Noch viele offene Fragen

Zur IFA 2018 lud die Deutsche TV-Plattform zu einem 5G-Expertenpanel in der IFA Next-Halle 26a ein. was wird der neue 5G-Standard am Ende tatsächlich können? Ist er „nur“ ein Mobilfunkthema, oder bietet er auch neue Perspektiven für TV-Sender und die Medien-branche?“ Es gab viele Fragen ohne Antworten. Recht konkrete Ziele verfolgt indes der BR, federführend für die ARD, mit einem 5G-Forschungsprojekt.

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Noch viele offene Fragen

5G ist zurzeit in aller Munde, aber auch ein irgendwie geheimnisumwittertes Thema in der Branche. So hat die Deutsche TV-Plattform jüngst im Rahmen ihrer Arbeitsgruppe Terrestrik & Mobile Media eine Projektgruppe gestartet, um die Relevanz von 5G für TV- und Medienunternehmen zu ergründen. Noch aber sei man in der Phase, sich einen „kompakten Überblick über das komplexe Thema“ zu verschaffen, konnte man auf der Website lesen. Man sei „offen für Kooperationen mit weiteren Initiativen“.

Dass die Einschätzung der Relevanz für die Broadcast-Branche nicht so einfach ist, hat einen Grund. 5G ist eine Technologie, die eher nur nebenbei auch für TV-Sender und ihr Ziel einer effektiven Distribution von medialen Inhalten einsetzbar ist. Vielmehr soll 5G in Zukunft die Backbone-Infrastruktur für das heute noch abstrakte Konglomerat einer sogenannten Industrie 4.0 schaffen. Oder wie es das Handelsblatt einfacher formulierte: „Die nächste Mobilfunkgeneration 5G soll Basis der digitalen Wirtschaft der Zukunft werden“. Was auch Frank Heineberg (Mediengruppe RTL, Dipl. Ing. Programmverbreitung & Neue Technologien) sinngemäß so referierte. In welchen Branchen und wie ganz genau 5G seine volle Kraft entfalten soll, ist heute noch gar nicht sicher. Die Bundesnetzagentur, die die Vergabe von ersten, noch nicht flächendeckenden Frequenzen für 5G in einer Auktion im Frühjahr 2019 plant, hat zusammen mit Politik und Wirtschaft einige sogenannte „Verticals“ für unterschiedliche Anwendungsbereiche definiert. Was heißt: Zwar werden sich kommende Frequenz-Auktionen der Bundesnetzagentur wohl primär an Mobilfunkunternehmen wenden, die die 5G-Infrastrukur aufbauen sollen. Gleichzeitig wendet man sich aber auch an „eine Reihe Interessenten aus der Industrie“, die auf Basis von 5G „individualisierte Dienste“ entwickeln wollen, erklärte Moderator Holger Meinzer, Chief Commercial Officer B2B Media Broadcast und Leiter AG Terrestrik und mobile Media. Dabei könne sich „jedes Unternehmen etwas Maßgeschneidertes rauspicken“, um die Nutzung von 5G selber für sich zu bestimmen, ergänzte Heineberg.

So ist der neue Netzstandard 5G insbesondere eine Schlüsseltechnologie, wenn künftig Fahrzeuge hochautomatisiert fahren, indem sie miteinander „kommunizieren“, oder Geräte im Internet der Dinge miteinander vernetzt werden sollen. Viel Neues ist dank 5G im Bereich des Gesundheitssystems denkbar. Und eines der Verticals ist auch für den Bereich der Medien/Entertainment vorgesehen, wobei man allerdings weniger an linearen Rundfunk, sondern an den expandierenden Wirtschaftsbereich des „Gaming“ denkt, der neben ultrahochauflösenden Bildern für Virtuell Reality auch jede Menge Interaktivität braucht. Riesige Datenmengen also, deren Hin- und Her-Transport künftig 5G mit Datenraten bis zu 10 GBit/s in Zukunft mobil und zuverlässig leisten soll.

