Die nächste technologische Revolution

Im Jahr des „Avatar“ ist Stereo 3D auch auf der IBC in Amsterdam das große Thema. Zahlreiche Hersteller präsentieren den Sendern und Produktionsfirmen ihre neuesten Produktentwicklungen für 3D-TV oder 3D Blu-ray. Für den Home-Entertainment-Bereich bringt der 3D-Systemhersteller Xpand eine Universalbrille mit aktiven Shutter-Gläsern auf den Markt, die für sämtliche 3D-fähigen LCD-, DLP- und Plasma-Bildschirme einsetzbar ist. Doch auch den Displays steht mit der Einführung von OLED eine technologische Revolution bevor. Ami Dror, Chief Strategy Officer bei XpanD, gibt einen Ausblick auf diese neue Entwicklungen.

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Die nächste technologische Revolution

Welchen Vorteil bietet die neue XpanD 3D-Universalbrille?
Die Brille kann sowohl für 3D-fähige LCD-Laptop- and Computerbildschirme als auch für LCD-, DLP- und Plasma-Fernseher eingesetzt werden. Es ist praktisch jedes Gerät, das verschlüsselten 3D-Content mit 120 FPS abspielt, mit unserer X103-Brille kompatibel und ermöglicht somit den Anwendern, komplett in die 3D-Welten von Videospielen, Filmen, Fernsehen und Präsentationen einzutauchen.

Wie funktioniert das technisch?
Die aktiven Shutter-Brillen von XpanD arbeiten mit einer besonders schnell reagierenden Flüssigkeitskristall-Zelle, der so genannten „Pi-Zelle“, die wie ein Schalter jeweils abwechselnd das entsprechende Auge blockiert. Durch das schnelle Umschalten, das optimale Extinktionsverhältnis sowie das breite Gesichtsfeld bieten die Shutter-Brillen von XpanD das klarste und flimmerfreiste 3D-Erlebnis, das es derzeit auf der Welt gibt.

Wie lange hat es gedauert, diese 3D-Technologie zu entwickeln?
3D wird bereits seit zwanzig Jahren für industrielle und militärische Anwendungen eingesetzt. Die Bandbreite reicht dabei vom Design von Autos bis hin zur Steuerung von Flugzeugen, die ohne Pilot fliegen. Für uns ist das schon Geschichte. 3D wird für verschiedene Zwecke benutzt und entwickelt, was einen Teil unserer Fachkompetenz darstellt, die aber noch nicht einmal mit einem Prozent im Leistungsumfang von XpanD zu Buche schlägt. Wir benutzen dieselbe Technologie, die wir entwickelt und zunächst im Kino eingesetzt haben. Jetzt implementieren wir diese auch zuhause in den Fernsehern.

Wie sehen Sie die Zukunft von 3D im Home-Entertainment-Bereich?
Für die 3D-Nutzung zuhause gibt es zwei Optionen. Die erste Möglichkeit sieht vor, einen 3D-Fernseher, 3D-Blu-ray-Disks und eine 3D-Set-Top-Box vom Sender zu beziehen, um sich die Inhalte in dreidimensionalem Format anschauen zu können. Bei der anderen Option ist davon auszugehen, dass alle neuen Fernseher, die auf den Markt kommen, ohnehin mit WiFi ausgestattet sind und über eine Internetverbindung verfügen. Google hat Google TV herausgebracht. Daher ist es sehr einfach, sich Programme aus dem Internet von YouTube, Netflix and anderen anzuschauen. Ihr Vorteil in Bezug auf 3D ist, dass es dort im Gegensatz zu anderen Plattformen keine Beschränkungen hinsichtlich der Bandbreite gibt.
Es sind derzeit zwei Trends zu beobachten. Die Unternehmen, die dem Blu-ray-Konsortium angehören wie die Hollywoodstudios, Panasonic oder Sony forcieren sehr aggressiv Blu-ray. Parallel dazu gibt es Firmen wie Vizio, die nicht dem Blu-ray-Konsortium angehören und sehr offensiv für das Downloaden oder Streaming von 3D-Filmen direkt auf den Fernseher werben. Die Nutzer sparen dadurch Geld, weil sie dafür weder Blu-ray noch ein Kabelanschluss benötigen. Alles was sie brauchen, ist ein Fernseher, der sich mit dem Internet verbinden lässt.

Wie viel Bandbreite ist für 3D-Inhalte erforderlich?
Zunächst muss dafür zuhause eine entsprechende Bandbreite vorhanden sein, denn ohne diese funktioniert das nicht. Aber wir gehen davon aus, dass dies der Fall ist, denn wir reden hier von den Betatestern. Die Betatester, die einen entsprechenden Internetanschluss besitzen, sind noch immer mit Beschränkungen konfrontiert. Denn die beste Qualität, die derzeit über das Internet zu bekommen ist, liegt bei Netflix beispielsweise bei einer Auflösung von 720p. Bisher gibt es im Netz noch kein 1080p, aber die Entwicklung ist rasant. In einem Jahr wird es möglich sein, sich Bewegtbilder mit 1080p per Streaming direkt auf den Fernseher zu holen. Das Gleiche gilt für die Bandbreite. Wenn wir uns anschauen, welche Bandbreite wir vor zwei Jahren zuhause hatten und sie mit der aktuellen vergleichen, wird deutlich, dass dies in zwei Jahren ganz anders sein wird. Der Durchbruch von IPTV erfolgt parallel zur 3D-Revolution. Es ist interessant zu beobachten, was sich schneller entwickelt: 3D oder IP? Derzeit gilt IPTV bezüglich des Preises als unschlagbar, während 3D-Blu-ray qualitativ einen Vorteil bietet, weil es eine Auflösung von 1080p besitzt.

