Auf der IBC 2007 in Amsterdam fielen wieder zahlreiche Pressemeldungen von Hard- und Software-Anbietern ins Auge, die Vertriebserfolge in der britischen Hauptstadt verkündeten. In London wird demnach an vielen Stellen kräftig in Rundfunktechnik investiert. Interessant dabei ist die Tatsache, dass es sich hierbei vor allem um Medien- und Playout-Center handelt. Neue Unternehmen gehen an den Start, und bereits bestehende rüsten ihre vorhandene Technik um.
Nirgendwo sonst in Europa wird so deutlich, dass die Digitalisierung dabei ist, das Geschäft der Medienhäuser und Rundfunksender komplett umzukrempeln. Technik-Outsourcing heißt das Zauberwort. Viele Medienunternehmen sind dabei, sich auf ihr Kerngeschäft, die Inhalte-Erstellung und -Vermarktung, zu konzentrieren und alles, was mit der weiteren technischen Verarbeitung, der Archivierung und der Distribution zu tun hat, externen Spezialisten zu überlassen. Vor dem Hintergrund wird klar, dass der Bedarf an Playout- oder Media-Center wächst. Und die Themse-Metropole scheint das richtige Pflaster dafür zu sein. Hier gibt es einerseits ausreichende personelle Ressourcen und andererseits haben hier viele internationale Broadcast-Technik-Hersteller ihre Europa-Headquarters.
Das Technik-Outsourcing bietet Inhalte-Anbietern und –Rechtebesitzern vor allem finanzielle Vorteile. „Durch einen Festpreis-Vertrag hat man sehr hohe Kostentransparenz. Wenn man alles selber macht, besteht ja immer die Gefahr, dass der gesteckte Finanzrahmen überschritten wird. Es sind schließlich immer technologische Anpassungen und Erweiterungen in einem TV-Unternehmen nötig, die zusätzliche Kosten verursachen, für die Umsetzung bestimmter Geschäftsvorhaben aber unerlässlich sind“, erklärt Chris Howe, Technischer Direktor Red Bee Media Australia. Er war als ehemaliger Technischer Direktor von Red Bee Media für den Aufbau des neuen Londoner Media Centers verantwortlich und ist derzeit dabei, auch in Sydney ein ähnliches Center zu realisieren. „Neben dem finanziellen Risiko lagert man zugleich das technische aus. Die reibungslose Produktion und Übertragung von Programmen und Diensten ist für alle Medienunternehmen schließlich von zentraler Bedeutung“, betont er.
Insgesamt biete ein Media Center wie das von Red Bee in London den Kunden die Möglichkeit, wirtschaftlicher zu arbeiten. „Alle Kunden teilen sich schließlich die vorhandene technische Infrastruktur wie Stromversorgung, Netze und Speicher. Dadurch sind wir flexibel bei der effektiven Nutzung der vorhandenen Ressourcen“, betont er.
Media Center, die sich auf dem Markt behaupten wollten, brauchten viel Mitarbeiter-Know-how, um ihre Services reibungslos anbieten zu können. Sie müssten in der Lage sein, ihren Kunden maßgeschneiderte Lösungen mit Media-Asset-Management-Systemen und anderen sehr komplexen Technologien anzubieten. Red Bee Media sei in dieser Hinsicht sehr gut positioniert. „Neue Kunden können von unseren Erfahrungen, die wir bereits in zahlreichen anderen Projekten gesammelt haben, sofort profitieren. Wenn sie intern eigene technische Projekte in Angriff nehmen, haben sie diese Möglichkeit nicht“, betont er.
Red Bee setzt wie die Konkurrenz auch verstärkt auf die Internationalisierung der Geschäfte. Erklärtes Ziel ist die Erschließung der Märkte in Europa, Asien und Australien. Das Unternehmen hat unter anderem im Januar 2007 ein Büro in Paris eröffnet und ist dabei, ein neues Medienzentrums in Sydney, Australien, zu errichten. Das soll ähnlich aufgebaut sein wie die Londoner Einrichtung. Diese bietet ein breites Service-Angebot zur Aufbereitung, Vermarktung und Verbreitung von multimedialen Inhalten über die unterschiedlichsten Vertriebswege von Rundfunk über IPTV bis hin zu Mobile-TV. Die Services beinhalten unter anderem Ingest, Transcodierung, Media-Assett-Management, Qualitätskontrolle, Playout, Sendeabwicklung, Untertitelung, Branding, Grafik, Programm-Promotion, Media-Planung, und mit dem von der BBC seit Juli 2007 genutzten iPlayer auch Video-on-Demand (VoD).