Noch offen ist jedoch die Frage der Finanzierung und der nötigen Investitionen für die Netzbetreiber. Sie müssen erst noch die technische Infrastruktur schaffen und Sendemasten errichten, optimal möglicherweise im Abstand von 1,5 Kilometern. Die tatsächliche Dimension des Netzaufbaus ist noch unklar. Ganz abgesehen von kompliziert-filigranen Genehmigungsverfahren. Welche Rolle sollen dabei die Sender und Medien spielen? Welche Interessen sollen sie rund um 5G verfolgen? Welche neuen Geschäftsmodelle wird es für sie geben? Wird mit Einführung von 5G ein weltweiter Markt mit Millionen von Smartphones und Tablet-PCs als potenzielle TV-Empfänger entstehen, die Live-TV-Dienste, Mediatheken, soziale Netzwerke und viele weitere Mediendienste attraktiv kombinieren können? Fragen über Fragen. Dabei ist das, was 5G in Zukunft für multimedial aufgestellte Medienunternehmen leisten kann, gar nicht einmal eine herausragende Innovation. Technisch möglich ist es heute schon, TV-Streams mobil über Smartphones, Tablets oder andere Geräte via Mobilfunk zu empfangen. Allerdings unzuverlässig und abhängig davon, welche Tarifverträge die Nutzer mit ihrem jeweiligen Netzbetreiber haben, und ob sie in einem gut versorgten Ballungsgebiet oder irgendwo auf dem Land leben, wo es noch gar keine Versorgung mit leistungsstarken Mobilfunkfrequenzen gibt.

Hinzu kommt, wie Heineberg erklärte, dass der Vorreiterstandard für 5G, LTE beziehungsweise 4G, worüber heute das TV-Streaming mobil erfolgt, wohl noch „zwei Jahre“ für die „Verbesserung der Datenrate für Downlink und Uplink, Bandbreite, Mobilität und Zuverlässigkeit“ benötigen wird. Zur terminlichen Einführungsachse für 5G stellte er fest: „Wann die flächendeckende Nutzung da ist, weiß man nicht“. Man könne sich der Nutzung nur etwas annähern. Derzeit finden „jede Menge Testläufe“ statt. 2020 soll die Standardisierung stehen. Bis dahin sollen nach derzeitiger Planung auch die Frequenzen zugeteilt werden. Vielleicht könne man „2025 von Flächendeckung und Massenmarkt“ reden. Aber erst 2030 werde es „Frequenzen im 700 Megahertz-Bereich geben, die als Broadcast-Ersatz genutzt werden könnten“.

