Konsequent alle Felder besetzen

„Rovi, wer?“ Das ist eine durchaus normale Reaktion, wenn man diesen Firmennamen irgendwo erwähnt. Dabei ist das amerikanische Unternehmen Rovi Corporation mit Sitz im kalifornischen Santa Clara inzwischen international einer der führenden Dienstleister im digitalen TV, der im vergangenen Jahr weltweit mit rund 3.000 Mitarbeitern und einen Umsatz von 702 Millionen US-Dollar einfuhr. Für dieses Jahr wird der Umsatz in einem Korridor zwischen 775 und 825 Millionen US-Dollar erwartet.

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Konsequent alle Felder besetzen

Ein Hidden Champion so scheint es, aber nur weil die einzelnen Dienstleistungsmarken des Konzerns in der Branche durchaus ein Begriff sind. Denn Rovi hat sich in den letzten Jahren konsequent durch strategische Zukäufe von einem kleinen auf Kopierschutzsysteme für DVD und Blu-ray spezialisierten Unternehmen in einen kapitalen Platzhirsch gewandelt, egal ob als Serviceprovider rund um den EPG bis hin zu Video-on-Demand-Lösungen. Metadaten, Suchdienste und Technologien zur Verbreitung von Werbung gehören genauso zu der Angebotspallette. Kürzlich ging das Unternehmen mit dem Rovi Cloud Service und einer „Connected Plattform für Androit“ an den Markt. Während es sich beim ersten um eine Sammlung webbasierter Services handelt, etwa Mediaservice, Suche oder Medienerkennung, die dem Kunden die Entwicklung neuer Entertainment Produkte erleichtern soll, zielt das zweite Angebot auf eine Erleichterung des Nutzers von Androit-Diensten um etwa deren Austausch von Bildern und Videos zu erleichtern.

„Wir haben in den USA eine eigene Abteilung, die nichts anderes macht, als mögliche Investments zu suchen und zu sehen ob es strategisch passt“, erklärt Ingo Reese, der von Luxembourg aus für das Geschäft in Europa zuständig ist, mit einem Schwerpunkt auf Deutschland, wie er sagt. In Europa war Rovi bislang neben London auch mit einer recht starken Repräsentanz in Luxembourg vertreten. Das habe historische Gründe, betont Reese, ließe sich aber auch ganz pragmatisch begründen. Infomedia, ein Luxemburger Unternehmen, das nach einigen Umwegen zu Rovi kam, hat von dort aus, europaweit die Programmdaten der TV Sender für EPGs gesammelt. Der Standort blieb erhalten, weil er für diese Aufgabe ideal ist: „Dort leben Menschen aus allen europäischen Ländern und gerade Familienangehörige von EU Angestellten suchen nach Beschäftigung. Von daher, kann man von Luxembourg aus einen solchen Dienst ideal fahren“, so der Rovi Repräsentant. Tatsächlich waren Programminformationen für den EPG lange ein Schwerpunkt des Konzerns. Der erste große Zukauf war der amerikanische“ TV Guide“. „Das erste was Rovi danach tat, war das Printmagazin zu verkaufen“, so Reese.

Dass die Entscheidung richtig war, sich allein auf das Online und Datengeschäft zu fokussieren, zeigt jetzt wenige Jahre später ein Blick zurück: TV Guide hatte damals 3.000 Mitarbeiter in den USA genauso viel wie Rovi heute – weltweit und mit stark erweitertem Geschäftsfeld. Der TV Guide war mit einer gedruckten Auflage von über 25 Millionen die weltweit am meisten verbreitete Zeitschrift, eine Zahl die heute weitgehend marginalisiert ist. Studien beweisen, dass die Marke TV Guide sehr stark als verstaubt empfunden wird“, erläutert Europa-Chef Reese. Das ist sicher ein Grund, warum die Rovi Corporation jetzt in die Offensive geht und ihre Service-Angebote verstärkt unter der Dachmarke präsentiert. Dabei gehen die Zukäufe munter weiter und da mag es schon mal passieren, dass auch ein Unternehmen quasi durch „Zufall“ mit in das Portfolio gelangt, wie Leander Carell von dem Video-on-Demand-Dienstleister Nowtilus mit einem Augen zwinkern zu berichten weiß. Dort war man nämlich Ende letzten Jahres eine strategische Partnerschaft mit Sonic Solutions eingegangen, einem Anbieter von digitalen Video Bearbeitungs- und Verbreitungstechnologien, der mehr oder weniger gleichzeitig von Rovi übernommen wurde und Nowtilus gleich mit.

Insgesamt hatte die Übernahme einen Wert von rund 720 Millionen US-Dollar, also mehr als der gesamte Konzernumsatz des letzten Jahres. Rovi bekam damit erstmals Niederlassungen in Deutschland, nämlich in Halle, Berlin sowie in Aachen. Auch Carell jedenfalls äußert sich über diese Fügung des Schicksals recht zufrieden: „Langfristig werden wir sehr von Rovis immenser Datensammlung profitieren“, ist er überzeugt.
Rovi profitiert schon heute von Nowtilus, etwa von der auf der Anga Cable 2011 in Köln vorgestellten Vereinbarung mit Eutelsat in Deutschland. Für das neue interaktive Angebot des Kabelkiosk wird Nowtilus und damit Rovi das gesamte Video-on-Demand-Angebot beisteuern, von der Technik, bis hin zu den Programmzulieferverträgen mit den Studios. Eutelsat wird dieses Angebot über den Kabelkiosk in die Kabelhaushalte der unabhängigen Kabelnetzbetreiber bringen mit einer technischen Reichweite von insgesamt 3,5 Millionen Haushalte. Davon haben heute schätzungsweise bereits über 300.000 Angebote des Kabelkiosks abonniert, entweder im Look ihres lokalen Anbieters oder im Branding der deutschen Eutelsat-Tochter.

Für Rovi könnte sich die Vereinbarung langfristig als strategisch geschickte Option herausstellen. Andrew Wallace, Chief Commercial Officer des Satellitenbetreibers, hält es prinzipiell für möglich das Modell des Kabelkiosk auch auf andere Märkte zu übertragen, auf denen Eutelsat heute bereits aktiv ist, allen voran etwa Frankreich, wo es in ganz abgespeckter Form sogar schon einen Ansatz gibt. Laut Carell soll Nowtilus vor allem in Europa expandieren.

Für Sean Besser, Vice President Business Development bei Rovi ist die strategische Marschrichtung des noch jungen aber expansiven Technologie- und Dienstleistungskonzern klar: „Wir werden konsequent weiter alle Felder besetzen, die uns als Dienstleister in der gesamten Wirkungsbreite des digitalen TV Marktes weiter nach vorne bringen.“
Dieter Brockmeyer
(MB 09/11)