Welche Anforderungen sind mit 3D ohne Brille verbunden?
Für 3D ohne Brille, dem autostereoskopischen 3D, sind mindestens 30 verschiedene Ansichten erforderlich, von denen für jede jeweils 2.000 Zeilen in vollem HD-Umfang benötigt werden. Dafür wird ein Fernseher mit 64K gebraucht. Derzeit besitzen unsere Fernseher 2K-Auflösung. Doch die Entwicklung geht dahin und beschert uns optische Werkzeuge, mit denen wir 3D sehen können. Die Frage ist nur, wann solche Fernseher auf den Markt kommen und wir keine Brillen mehr benötigen. Das kann acht, zehn oder zwölf Jahre dauern. Als Firma, die mit dem Verkauf von 3D-Brillen sehr viel Geld verdient, investieren wir kräftig in die Forschung auf diesem Gebiet, weil wir wissen, dass für das 3D-TV irgendwann keine Brille mehr nötig sein wird.
Es wird aber auch möglich sein, dass sich mehrere Personen auf einem Bildschirm verschiedene Filme anschauen. Wenn wir einen Film in 3D betrachten, sehen wir eigentlich zwei Filme. Den einen Film sehen wir mit unserem rechten Auge, den anderen Film mit unserem linken Auge. Unser Gehirn verarbeitet diese Filme als eine künstliche Realität.
Diese Tatsache lässt sich aber auch dazu nutzen, mehrere Filme gleichzeitig auf einem Bildschirm abzuspielen beziehungsweise zu konsumieren. Wenn die Brillengläser des einen Zuschauers geöffnet sind, sind die des anderen geschlossen. so sieht jeder seienen eigenen 2D-Film. Auf diese Art lassen sich auch Videospiele wie zum Beispiel Autorennen auf einem TV-Gerät spielen, bei denen jeder Mitspieler nur seine individuelle Spielesituation sieht.
Derzeit liegt die Kapazität des modernen 3D-Fernsehens bei 120 FPS (Frames per Second). Das ist ausreichend, um zwei Zuschauern ein einwandfreies 2D-Seherlebnis zu vermitteln. Doch bald wird es Fernseher mit 480 FPS geben, die es entweder uns beiden erlauben, jeweils einen anderen 3D-Film zu sehen oder vier Zuschauer können sich vier unterschiedliche 2D-Filme anschauen. Dies geht Hand in Hand mit den Brillen und der Technologie.

Was ist die maximale Anzahl von Filmen, die auf einem Fernsehbildschirm gezeigt werden können?
Theoretisch können durch die schneller werdende Bildübertragung immer mehr Zuschauer gleichzeitig einen anderen Film sehen. Die Brillen sind schon jetzt sehr schnell. Für 2D sind mindestens Übertragungsraten von 30 FPS erforderlich. Bei zwei Zuschauern liegt diese bei 60 FPS. Darauf können wir aufbauen, müssen aber gleichzeitig bedenken, dass bei dieser Art des 2D-Fernsehens auch höhere Bildwiederholfrequenzen erforderlich sind. Derzeit werden Kinofilme mit 24 Bildern pro Sekunde gedreht. Die Filmemacher werden beginnen, 48 und 96 Bilder pro Sekunde aufzuzeichnen. Sie werden keine Filme mehr mit 24 FPS aufnehmen.

Welche weiteren Entwicklungen sind in Zukunft zu erwarten?
Der größte Traum in der Fernsehindustrie ist seit vielen Jahren OLED (Organic Light Emitting Diode). Wir warten nur noch darauf, dass es Marktreife erlangt. Der Vorteil von OLED ist, dass es echte Farben besitzt und ein sehr strapazierfähiges, bewegliches Display, das praktisch nicht kaputt gehen kann. Es ähnelt von seiner Konsistenz her einem Blatt Papier. Der Vorteil von OLED in Bezug auf 3D ist, dass es über eine schnelle Abspielrate verfügt. Während die Fernseher heute 120 FPS abbilden können, schafft OLED 480 FPS. Wenn OLED auf den Markt kommt, bekommen wir wesentlich bessere Farben, besseres 3D und auch wesentlich bessere 2D-Bilder, weil die Sender uns dann nicht mehr mit 24 FPS beliefern, sondern mit 120 FPS senden. Daher werden wir ein sehr feines Bild erhalten. Doch derzeit geht die Entwicklung von OLED noch sehr langsam voran.

Was ist die größte Schwierigkeit bei der Entwicklung von OLED?
Das Problem ist, dass OLED nur über eine sehr kurze Lebensdauer verfügt. Viele Telefone besitzen bereits OLED-Displays, aber diese sind winzig. Wenn OLED für einen Bildschirm von 1,20 Meter eingesetzt wird, hält es nicht länger als sechs Monate. Es ist noch nicht serienreif. Das ist die technologische Barriere. Sobald diese überwunden ist, kann OLED genauso einfach wie Papier produziert werden. Wir könnten sogar die Leinwand im Kino durch OLED ersetzen. Das wird kommen.

Eröffnet das ein neues Zeitalter, in dem keine Projektionssysteme mehr gebraucht werden?
Ja, aber das dauert noch mindestens zehn Jahre.
Birgit Heidsiek
(MB 09/10)

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