Wie entstand die Idee zum Workflow von „Three Monkeys“
Gökhan Tiryakio: Nach dem Lesen des Drehbuchs haben wir die Planung der filmischen Umsetzung begonnen. Wir hatten natürlich schon einige Ideen, welche Kameras und Systeme in der Postproduktion am besten eingesetzt werden könnten. Dennoch haben wir zunächst ausgiebige Tests gemacht, neben Probeaufnahmen auch im Schnitt und beim Colorgrading. Die Entscheidung fiel am Ende für AVID Nitris und Avid Adrenaline. Den Einsatz beider Systeme empfahl auch Regisseur Nuri Bilge Ceylan.
Bora Göksingöz: Wir haben bei unseren Tests festgestellt, dass es viel Sinn macht, sowohl beim Offline- als auch beim Online-Editing komplett auf Avid zu setzen. Der Regisseur war mit den erzielten Ergebnissen sehr zufrieden.
Welche Alternativen kamen für die Postproduktion in Frage?
BG: Im Grunde alle. Ich arbeite für Imaj. Das ist das größte Postproduktionshaus in der Türkei. Dort verfügen wir über diverse High-End-Systeme zur Bearbeitung von Werbefilmen und Kinofilmen. Wir haben unter anderem acht Infernos von Autodesk Discreet und sechs Avid Nitris Systems, alle HD-fähig, außerdem fünf Avid Media Composer Adrenaline, Quantel-Systeme, einen Arri Laser etc. Das heißt, wir haben Zugang zu allen Systemen, die in der modernen Postproduktion relevant sind, einschließlich Apples Final Cut Pro. Avid-Systeme nutzen wir schon seit zehn Jahren bei Imaj. In den letzten zwei Jahren wurden sie jedoch verstärkt eingesetzt. Die waren bei vielen Projekten einfach hilfreicher als andere Systeme.
Wird bei jedem Ihrer Filmprojekte der Workflow neu überdacht?
BG: Natürlich. Wir müssen immer genau prüfen, ob er für das spezielle Projekt auch geeignet ist. Die Technologie ändert sich so schnell und man muss da dran bleiben. Imaj hat deshalb auch immer die neueste Technologie. Wir haben die erste Sony F23-Kamera in Europa gekauft sowie die ersten HD-Systeme und das erste Avid Nitris-System in der Türkei.
Welche Rolle spielte der Film-Etat bei der Auswahl der Postproduktionssysteme?
BG: Geld spielte hier eigentlich keine Rolle. Wir hatten die Auswahl an teuren Systemen. Regisseur Nuri Bilge Ceylan hätte für Postproduktion sehr viel mehr Geld ausgeben können. Aber letztlich entschied er sich für das System, mit dem er die von ihm gesteckten Ziele am einfachsten und besten erreichen konnte. Bei vorangehenden Filmprojekten hat er das Colorgrading immer auf Quantels Lustre oder auf Discreets Inferno machen lassen. Er hat viel Erfahrungen mit allen Systemen gemacht und wusste ganz genau, dass die Qualität der Ergebnisse nicht unbedingt vom hohen Preis der Systeme abhängig ist. Nicht der Preis, sondern Qualität und Nutzeffekt haben seine Wahl beeinflusst. Für ihn war es dabei wichtig, das Online-Editing auf dem gleichen System machen zu können wie das Colorgrading. „Three Monkeys“ wurde ausschließlich mit der Sony F900 mit Digiprime-Optiken gedreht.
Wie viel Filmmaterial wurde dabei verbraucht?
GT: Insgesamt waren das 135 Kassetten. Normal werden in der Türkei bei ähnlichen Filmprojekten nur 60 bis 70 Kassetten benötigt. Wir haben aber bei jeder Einstellung, die gedreht wurde, die Kamera einfach laufen lassen, um möglichst viel Material zu sammeln.
Wäre bei der Bandmenge nicht vielleicht das Harddisk-Recording sinnvoller?
GT: Bei diesem Projekt mit der F900 wollten wir beim Band bleiben. Bei künftigen Projekten mit der Sony F23 oder F35 mag das anders sein. Diese Kameras standen uns beim „Three Monkeys“-Dreh vor zwei Jahren aber noch nicht zur Verfügung.
Wie lange hat die Filmherstellung gedauert?
GT: Der Dreh dauerte zwei Monate, das Offline-Editing sechs Monate und das Online-Editing und Color-Grading noch mal drei Monate.
