Suchmaschine für Radioinhalte

In Großbritannien Will die BBC mit Privatradios einen Online-Radioplayer starten, über den alle terrestrischen Hörfunkprogramme gesucht und genutzt werden können. Hauptpartner neben der BCC sind Global Radio, Absolute Radio und Guardian Media Group. Nick Piggott, Head of Creative Technology bei Global Radio, erklärt die Hintergründe des Projekts.

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Suchmaschine für Radioinhalte

Über den „UK Radioplayer“ sollen Internetnutzer in UK bald alle fast 400 britischen analogen und digitalen Radiosender finden und hören. Wie ist die Idee für einen gemeinsamen Online-Radioplayer entstanden?
Bei DAB arbeiten die Privaten und die BBC schon seit 15 Jahren zusammen. 2009 hat die Regierung im „Digital Britain Report“ festgelegt, dass 2015 die Mehrheit der analogen Radiodienste auf digital umgestellt werden kann, wenn die DAB-Netzabdeckung mit UKW vergleichbar ist und 50 Prozent der Radionutzung über digitale Plattformen erfolgt. Diese
50 Prozent wollen wir gemeinsam so schnell wie möglich erreichen. Derzeit beträgt der Marktanteil von Digitalradio über die verschiedenen Plattformen rund 24 Prozent. Das haben wir in den letzten fünf Jahren geschafft. Das Wachstum nimmt bei den digitalen Hörern jetzt pro Jahr immer stärker zu, seitdem die Digitalradiogeräte sehr viel günstiger geworden sind. Daher gehen wir davon aus, dass wir das bis 2015 realisieren können. DAB hat aktuell einen Marktanteil von 15,4 Prozent, Radiohören über das Internet aber nur 2,8 Prozent. Hätte Internetradio beispielsweise einen Anteil von zehn Prozent, DAB von 20 Prozent und der über Digital-TV wäre auch größer, kämen wir insgesamt schneller an dieses Ziel.

Wie ist die Entscheidung für den UK Radioplayer gefallen?
Wir wollten verstehen, warum die Internetradionutzung nicht heute schon größer ist und worin die Ursachen dafür liegen. Über Marktforschung haben wir herausgefunden, dass es zu aufwändig für die Nutzer ist, die Radiosender im Netz zu finden und zwischen Programmen umzuschalten. Die Sender arbeiten mit unterschiedlichen Playern, Formaten, Bitraten und Audiosystemen etc. Für Zuhörer ist das viel schwieriger als ein herkömmliches Radiogerät zu benutzen. Aus diesem Grund wollten wir ein echt gutes Software-Radio machen, mit dem man live und on-demand Radio hören kann. Es wird eine Pop-up-Konsole sein, die schnell lädt, gut klingt, immer gleich aussieht und funktioniert und die einfach zu bedienen ist. Sender können zum Beispiel auf Knöpfen als Preset abgespeichert werden. Und man kann bequem zwischen den
Programmen umschalten. Das wird es für die Hörer viel einfacher machen, online Radio zu nutzen.

Inwiefern ist es wichtig, dass alle terrestrischen Sender dabei sind, und warum beteiligt sich Global Radio als größte Radiogruppe in UK an einem solchen Gemeinschaftsprojekt?
Wir haben unsere Zuhörer gefragt, welche Funktionen für sie wichtig sind. