Qvest Media ist weiter auf Expansionskurs. Was steht als Nächstes an?
Wir weiten derzeit unser europäisches Geschäft über die DACH-Region hinaus weiter aus. Aktuell positionieren wir uns mit einem ersten Projekt auf dem spanischen Broadcast-Markt. Wir werden künftig außerdem Kunden in Skandinavien mit Fokus auf Service und Support, und hier insbesondere mit Managed Services, adressieren.
Eine sehr gute Positionierung haben wir bereits in der Golfregion erreicht. Wir sind aus Dubai heraus unter anderem in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, Kuwait und Bahrain aktiv. Darüber hinaus beobachten wir in der Region aufmerksam die Entwicklung im Iran. Sobald sich das Land öffnet und die Sanktionen beendet werden können, ist Iran sicherlich ein interessanter Markt für unser Unternehmen.
Auch in der Asia Pacific-Region (APAC) bauen wir unser Engagement weiter aus. Dazu haben wir in Singapur mit Konstantin Knauf kürzlich einen Geschäftsführer aus unserem firmeninternen Entwicklungsprogramm eingesetzt. Bis Ende des Jahres werden wir an dem Standort 20 Mitarbeiter haben und in der Region verstärkt Länder wie Malaysia und die Philippinen in den Fokus unserer Aktivitäten aufnehmen. Generell sind wir in Singapur ähnlich wie in Dubai aufgestellt und adressieren dort neben Broadcast- und Medienunternehmen auch Telekommunikationsanbieter und Kabelnetzbetreiber.
Planen Sie eine weitere Diversifizierung Ihrer Geschäftsaktivitäten?
Wir wollen bei unserem Kerngeschäft bleiben, sind aber gleichzeitig offen, was das Angebot unserer Dienstleistungen für alle Unternehmen aus dem Medienbereich angeht. Unser Angebotsportfolio erweitern wir daher kontinuierlich wie zum Beispiel derzeit um Leistungen wie Managed Services und Operational Consulting.
Was präsentieren Sie hier auf der IBC 2015?
Zur Messe stellen wir unter anderem unsere neue klare Ausrichtung unter der Marke Qvest Media vor. Darüber hinaus haben wir einige neue Technologiepartnerschaften geschlossen, wie zum Beispiel mit Oracle und Telestream sowie mit Ooyala im OTT-Sektor und V-Nova in der Signalkontribution und -distribution. V-Nova hat einen revolutionären neuen Codec entwickelt, der nach jahrelanger Entwicklung nun bei dem ersten Großkunden implementiert wird. Der Codec erlaubt eine adaptive Signalübertragung von SD bis 4k bei einer signifikanten Reduktion des Bandbreitenbedarfs.
Zudem werden wir enger mit arvato Bertelsmann im Bereich Ad-Sales zusammenarbeiten. arvato hat vielversprechende neue Produkte im Portfolio. Als Aussteller an unserem Messestand präsentiert außerdem erneut make.tv die jüngsten Neuentwicklungen seiner Live Video Cloud.
Ihre Aktivitäten werden stark von Services dominiert. Welchen Stellenwert hat da eigentlich noch das reine Produktgeschäft?
Als Systemintegrator ist unser Endprodukt das fertig installierte Komplettsystem. Das kann ein Ü-Wagen, Archiv, eine Produktions- und Distributionsplattform oder ein von Grund auf neu geplanter und gebauter Fernsehsender sein, der von uns designt wird. Dabei haben wir natürlich ein großes Interesse daran, mit den richtigen Technologiepartnern in unserem Geschäftsbereich „Professional Products“ zu kooperieren. Bei nahezu allen unseren Systemintegrationsprojekten stellen die Einzelprodukte, die wir liefern, ein wichtiges Volumen dar. Das Produktgeschäft hat für uns deshalb einen hohen Stellenwert und wir bauen es in allen Regionen kontinuierlich aus.
In Deutschland, Österreich und der Schweiz konnten wir in den letzten Jahren in diesem Bereich besonders erfolgreich wachsen.
Wie sehen Sie denn die Mitbewerbersituation insgesamt? Kaum einer bietet Produkte und Services in der Bandbreite an wie Ihr Unternehmen.
