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Nichts anderes mehr sehen

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Das hoch auflösende Fernsehen HDTV (High-Definition-Television) gilt als wichtiger Treiber der TV-Digitalisierung. In vielen europäischen Ländern werden derzeit neue HDTV-Angebote gestartet. Nur Deutschland hinkt der Entwicklung noch hinterher. ARD und ZDF planen ihren HD-Regelbetrieb erst ab 2010 zur Winterolympiade in Vancouver. Dennoch herrscht Zuversicht, dass HDTV auch hierzulande eine Erfolgsstory wird. Das wurde auf einer Forum Technik-Veranstaltung der MEDIENTAGEN MÜNCHEN 2008 deutlich.

Streit um die richtige Technologie für HDTV belastet noch heute dessen Einführung. Auch in der Diskussionsveranstaltung „Quo Vadis HDTV: Gewinner und Verlierer - Eine Bilanz nach der UEFA Euro 2008 und den Olympischen Spielen“ der MEDIENTAGTE MÜNCHEN 2008 ging es darum, welches Format für Produktion und Distribution das richtige ist. Muss es „Full HD“ mit 1080p/50 sein oder reichen auch 1080i/25 und 720p/50?
ARD und ZDF setzen auf 720p/50. „Jedes Format mit progressiver Bildabtastung ist besser als Interlaced-Formate. Und 720p ist nicht nur aus technischer, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht für uns die beste Lösung“, erklärte ZDF-Produktionsdirektor Andreas Bereczky auf dem Panel. Das bessere 1080p käme allein aus Kostengründen nicht in Frage. Dieses Format benötige schließlich die dreifache Bandbreite von 720p nicht nur bei der Übertragung, sondern auch in der kompletten Produktionsstraße. Deren Ausbau für 1080p würde schnell mit über 100 Millionen Euro zu Buche schlagen. Betroffen von solchen Investitionen seien insbesondere TV-Sender, die ihre HD-Programm selbst produzierten und bearbeiteten würden, nicht aber Sender wie Premiere, die lediglich angeliefertes HD-Material 1:1 ausstrahlen würden.
Volker Kersbaum, European BC Product Manager, Panasonic Marketing Europe, bestätigte, dass es für die TV-Sender extrem teuer sei, ihre technische Infrastruktur heute schon 1080p-fähig zu machen. Panasonic hatte die Olympischen Spiele 2008 als Broadcast-Hauptsponsor mit HD-Equipment unterstützt.
Jürgen Buchs, Bereichsleitung Programmabwicklung Plazamedia, hingegen meinte, dass 720p zum HD-Marktstart von ARD/ZDF bereits eine „veralterte Technik“ sei. Er forderte die Öffentlich-rechtlichen auf, gleich den Schritt auf 1080p zu wagen. Buchs wies auch darauf hin, dass der Qualitätsunterschied zwischen 720p und 1080i aufgrund verbesserter Encoder-Technik heute nicht mehr so gravierend sei. „Auch mit 1080i kann man zu vernünftigen Preisen gute Qualität liefern“, erklärte er.
Auch Eurosport setzt bei seinem gegenwärtigen HD-Engagement auf 1080i. „Eurosport strahlt in 1080i aus, weil die meisten europäischen Plattformbetreiber diesen Standard unterstützen“, erklärte Jean-Thierry Augustin, Deputy General Manager Distribution & Development von Eurosport. Das Unternehmen ist mit Eurosport HD im Mai 2008 auf Sendung gegangen. Bis heute hat es bereits 1,4 Millionen HD-Abonnenten in verschiedenen europäischen Ländern gewinnen können. Für den Start in Deutschland wird noch die Kooperation mit einem HD-Plattformbetreiber gesucht. „Es ist jetzt auch hier der richtige Zeitpunkt für den Marktstart“, meinte Augustin.
Nach Annsicht des ZDF-Produktionsdirektors wird die HD-Formatdiskussion „zu akademisch“ geführt. Bildqualitätsunterschiede würden nur wenige Experten bemerken. Der normale Zuschauer aber sehe das nicht. Selbst von SD (Standard-Definition) auf HD hoch konvertierte Signale würden heute schon eine erstaunliche Qualität liefern. Bereczky: „Deshalb müssten am Ende nicht technische, sondern wirtschaftliche Argumente den Ausschlag für die Format-Entscheidung geben.“ Der TV-Zuschauer wolle nur ein gutes Bild, und Diskussionen um die technischen Formate für Produktion und Distribution interessierten ihn sehr wenig.

Mehr Pixel – mehr Einnahmen?
„Die Zuschauerzufriedenheit ist auch bei Eurosport letztlich das Maß der Dinge“, meinte Augustin. Eurosport habe viele Millionen Euro in das HD-Projekt investiert, sei aber zuversichtlich, das Geld über Pay-Angebote wieder einzuspielen. Die Panel-Teilnehmer waren sich darüber einig, dass es kein Business-Modell für HDTV im Free-TV gibt und sich die Kosten für HD-Produktion und -Distribution hier letztlich nicht amortisieren. Aber auch HD-Angebote im Pay-TV würden nur zögerlich angenommen. So habe selbst Premiere bis heute nur rund 100.000 HD-Abonnenten. „Das Angebot von mehr Pixel bedeutet bislang nicht gleich mehr Einnahmen,“ meinte Bereczky. Und Dietrich Westerkamp, Direktor Standards Coordination von Thomson, erklärte: „In Deutschland herrschen besondere Marktstrukturen. Hier existiert zuviel gutes Free-TV. TV-Zuschauer sind deshalb wenig geneigt, für TV zu bezahlen.“
„Die Kosten für Distribution und Kontribution sind nicht ursächlich dafür, dass Deutschland bei der HD-Einführung der Entwicklung hinterherhinkt“, meinte Ulrich Liebenow, technischer Leiter, Mitglied der Geschäftsführung. Man bekomme heute schon HD-Übertragung zu Preisen, die früher für die SD-Übertragung fällig gewesen seien. Bereczky widersprach. Ein HD-Signal kostet dreimal soviel wie ein SD-Signal. Westerkamp wiederum bezifferte das SD/HD-Verhältnis der Bandbreitenkosten bei der Distribution auf 1:2. Er wies darauf hin dass die ARD zur Fußball-EM ein SD-Signale mit 7 Mbit/s ausgestrahlt habe, der ORF hingegen ein HD-Signal mit 12 Mbit/s und deutlich besserer Bildqualität.
Bereczky machte deutlich, dass in Deutschland die Abschaltung der analogen Ausstrahlung wichtig sei, um die dort vorhandenen Kapazitäten auf den HD-Einsatz umlenken zu können. Buchs befürchtete indes, dass TV-Sender im Kabel wenig Interesse an der Analog-Abschaltung haben.
Die Diskussions-Teilnehmer waren sich am Ende darüber einig, dass letztlich alle Marktakteure, Sender, Produktionsunternehmen und Hersteller, von den bei den HD-Produktionen und -Übertragungen der großen Sportevents 2008 gemachten Erfahrungen profitiert werden.
„Am Ende ist der Zuschauer der Gewinner“, zeigte sich Augustin überzeugt. Eurosport habe bei seinem HD-Engagement festgestellt, dass HD-Zuschauer viel länger TV konsumierten als andere Zuschauer. „Wer erst einmal mit HD-Angeboten in Kontakt gekommen ist, der will nichts anderes mehr sehen“, meinte er.
Eckhard Eckstein (12/08)




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