Red Bee Media ist aus der 2002 gegründeten BBC Broadcast Ltd hervorgegangen, in der die BBC ihr Channel-Creation und -Management zusammengefasst hatte. Im August 2005 wurde dieses Unternehmen an Creative Broadcast Ltd. verkauft. Deren Besitzer sind die in Australien angesiedelten Macquarie Capital Alliance Group und Macquarie Bank Group.
Red Bee betreibt ein 2004 eröffnetes digitales Broadcast Center in West-London. 2006 startete Red Bee den „Digital Hive“-Service. Inhalteanbieter und Rechteinhaber werden damit in der Lage versetzt, ihre Inhalte mehrfach über verschiedene Vertriebswege zu verwerten. Zu den derzeitigen Kunden zählen unter anderem BBC Television, BBC Radio, BBC New Media, UKTV, Virgin Media Television, Telewest, ESPN, five, Community Channel, BBC World, BBC Prime, H3G, Endemol, Camelot und SwissTXT.
Ascent Media
Zu den Dienstleistern, die in London erst kürzlich wieder investiert haben, gehört Ascent Media. Das Unternehmen hat dort Ende 2007 ein modernes neues Media Centre in Betrieb genommen.
Es bietet umfangreiche Services von Ingest über Transcodierung, Archivierung und Verbreitung von Inhalten. Außerdem unterstützt es direkt Ascent Medias Europäisches Transmission Centre (ETC), das im gleichen Jahr eröffnet wurde und den Broadcast-Kunden des Unternehmens filebasierte Übertragungsdienstleistungen anbietet. Das Media Centre verfügt zunächst über 32 Ausspielkanäle, ist jedoch so konzipiert, das es leicht zu erweitern ist.
Es verfügt außerdem über Studios zur Realisierung von Live-Programmen zum Beispiel in den Bereichen Reality-TV, Nachrichten und Sport. Das Media Center soll darüber hinaus als Londoner Schaltstelle für Signalaustausch, globale Verbindungen und Satelliten-Downlinks dienen. Die neue Ascent Media-Einrichtung integriert Ingest, Storage und Archivierung, um Inhalte für Playout und Mehrfachverwendungen zum Beispiel in den Bereichen IPTV, Mobile-TV und Video-on-Demand einfacher zugänglich zu machen.
Das neue Media Centre ist zugleich Europazentrum von Ascent Medias neuen Viia-Service, in dem digitale Technologien und Dienstleistungen gebündelt sind. Er bietet Major Studios, New Media Inhalteanbietern, Rundfunksendern und Plattformanbietern skalierbare End-to-End-Asset-Management- und Vertriebslösungen
Wie bereits bei der Realisierung des ETC war Ascent Medias Systems & Technology Services (S&TS) Gruppe auch beim Design und beim Bau des Media Centres mit von der Partie. Das Unternehmen wollte so sicherstellen, dass alle Anforderungen der bereits vorhandenen Playout-Kunden aus dem Broadcast-Bereich ebenso wie die von Inhalteanbietern aus anderen Medienbereichen Berücksichtigung finden.
Das neue Media Center wird vom Ascent Medias Content Management-Team geleitet und bedient. „Das neue Media Center steht nicht nur für kontinuierliche Investitionen in moderne Lösungen für unsere Kunden, sondern ist auch wichtige Grundlage auf dem Weg in die bandlose Zukunft. Diese Einrichtung versetzt uns in die Lage, eine deutlich größere Service-Bandbreite in den Bereichen Ingest, Transkodierung und Archivierung von Broadcast Medien anzubieten als zuvor“, betont Roger Henderson, MD & Senior VP, Content Distribution, Ascent Media.
Wichtigster Baustein des neuen Media Centres ist eine robuste digitale Speicherlösung. Die Infrastruktur der Einrichtung wurde vollständig HD-kompatibel gestaltet und mit einer 512 × 512-Kreuzschiene ausgestattet. Sie ist in der Lage, SD, ASI und HD in den neuen Ingest-Stationen zu bedienen und die Erfordernisse des ETC sowohl beim Ingest langformatiger Programme als auch von Werbeclips zu unterstützen.
Das Media Centre ist über Satellit mit anderen Ascent Media-Niederlassungen in New York, Los Angeles und Singapore verbunden.
Globecast
Im Juli 2007 hat auch Globecast ein neues Playout-Center in London eröffnet. Das Elf-Kanal-Playout bietet Übertragungsservices für Satelliten-TV-Sender. Das neue Playout Center wurde in der Londoner Grays Inn Road angesiedelt. Hier ist auch Independent Television News (ITN) zu Hause.
Der Globecast-Service zielt vor allem auf Kunden, die die Sky-Plattform nutzen. Dazu gehören derzeit unter anderem Poker TV, Dolphin TV und Horse & Country TV. Ein ähnliches Playout-Center wie in London hat Globecast auch in Florida und Singapore eröffnet.