Wir sind heute in einer guten Position und das hat auch seine Gründe. Bereits vor acht Jahren haben wir entschieden, uns verstärkt mit IT-basierten Technologien zu befassen und uns als Systemintegrator weniger intensiv auf das bedingt innovative AV-getriebene Studiogeschäft zu konzentrieren. Wir haben damit früh den Grundstein dafür gelegt, uns weiterzuentwickeln und unseren Kunden eindeutige und messbare Mehrwerte zu bieten. Ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt liegt für uns heute daher im Bereich von Broadcast-IT-Infrastrukturen. Als Consultant und Systemintegrator sind wir – gerade in den damit verbundenen Technologiethemen – sehr erfolgreich, was von namhaften Kunden honoriert wird. Zu nennen sind hier insbesondere IT-lastige Projekte mit Al Jazeera und beIN SPORTS in Katar, MediaCorp in Singapur sowie in Deutschland zum Beispiel mit dem SWR,rbb und dem ZDF.
Wir sind überzeugt, dass eine starke internationale Aufstellung notwendig ist, denn langfristig ist es nicht möglich, ausschließlich in einer kleineren Region erfolgreich zu sein. Als Systemintegrator benötigt man große innovative Projekte mit technologischem Referenzcharakter und viel Erfahrung, um ein Medienunternehmen dabei zu unterstützen, sich innovativ zu entwickeln. Auch deshalb haben wir den Bereich Consulting in unser Portfolio aufgenommen und verzeichnen hier eine hervorragende Nachfrage.
Dafür braucht es auch das richtige Personal. Ist es einfach, qualifizierte Mitarbeiter zu finden?
Alles was wir tun ist natürlich sehr personalintensiv und verlangt erstklassige Fachkräfte. Unsere Mitarbeiter rekrutieren wir heute nicht nur in Deutschland, sondern auch in Asien und im Nahen Osten. Natürlich ist es nicht immer leicht, die passenden Leute zu finden; wir haben jedoch gerade durch viele bekannte Projekte, die wir weltweit realisieren, einen durchaus guten Zulauf an qualitativ hochwertigen Bewerbungen. Wir sind deshalb zuversichtlich, dass wir in der Geschwindigkeit weiter wachsen können wie bisher. Aktuell haben wir 170 Festangestellte und 50 freie Mitarbeiter. Der Plan ist, im nächsten Jahr auch beim Personal nochmal zweistellig zu wachsen.
Da nehmen sie den Mitbewerbern etwas die Butter vom Brot. Sehen Sie in Ihrem Marktsegment einen Konsolidierungsprozess?
Der findet im Moment vielleicht nicht so sehr in der DACH-Region statt. Doch ich sehe eine Veränderung in der Wettbewerbslandschaft insgesamt. Das heißt, es gibt auf der einen Seite natürlich noch die Wettbewerber von früher. Auf der anderen Seite kommen immer neue dazu. Das sind große, weltweit aufgestellte Player wie Ericsson, IBM oder Accenture. Medienunternehmen werden heute von diesen Firmen stärker denn je als potentielle Kunden wahrgenommen. Dabei geht es oft um die Frage, warum ein TV-Sender zum Beispiel heute soviel eigene Technik besitzen muss und ob sich diese nicht besser mit Managed Services in einem externen Daten-Center unterbringen lässt.
Der Trend hin zu Daten-Centern war auch ein Thema auf der Pressekonferenz von Grass Valley, einem ihrer Technologiepartner…
Wir verstehen uns heute als Layer in dieser Technologiewelt, in der die unterschiedlichsten Systeme von Ingest über die Bearbeitung bis hin zur Archivierung und Distribution mit den Betriebssystemen und Schnittstellen zu kaufmännischen Systemen, Management-, Redaktions- und Distributionssystemen zusammenlaufen. Wir sind diejenigen, die all das miteinander verbinden und dabei mit den unterschiedlichsten Hard- und Software-Herstellern zusammenarbeiten. Wir sind daher selbst in einer hervorragenden Ausgangsposition, um Managed Services anzubieten.
Die von Ihnen angesprochenen IT-Unternehmen wollten schon vor zehn Jahren den Broadcast-Markt erobern. Das hat da nicht so gut geklappt. Jetzt geht man wieder in die Offensive. Warum?
Die IT-Firmen sehen dieselben Marktchancen wie wir bei Qvest Media. Platform-as-a-Service oder Software-as-a-Service sind hier unter anderem die Schlagworte. Die damit verbundenen Geschäftsmodelle interessieren die großen IT-Anbieter natürlich. Unser Vorteil liegt nach wie vor im Spezialisierungsgrad. In allen Regionen, in denen wir heute aktiv sind, stehen wir im direkten Wettbewerb mit diesen Firmen. Bis heute haben wir dabei kein Projekt verloren. Das mag vielleicht eine Frage der Zeit sein, aber technologisch können wir bislang mehr vorweisen über das, was ein Medienunternehmen technologisch ausmacht.