Der Film fällt durch seine etwas düstere Bildersprache auf, ebenso wie durch eindrucksvolle Stillleben, Pananoramen und teils lange, statische Einstellungen. Wie ist der Look entstanden?
BG: Der Regisseur hat nach unseren Color Grading-Tests Licht und Farbgebung bestimmt. Er fand, wie gesagt, Avid Nitris zur Realisierung des Looks am besten geeignet.
Warum?
GT: Wir konnten im Grunde sehr schnell drehen, weil vorher Licht- und Farbgebung genau festgelegt worden war. Der Kameramonitor wurde mit Avid Nitris Color Look-up-Tables (LUT) entsprechend kalibriert. Dadurch haben wir enorm viel Zeit beim Dreh einsparen können. Der komplette Ablauf wurde dadurch sehr erleichtert.
BG: Avid Nitris ist außerdem eine sehr schnelle Maschine, wenn es darum geht, Online-Finishing zu machen. Aus diesem Grund hatten wir nach dem Editing genug Zeit, noch mal verschiedene Farben anzuschauen und beim Colorgraden zu testen. Nitris im Workflow sorgte dafür, dass man mehr Zeit mit kreativen Arbeiten verbringen kann. Mit anderen Systemen wäre das nicht so gewesen.
Natürliche Farben
Wie wurde der Filmlook in Cannes bewertet?
GT: Auf dem Filmfestival in Cannes wurde tatsächlich viel über die hohe Bildqualität und die Qualität des Colorgradings gesprochen. Die Betrachter des Films waren davon begeistert. Sehr gelobt wurde die Natürlichkeit der Farben, die unserer Meinung stark von der Arbeit mit dem Nitris-System geprägt ist.
BG: Beim Colograding konnten wir mit Nitris auch kleinste Details optimieren. Das war wichtig, um ein so fantastisches Ergebnis bei dem Filmlook zu realisieren.
Wurden in der Postproduktion für bestimmte Arbeiten auch andere Systeme eingesetzt?
BG: Nein, wir haben ausschließlich die beiden Avid-Systeme eingesetzt und nichts anderes.
Welche weiteren Vorteile bot denn der Media Composer Adrenaline beim Schnitt?
BG: Das Offline-Editing auf dem Media Composer Adrenaline profitierte insbesondere von den sehr einfachen und schnellen Zugriffsmöglichkeiten auf Footage und Clips. Dadurch habe ich wiederum sehr viel Zeit einsparen können, die ich dann beim Online-Finishing noch gut gebrauchen konnte. Dort konnte ich dann noch etwas spielen und verschiedene Versionen ausprobieren. Beim Editieren mit Avid Adrenaline hat man auch schon ein sehr gutes Gefühl dafür, wie der Film am Ende beim Zuschauern ankommt.
Waren Sie als Editor und Colorgrader auch am Set?
BG: Nur bei den Probeaufnahmen. Dort habe ich zusammen mit dem Regisseur und dem Kameramann an der Licht- und Farbstimmung gearbeitet. Dabei haben wir uns sehr gut verstanden. Mit Gökhan habe ich auch schon sehr oft zusammen gearbeitet. Wir haben schon früh damit begonnen, auch Colorgrading auf Avid Nitris zu machen und wissen sehr gut, was damit möglich ist.
Was sagen Sie zur neuen Version von Nitris?
BG: Ich freue mich als Kreativer immer, wenn es neue, gute Sachen gibt. Ich liebe es einfach zu experimentieren und neue Features auszuprobieren. Nitris ist sehr gut für meine Kreativität, weil ich damit alles machen kann. Und es ist klasse, dass man Nitris nicht nur als Editing-, sondern auch als Finishing-System nutzen kann.
Kam der Erfolg mit „Three Monkeys“ für Sie überraschend?
GT: Wir wussten, dass der Film schon etwas Besonderes ist. Er ist einfach anders als alle anderen Filme, die Nuri Bilge Ceylan bislang gemacht hat. Das betrifft die Story ebenso wie das Editing und die Lichtgestaltung. Wir haben tatsächlich viel erwartet und freuen uns sehr über den Erfolg, der auch für den türkischen Film insgesamt wichtig ist. Nuri Bilge Ceylan hat die Auszeichnung in Cannes dann auch seinem Land Türkei gewidmet.
Eckhard Eckstein (MB 07/08)