Das Londoner Playout wurde von Globecast-eigenen Ingenieuren in weniger als sechs Monaten realisiert. Das Multichannel-Playout-System basiert auf Automations- und Media-Management-Technik von Pharos. Dabei wird Playtime zur Playout-Kontrolle und Mediator für das Content-Management eingesetzt. Miranda Master Control and Branding sorgen für das Video-Processing und Omneon Spectrum-Video-Servers für eine vollständig redundante Architektur, die durch einen HP SAN für Nearline Storage abgesichert wird. Ingest kann durch konventionelle Videobänder oder von Media Files erfolgen.
Das System-Design erlaubt, so Glocast, eine flexible Erfüllung unterschiedlichster Kundenanforderungen, insbesondere hinsichtlich Grafik- und Branding-Anwendungen. Globecast bietet auf Wunsch Channel-Management und -Planung zusammen mit maßgeschneiderten Workflow-Analysen.
SBS
Die Ende Juni 2007 von der ProSiebenSat.1-Gruppe übernommene europäische Senderkette SBS (Scandinavian Broadcasting System) hat im August 2007 ebenfalls ein neues Playout-Center in London in Betrieb genommen. Errichtet wurde es vorrangig unter dem Aspekt, zentral gelegen zu sein und über ein digitales Medienarchiv verfügen zu können. Automatische Betriebsabläufe sollen damit wesentlich effektiver gestaltet werden können. Dort werden sechs Kanäle mit 24/7-Vollprogramm sowie sieben Sparten-Kanäle abgewickelt. Das Playout-Center ist so konzipiert, dass jederzeit Erweiterungen möglich sind. So hat sich das Unternehmen unter anderem vorbehalten wollen, die Infrastruktur auf 30 Free- und Pay-TV-Kanäle sowie 60 Library-Kanäle skalieren zu können. Die Station ist außerdem in der Lage, HD-Formate und Dolby-Signale zu verarbeiten.
Ziel war es, die Sendeabwicklung der Gruppe, die über zahlreiche Fernseh- und Radiokanäle verfügt, durch zentralisierte und automatisierte Abläufe erheblich effektiver zu gestalten. Kernpunkt des Konzeptes ist ein digitales Online-Archiv mit parallelem Proxyserver. Das komplexe Projekt wurde von der Wellen + Nöthen Systemabteilung in nur acht Monaten inklusive Planung und Integration des ersten Bauabschnitts mit allen technischen Einrichtungen realisiert.
Bereits seit Sendestart im August wurden im Londoner Stadtteil Chiswick sechs Kanäle mit 24/7-Vollprogramm und sieben Sparten-Kanäle abgewickelt. Von Beginn an wurde das Sendezentrum auf umfassende Erweiterungsmöglichkeiten ausgelegt, sodass die technische Infrastruktur von Ingest, Dispatcher, Live-Regien, Zentraltechnik und Playout bis auf zirka 30 Free- und Pay-TV Kanäle sowie 60 so genannter Librarykanäle skalierbar ist. Um die Investition für zukünftige technologische Entwicklungen abzusichern, können neben Inhalten in Standard-Definition und Stereo-Ton auch HD-Formate und Dolby-Signale in der gesamten Produktions- und Sendekette verarbeitet werden.
Eine wichtige Aufgabe für Wellen + Nöthen und SBS bestand in der Analyse und der Erarbeitung von optimalen Workflows sowie der Programmierung von speziellen, dem erarbeiteten Pflichtenheft angepassten Interface-Lösungen für das Content- und Asset-Management-System. Durch die Bereitschaft zur engen Kooperation mit verschiedenen Softwareherstellern konnte Wellen + Nöthen eine umfassende Softwarelösung liefern, die den SBS-Ansprüchen an eine dezentrale Sendeplanung, ein zentrales Medienmanagement und ein weitgehend automatisiertes Playoutsystem gerecht wurde.
Als Content-Management integrierte Wellen + Nöthen die VPMS Software von Solutions 4 Media in Verbindung mit der Programmplanungs- und Mediaasset-Managementlösung What´s On von Media Genix. What´s On wurde bereits im Vorfeld erfolgreich bei verschiedenen SBS-Sendern eingesetzt und im Rahmen dieser Installation über ein bidirektionales Interface zum VPMS System sowie zum Playoutsystem ergänzt. VPMS verwaltet über eine Middleware ein hierarchisches Zentralarchiv, das unter anderem aus einem 200 TB großen Nearline Archive von Data Direct sowie einem Quantum Scalar I 2000 Deep Archiv besteht. In der ersten Ausbaustufe kann die Robotik der Tapelibrary über 600 TB auf LTO-4 Bändern verwalten und lässt sich auf eine Kapazität von über 2 Petabyte erweitern.
