert werden?

Ein weiterer Schwerpunkt ihres Vortrags war die Beziehung zwischen KI und Kunst. Kilg diskutierte die Frage, ob KI in der Lage sei, echte Kunst zu schaffen. Sie argumentierte, dass Kunst mehr sei als die bloße Kombination vorhandener Muster. “Kunst ist das Ergebnis bewusster Entscheidungen und Intentionen”, sagte sie. Während KI beeindruckende Bilder oder Texte generieren könne, fehle ihr das Bewusstsein und die Intentionalität, die für kreative Prozesse essenziell sind. Sie verwies auf Beispiele, in denen KI groteske oder sinnlose Ergebnisse produzierte, wenn sie mit ungewöhnlichen Aufgaben konfrontiert wurde. “Das zeigt die Grenzen der KI in Bereichen, die menschliches Verständnis und Kreativität erfordern”, befand sie.


-> Und wie sieht es beim Thema KI und dem Urheberrecht aus? Matthias Hornschuh kritisiert auf der Eyes & Ears Conference die Auswirkungen von KI und fordert den Schutz der Kreativen und der kulturellen Vielfalt.


Strategien für den effektiven Einsatz von KI in Unternehmen und Alltag

Zum Abschluss gab Kilg praktische Empfehlungen für den Umgang mit KI-Technologien. Sie riet Unternehmen, genau zu analysieren, in welchen Bereichen KI einen echten Mehrwert bietet. “Identifizieren Sie Aufgaben, bei denen die Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI effizient ist”, empfahl sie. Beispielsweise könne KI bei der Automatisierung von Routineaufgaben oder bei der Analyse großer Datenmengen hilfreich sein. Im Privatleben könne KI als Werkzeug dienen, um den Alltag zu erleichtern, solange man ihre Grenzen kenne. “Es ist wichtig, kritisch zu bleiben und nicht blind auf die Fähigkeiten der KI zu vertrauen”, mahnte Kilg. Nur durch bewussten und informierten Einsatz könne das volle Potenzial der KI-Revolution ausgeschöpft werden.

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