5G-Testfeld für den Rundfunk

Aber ist ein Broadcast-Ersatz überhaupt das Ziel? Helwin Lesch, Leiter Verbreitung und Controlling beim Bayerischen Rundfunk (BR), der mit zum Experten-Panel zählte, verfolgt einen anderen Plan. Seiner Ansicht nach ist für Broadcaster weniger die Frage relevant, wie und an wen die Frequenzen für 5G in Zukunft verteilt werden, sondern, ob man sich über „ein Geschäftsmodell einigen“ werde. Immerhin ist der BR schon seit Anfang des Jahres im Rahmen des bayerischen Forschungsprojektes 5G-Today im Bayerischen Oberland an einem 5G-Testfeld für den Rundfunk beteiligt. Zur Erinnerung: Unter Leitung des IRT untersuchen die 5G-Today-Projektpartner Kathrein und Rohde & Schwarz die großflächige TV-Übertragung im Rundfunkmodus FeMBMS (Further evolved Multimedia Broadcast Multicast Service) in 5G. Unterstützt werden sie von den assoziierten Partnern Telefónica Deutschland und eben dem BR, der das 5G FeMBMS-Sendernetz als Testfeld auf seinen Senderstandorten betreibt. Für eine großflächige Versorgung werden große Senderzellen mit kleinen Senderzellen kombiniert. Zu diesem Zweck sendet der BR-Standort Wendelstein gleichzeitig mit weiteren Standorten im Raum München TV-Signale als Versuchsfunk im Kanal 56. Der Beginn der ersten Ausstrahlungen ist für Ende 2018 vorgesehen. Bis dahin, so berichtet das IRT online, werden Komponenten für Aussendung und Empfang entwickelt und installiert. Darüber hinaus hat das IRT im letzten August zusammen mit dem italienischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk RAI im Rahmen der European Championships in diesem Jahr 5G-Tests an den Standorten in München und im Aostatal durchgeführt. Die Tests von RAI und IRT demonstrierten, wie 5G für die Verbreitung von Medieninhalten und -diensten für die Allgemeinheit eingesetzt werden können. Wobei ein neuartiger Forschungsansatz war, zukünftige Netztechnologien in einer herkömmlichen terrestrischen Rundfunknetzinfrastruktur so zu betreiben, dass spezifische Rundfunkanforderungen erfüllt werden, wie zum Beispiel Free-to-Air-Übertragung, große Versorgungsgebiete und eine kosteneffiziente Verteilung auf mobile Geräte.

Einen ähnlichen Plan, nämlich die terrestrischen Sendestationen für DVB-T2 mit den Basisstationen für 5G zu verbinden, verfolgt auch Lesch. Dabei schwebt ihm – verkürzt beschrieben – als Win-Win-Geschäftsmodell zwischen Rundfunk und Mobilfunk eine Art Hochzeit der beiden Technologien vor. Er nannte folgende Fakten: Der terrestrische Rundfunk erreiche mit 145 DVB-T2-Sendestandorten eine bundesweite Netzabdeckung von 96 Prozent der Bevölkerung. Zwar schaffe der Mobilfunk mit LTE eine vergleichbare Abdeckung von 94 Prozent. Dafür allerdings würden 48.000 Sendestandorte benötigt. Und beim Umstieg auf eine 5G-Abdeckung würden noch wesentlich mehr Sendestandorte gebraucht. Daher wäre der Zugang zum Rundfunknetz für die Mobilfunkbetreiber attraktiv, um eine möglichst hohe Reichweite bei möglichst niedrigen Ausbaukosten zu erhalten. Umgekehrt könnten die Mobilfunker 5G für die lineare Rundfunknutzung bereitstellen. Jeder von beiden solle dabei seine Netzhoheit behalten. Um den Deal zu realisieren, könnte man auch eine neue exportfähige Technologie entwickeln, die eventuell sogar im Ausland Interessenten finden könnte. Diese Idee hatte auch schon BR-Produktions- und Technikdirektorin Prof. Dr. Dr. Birgit Spanner-Ulmer bei einer ARD-Veranstaltung im Vorfeld der IFA in Berlin erläutert. Das WM-Spiel Deutschland gegen Südkorea, so Lesch, hätten alleine in der ARD Mediathek rund zwei Millionen Menschen verfolgt. Dadurch sei eine Netzlast von 5,5 TBit/s entstanden. Wegen dieser hohen Rate würden weiterhin Rundfunksender gebraucht, die ein Signal nur einmal ausstrahlen und damit unendlich viele Zuschauer erreichen. Der meiste Traffic zwischen ARD-Mediathek und Mobilfunkendgeräte sei anlässlich dieses WM-Spiel über klassische Breitbandleitungen distribuiert worden. Wobei Lesch vermutet, dass selbst wenn alle hiesigen Mobilfunknetze zusammengefasst würden, sie eine so hohe Signallast nicht verkraften könnten. Wer sich en Detail über die Bedingungen der kommenden 5G-Frequenz-Auktion sowie über dazu festgelegte Eckdaten informieren will, kann dies über die Website der Bundesnetzagentur tun.

Erika Butzek

MB 4/2018