Grund für die geplante Umstellung beim terrestrischen Fernsehen: Ab Mitte 2016 soll DVB-T das 700-Mhz-Band räumen, das dann, wie schon das benachbarte 800-Mhz-Band, für den mobilen Datenverkehr genutzt werden soll. Zudem bietet DVB-T2 gegenüber DVB-T die effizientere Technik. TV-Sender können damit zum Beispiel ihre Verbreitungskosten um 15 Prozent und den Energieverbrauch um 40 Prozent senken. Der neue Standard ermöglicht auch die terrestrische Verbreitung von HD-Programmen. Das ist besonders für Privatsender interessant, um Pay-Modelle wie beim Satelliten zu realisieren. Eva-Maria Sommer von RTL Deutschland hatte bereits zur IFA 2014 klar gestellt, dass ein DVB-T2-Engagement der privaten Sender nur funktioniert, wenn es Erlösmodelle gibt, um die dafür anfallenden Kosten zu erwirtschaften.
DVB-T wird in Deutschland von 7,4 Millionen Haushalten genutzt, erklärte Ulf Heggenberger, Geschäftsführer Sales & Marketing von Media Broadcast, dem technischen Betreiber von DVB-T, bei der Präsentation des Berliner DVB-T2-Pilotprojekts. In den Kernregionen, die 15 Millionen Haushalte repräsentieren, beliefe sich die Nutzung sogar auf 27 Prozent. Dies sei eine hervorragende Basis für eine Umstellung auf DVB-T2. Mit der Umstellung entsteht neben dem Angebot an HD-Sendern durch Verwendung des HEVC-Codecs zur Komprimierung der Daten auch eine bessere Nutzung der Kapazitäten. Dadurch ist die Verbreitung von bis zu sieben HD- oder 16 SD-Programmen in einem Multiplex möglich, statt einem HD oder vier SD-Programmen. Die Kapazitätsgröße ist abhängig von der Modulation und wird dadurch erreicht, dass ein UHF-Kanal, der bei DVB-T etwa 13 MBit hat, auf 18,32 bis 27,6 MBit erweitert wird. Welche Datenraten den besten Kompromiss zwischen Reichweite und Übertragungsqualität bilden, ist Teil des Berliner Versuchsfeldes. Dieses ist als umfassender gemeinschaftlicher Test des TV-Sendebetriebs via DVB-T2 entlang der gesamten Broadcast-Systemkette mit Programmanbietern, CE-Industrie und Verbänden zur Beschleunigung der Marktentwicklung konzipiert, damit die Endgeräteindustrie rechtzeitig zur IFA 2015 mit entsprechenden Angeboten – seien es nun integrierte Tuner, Settop-Boxen oder Sticks – auftreten können. Partner des Feldversuchs sind neben den öffentlich-rechtlichen Sendergruppen (inkl. Arte), die ihr mit HEVC komprimiertes Signal mit 720p/50 einspeisen, auch die ProSiebenSat.1- und die RTL-Gruppen, die mit 1080i/25 an den Start gehen. Weitere Partner sind u.a. Sony, Philips, Broadcom, Rohde & Schwarz und Technisat.
Das DVB-T2-Signal wird bei dem Berliner Versuch auf Kanal 42 über den Fernsehturm und den Schäferberg im Südwesten der Stadt ausgestrahlt. Vom zentral stehenden Fernsehturm werden über eine Dachantenne bis zu fünf Millionen Menschen erreicht. Damit ist das Umland eingeschlossen. Berlin hat circa 3,5 Millionen Einwohner, der ‘Speckgürtel’ drum herum circa 1,5 Millionen. Aufgrund der Anbringung der Sendeantenne für den Test und die damit einhergehende Blockade des Signals durch den Turm selbst, kommt es östlich und südlich des Fernsehturms im Antennendiagramm zu Dellen. Hier ist der Empfang durch die Zimmer-, aber auch durch die Außenantenne stark eingeschränkt, wodurch diese Empfangsarten nur 2,3 respektive 4,1 Millionen Menschen erreichen. Für den Test ist dies jedoch unerheblich. Bei der Sendeumstellung werden die DVB-T-Antennen ohnehin durch DVB-T2-Antennen ausgetauscht. In Berlin werden nicht die einzigen Versuche und Messungen zu DVB-T2 durchgeführt. In München setzt man sich mit dem mobilen Empfang auseinander, weshalb es in Berlin hierzu nur eine Messkampagne von einer Woche geben wird. Zusätzlich plant der WDR 2015 Versuche in Nordrhein-Westfalen. Zudem gibt es Rückgriffe auf Erfahrungen von Feldversuchen in Norddeutschland und Singapur. Media Broadcast wird neben den üblichen Messungen in 1,50 Meter Höhe auch höhere Messungen durchführen, da sich der Empfang in der Höhe, also in Hochhäusern, besser ist.
Erste DVB-T2/HEVC taugliche Geräte werden zwar ab 2015 im Handel erhältlich sein, dennoch werden die Parameter erst Mitte 2015, mit Ablauf des Feldversuchs, endgültig fest gelegt. Sind sie beschlossen, wird es keine Änderungen mehr geben.
Auch wenn die Umstellung so schnell wie möglich erfolgen soll, in den Grenzregionen zu Österreich und Tschechien wird es nach Stand der Dinge zu Verzögerungen kommen, da die Umstellung in diesen Ländern später erfolgt und sich ein Parallelbetrieb von DVB-T und Mobilfunk gegenseitig stört. In Deutschland gibt es circa 500 DVB-T-Sendeanlagen, die technisch komplett umgerüstet werden. Gegebenenfalls werden sie bei der Umstellung durch neue Anlagen ergänzt.
Thomas Steiger
MB 1/2015