Neues von der Medienpolitik

Auch auf der diesjährigen Medienwoche@IFA im Berliner ICC ging es unter anderem um medienpolitische Fragen. Wie immer – auch auf vergleichbaren Medienkongressen in Köln oder München – diskutierte man ergebnislos. Immerhin wurde aber in einem Fall die Findung eines Kompromisses ins Spiel gebracht.

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Neues von der Medienpolitik

Was zum Teufel hat eigentlich der Chef eines großen Verlegerkonzerns, der also im Print-Bereich tätig ist, auf der Funkausstellung zu suchen? Diese Frage stellte der Vorstandschef der Axel Springer AG, Dr. Mathias Döpfner, bei der Eröffnungsveranstaltung zur Medienwoche@IFA selber auf, die er in einem unterhaltsam-lässigen Vortrag beantwortete, den er aus ein paar mit gebrachten Stichwörtern schöpfte.

Thema war: „Digital is now! Chancen und Risiken der Digitalisierung für den Contentstandort Deutschland“. Dazu erfand Döpfner eine Zeitung, die sich „SüddeutscheAllgemeineWelt“, SAW, nennt, und bei der es darum gehe, ob sie in zehn Jahren entweder pleite oder doppelt so erfolgreich wie heute sein würde. Wir fassen die Geschichte zusammen. Natürlich wird SAW nur dann am Leben bleiben, wenn sie in Zukunft auch mit ihrer digitalen Ausgabe als App über mobile Endgeräte wirtschaftlich erfolgreich ist. Der wirtschaftliche Erfolg von SAW sei aber nur möglich, wenn es auf dem Markt der Qualitätsmedien zwischen gebührenfinanzierten und privatwirtschaftlich agierenden App-Anbietern keine Wettbewerbsverzerrung gebe. Wofür die Politik zu sorgen habe!

Sprich: Es ging mal wieder um die mit Gebührengeldern finanzierte „Tagesschau“-App der ARD, der ja auch eine „Heute“-App vom ZDF folgen soll. Dagegen klagen einige Verleger, – die Axel Springer AG aber übrigens nicht -, weil sie sich wegen der Textlastigkeit und Presseähnlichkeit dieser Angebote die Erfolgsaussicht ihrer eigenen digitalen Angebote gefährdet sehen, zumal die ARD/ZDF-Apps kostenlos im Markt sind. „Wir glauben an die mobilen Endgeräte für unser Zukunftsgeschäft“, solidarisierte sich Döpfner mit den klagenden Verleger-Kollegen.

Gleichzeitig betonte er. „Ich bin definitiv der Meinung, dass wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk brauchen“. Er räumte sogar ein, dass es ARD/ZDF auch erlaubt sein müsse, mit ihren Angeboten einschließlich Tagesschau-App sich in der digitalen Welt auszubreiten. Sein Kompromiss-Vorschlag ist: Die Tagesschau-App soll kostenpflichtig werden, um so den Zeitungsverlegern beim Ringen um ihrer wirtschaftliche Existenz in Zukunft nicht in die Quere zu kommen.

Genau das komme nicht in Frage, stellte rbb-Chefin Dagmar Reim als ARD-Vertreterin in der anschließenden Diskussionsrunde fest. Die Tagesschau repräsentiere „die Kernaufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“, also die so genannte Grundversorgung, weshalb sie kostenlos bleiben müsse. Ohnehin handele es sich bei der Tagesschau-App lediglich um eine technische Norm-Übersetzung von tagesschau.de für die mobile Nutzung, die ja unstrittig auch durch die Drei-Stufen-Tests gekommen sei. Dafür könne man „kein Geld nehmen“.
Während Reim die Diskussion darum für „bizarr“ hält, betonte der kommende ZDF-Intendant und jetziger ZDF-Programmdirektor Dr. Thomas Bellut: „Ich bin mir sicher, dass es eine Lösung gibt. Wir sollten endlich das Schlachtfeld verlassen“. Wie die Diskussion weiter geht, und ob sich tatsächlich in Bälde ein Kompromiss ergibt, darüber werden viele Zeitungen sicher akribisch weiter berichten.

Auch beim Medienwochen-Thema „Medienkonzentration“ ging es um Wirtschaftinteressen und deren politische Regulierung: um die Frage, wie und nach welchen Kriterien Monopolisierungen verhindert werden müssen, oder nicht? Ist es erforderlich die herrschenden rechtlichen Regelungen an die digitale Welt anzupassen? Da verficht jeder genau den Standpunkt, der seinen wirtschaftlichen Interessen entspricht. Es wird wohl erst mal alles beim Alten bleiben. Sprich: Die Aufsicht über den wirtschaftlichen Wettbewerb einerseits und die spezielle Medienkonzentrationskontrolle andererseits bleibt fest in der Hand von Kartellamt und der KEK (Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich).
Auch das Thema „Netzneutralität“ stand auf der Agenda. Hatte man vorher noch geglaubt, dabei gehe es darum, dass alle Inhalte, an denen es rechtlich und nach Jugendschutz-Kriterien nichts auszusetzen gibt, vorbehaltlos durch das Netz gejagt werden müssen, egal wer die Anbieter sind, so wurde man im Kongressteil „Freie Fahrt für digitale Medien – TV, Internet und Netzneutralität“ eines vermeintlich Besseren belehrt.

Moderator Prof. Dr. Ulrich Reimers (TU Braunschweig) hat erkannt, dass es sich um ein „außergewöhnlich komplexes Thema“ handelt, über das man eigentlich viele Stunden diskutieren müsse. Und er gab auch die Vorlage dafür, indem er vier verschiedene Definitionsmöglichkeiten für Netzneutralität referierte – und zu einem späteren Zeitpunkt noch erwähnte, dass Netzneutralität im Grunde „nichts mit Neutralität“ zu tun habe. Deutlich wurde bei der Diskussion, dass sich Mobilfunkanbieter, Kabelnetzbetreiber, Festnetzbetreiber und die Content-Lieferanten wie RTL manchmal darüber streiten, wer für den Transport der Inhalte zahlen, und wer verdienen soll, und wer in welchem Feld der unterschiedlichen Netzarten welchen Geschäftsmodellen nachgehen darf.

Es war Markus Reinisch von Vodafone, der auf den Punkt brachte, warum die Debatte so unübersichtlich war: „Netzneutralität ist ein theoretisches Problem“, sagte er. In der Praxis habe man kein Problem damit, weil man sich in Europa bislang immer habe einigen können.
Tatsächlich hatte Elmar Giglinger, neuer Geschäftsführer des Medienboard Berlin-Brandenburg, die die Medienwoche@IFA veranstaltet, schon in seiner Begrüßungsrede gewarnt: Manche medienpolitische Themen würden gleich bleiben: etwa „Medienkonzentration“, wie „Grundversorgung“ von ARD/ZDF in der digitalen Welt definiert werden soll oder die Frage, wie die Produktion von Inhalten für das Internet rekapitalisiert werden kann. Man könnte es auch anders sagen: Manch medienpolitische Diskurse in der digitalen Welt drehen sich im theoretischen Kreise.
Erika Butzek
(MB 10/2011)