Für Ingest und Playout fiel die Entscheidung von SBS auf die K2 Media-Server von Grass Valley. In der aktuellen, ersten Ausbaustufe, umfasst das Serversystem 66 Kanäle, die teilweise in SD sowie in HD/SD verwendbar sind. Eine weitgehend automatisierte Qualitätskontrolle der auf die K2-Server eingespielten Audio- und Videodaten übernimmt vor der endgültigen Speicherung ein Cerify-Server-System von Tektronix. Die Überwachung, die an verschiedenen Punkten der Anlage eingesetzt wird, ist in das Userinterface von VPMS integriert und kann über unterschiedliche Set-Ups mehrere Messtiefen abdecken.
Für die Steuerung von Flexicarts und MAZen im Ingestbereich sowie aller Playout-relevanten Einrichtungen wie Serverkanäle, Maestro-Sendemischer von Grass Valley, Grafik- und Branding-Engine wurde ein Orbiter-System von Aveco gewählt, das über ein spezielles Trafic-Interface mit der Programmplanung und dem Contentmanagement kommuniziert.
Zurzeit wird bei SBS in London die Sendeabwicklung für die skandinavischen Programme übernommen. Langfristig ist aber geplant, auch die Sendeabwicklung weiterer Programme der Familie nach London zu verlegen und den Ausbau des Studios dort voranzutreiben.
Technicolor Network Services
Technicolor Network Services ist seit November 2004 mit seinem Playout Center im Chiswick Park in West London aktiv. Es bedient einige Schlüsselkunden des Unternehmens und erledigt das Playout von 20 Kanälen in mehrsprachiger Fassung für Großbritannien, Skandinavien, Osteuropa, den mittleren Osten und Südafrika.
Einer der ersten HD-Kanäle in Großbritannien wurde von hier aus gesendet. Die Einrichtung verfügt über umfangreiche Produktions- und Content-Management-Fähigkeiten einschließlich 37 Postproduktions-Suiten und zwei komplett ausgestattete Fernsehstudios. Im Dezember 2006 konnte Technicolor Network Services einen langlaufenden Vertrag mit ITV plc abschließen. Er sieht die Übertragungsabwicklung für dessen sechs Kanäle, einschließlich ITV1, dem führenden kommerziellen Sender in Großbritannien, vor.
Technicolor Network Services hat die Kontrolle der nördlichen und südlichen Übertragungszentren von ITV in England übernommen, zusammen mit rund 120 Angestellten. Die gegenwärtigen ITV-Playout-Aktivitäten betreffen die Kanäle ITV 1,2,3 und vier, Men and Motors und CiTv. Außerdem ITV 1 hat 25 regionale Feeds die durch individuelle Werbeclip-Einfügungen und Programmankündigungen versehen werden.
Durch den ITV-Deal ist Technicolor Network Services heute in der Lage, auch Playout Services im Nordosten Großbritanniens anbieten zu können. Eine entsprechende Einrichtung in Leeds ist direkt mit der in London verbunden und wird Kunden zur Nutzung zusätzlicher Playout- und Disaster Recovery-Kapazitäten angeboten. Über die ehemaligen Playouts von ITV in London und Leeds werden heute auch die Inhalte anderer Anbieter und Plattformen verbreitet.
Um seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen hat Technicolor Network Services im Januar 2008 sein Londoner Playout mit neuer Technik für Automation, Ingest- und Media-Management ausgestattet. Man setzte dabei auf Systeme von Pro-Bel. Hintergrund: Technicolor Network Services hatte sich gegenüber ITV verpflichtet, die Niederlassungen in London und Leeds zukunftssicher aufzurüsten und in eine komplett digitale Umgebung zu transferieren.
Neben den genannten Unternehmen existiert in London auch eine Reihe weiterer Broadcast- und Playout-Dienstleister, zum Beispiel Discovery Networks Europe, NTL Broadcast, Playout24 und Advanced Broadcast Services (ABS)
Eckhard Eckstein
(MB 02/08)
Die Mediencenter-Metropole
In der TV-Branche geht ein klarer Trend Richtung Technik-Outsourcing. Zahlreiche Dienstleister stehen dafür bereit. Ihre Angebote reichen vom reinen Playout bis hin zu Komplettservices mit Studiobetrieb und Postproduktion. Insbesondere in London wurden neue Mediencenter installiert und alte aufgerüstet. Neben Red Bee zeigen hier unter anderem Technicolor, SBS, Globecast und Ascent Media Flagge.