Wie sieht es kundenseitig aus mit Unternehmen wie Hulu oder Netflix, die sie bislang noch nicht bedienen. Sehen Sie da eine Chance?
Durchaus, und es gibt auch einige Kontakte, die wir in diese Richtung haben. Wir betrachten diese Unternehmen sehr wohl als potentielle Kunden ebenso wie die schon erwähnten Kabelnetzbetreiber und Telekommunikationsfirmen. Es gibt heute einfach eine große Anzahl an Unternehmen im Medienumfeld, die genau die Technologielösungen benötigen, die wir anbieten können.
Die regionalen Märkte sind doch sehr unterschiedlich ausgeprägt. In einigen gibt es eine hochgradige Verunsicherung was den Wechsel von SDI- zu IP-basierten Infrastrukturen angeht. Da ist sicherlich noch sehr viel Überzeugungsarbeit notwendig. Technologien sind auch noch nicht überall ausgereift. Viele Kunden warten lieber noch ein wenig ab. Ist das nicht ein Problem für ein Unternehmen wie Qvest Media, das möglicherweise monatelang Vorarbeit leisten muss, bis dann nach Jahren vielleicht ein Auftrag zustande kommt?
Ich denke, wir haben uns mit unserer Consulting-Abteilung perfekt für diese Situation gerüstet. Wir nehmen gemeinsam mit den Medienunternehmen oder Broadcastern an der Vorarbeit teil. Das heißt, wir sind nicht unvorbereitet, da wir direkt in die Entscheidungsfindungsprozesse involviert werden, wie in Zukunft produziert werden soll.
Diese Consulting-Aufträge werden auch überall bezahlt nicht so wie in den früheren Zeiten?
Natürlich. Wie bereits erwähnt, nehmen wir mit unseren Consulting-Aufträgen sehr frühzeitig an den Entscheidungsprozessen in den Medienunternehmen teil. Ob wir dann am Ende auch bei den Ausschreibungen zum Zuge kommen, steht selbstverständlich auf einem anderen Blatt. In dieser Entwicklungsphase ist das für uns jedoch auch zunächst einmal zweitrangig. Und um noch einmal auf die Frage zurückzukommen, wo wir uns heute in Sachen IP-Technologie befinden: In der Tat nach wie vor in einem Wartemodus. Das liegt sicherlich zum großen Teil an der Standardisierung. Es gibt im Wesentlichen zwei Lager im Bereich IP for Broadcast. Ich bin davon überzeugt, dass zunächst eine Harmonisierung stattfinden muss – erst dann können wir als Systemintegrator mit den Sendern sinnvoll weiterarbeiten.
Heute übernehmen Händler und Systemintegratoren viele Services, die früher die Hersteller selbst geleistet haben. Ist das für sie ein Glücksfall oder eher problematisch? Wie ordnen Sie die Veränderung bei den Herstellern ein?
Hersteller konzentrieren sich heute vornehmlich auf die Produktentwicklung und greifen für die Integration, Inbetriebnahme und Services auf Spezialisten wie uns zurück. Sie stellen uns APIs (Application Programming Interface) oder SDKs (Software Development Kit) zur Verfügung und geben uns so die Möglichkeit, zu spezifizieren und die Produkte mit denen anderer Hersteller zu verbinden. Das betrachten wir als sehr positiv.
Qvest Media hat sich an make.tv beteiligt. Warum?
Genau genommen wird die 25-Prozent-Beteiligung an make.tv von der Wellen+Nöthen Venture GmbH gehalten. Dies ist eine Beteiligungsfirma, die wir speziell für die Unterstützung von Start-ups in unserem Marktumfeld gegründet haben. Für uns ist make.tv eine strategische Partnerschaft, deren Lösungen wir im Broadcast- und Produktionsmarkt etablieren möchten.
Sind weitere Beteiligungen geplant?
Wir sind durchaus offen, gerade im Bereich der Softwareentwicklung als auch in unserem Kerngeschäft. Kurzfristig sind allerdings keine konkreten Beteiligungen zu erwarten.
Herr Jacobi, welche Vorteile bietet Ihnen die Kooperation mit Qvest Media?
Andreas Jacobi: Wir profitieren von dem Know-how über die Kunden und den Kundenbedarf sowie von der Vernetzung und der Vertriebs-Power von Qvest Media. Da steht man oftmals vor den richtigen Türen, die nur aufgemacht werden müssen, um bei den entscheidenden Personen sein Portfolio präsentieren zu können. Wir profitieren auch vom Produkt-Input. Peter Nöthen und ich haben in den letzten zwei Jahren viel Zeit in die Komponenten und die Weiterentwicklung unseres Produkts gesteckt. Daher würde ich Qvest Media nicht als Finanzinvestor, sondern vielmehr als Entwicklungspartner bezeichnen. Es hat viel Freude gemacht, unser Produkt gezielt für den Broadcast-Markt anzupassen – wir haben ursprünglich ja mit einer ganz anderen Motivation angefangen.
Anfangs hatten wir freie Produzenten wie YouTuber, Filmhochschulen, Sportvereine und Produktionsfirmen als Zielgruppe. Die Sender sind irgendwann auf uns zugekommen. Das war der Zeitpunkt, in dem wir das Potenzial des Broadcast-Markts entdeckt haben. Durch die Partnerschaft mit Qvest Media und dem Zugang zu diesem Markt, konnten wir unsere Technologie derart weiterentwickeln, um die Herausforderungen von Fernsehsendern und Medienunternehmen für eine Cloud-basierte Produktion zu lösen.
Welche Produkterweiterungen waren bislang die wichtigsten?
Andreas Jacobi: Mit make.tv können TV-Sender Live- oder aufgezeichnete Videos von Smartphones oder professionellen Encodern von unterschiedlichen Nutzergruppen akquirieren, in der Cloud sichten und auswählen und in ihre bestehende Infrastruktur zur Weiterverarbeitung ingestieren. Die Cloud zur Akquisition, Sichtung und Auswahl des Materials macht an dieser Stelle sehr viel Sinn für Sender, da sie gerade bei der Beschaffung von Inhalten skalierende Kapazitäten benötigen. So können sie die Kapazitäten ihrer lokalen Infrastruktur schonen und nur für das was sie wirklich verarbeiten möchten in Anspruch nehmen.
Wir bieten jetzt außerdem eine Integration unserer Technologie in Avid MediaCentral. Das heißt, die make.tv Live Video Cloud lässt sich aus der MediaCentral Platform heraus nutzen. Darüber hinaus sind wir nun auch in das arvato MAM-System VPMS integriert. Das sind zwei wichtige Kooperationen, bei denen uns Qvest Media maßgeblich unterstützt hat. Darüber hinaus konnten wir bereits namhafte Broadcaster überzeugen: so zum Beispiel die Schweizer tpc AG, den Schweizer Rundfunk oder den Nachrichtensender n-tv, der fünf Tage lang von der IFA 2015 die Live-Berichterstattung mit unserer Technik gemacht hat.
Das Geschäftsverhältnis bleibt so? Oder ist noch etwas anderes geplant? Eine Komplettübernahme zum Beispiel?
Peter Nöthen: Das lässt sich bei Start-up-Unternehmen – gerade im IT-Sektor – nie ganz ausschließen. Wir sind jedoch in der aktuellen Beteiligungs- und Gesellschafterstruktur hervorragend aufgestellt. Das Produkt ist ausgereift und es ist in den Systemen der genannten Firmen Avid und arvato erfolgreich integriert. Wir sind sehr zuversichtlich, dass sich das Geschäft mit make.tv im Broadcast-Bereich gut entwickeln wird.
Was macht eigentlich das Ü-Wagen-Geschäft bei Ihnen?
Unsere Business Unit „Mobile Production“ entwickelt sich stetig weiter. Wir präsentieren auf der IBC einen Ü-Wagen auf dem Außengelände und ein weiterer wird gerade in den Nahen Osten verschifft. Dieses Geschäft ist sicherlich nicht einfach und dennoch international ein interessantes Feld für uns. In der DACH-Region ist das Umfeld für Ü-Wagen-Betreiber sicherlich von einem sehr starken Wettbewerb geprägt. Die Wachstumsmöglichkeiten sind begrenzt, da es viele Anbieter und ein großes Angebot an Fahrzeugen gibt. Der bereits begonnene Konsolidierungsprozess wird in diesem Bereich daher sicher noch anhalten.
Eckhard Eckstein
MB 8/2015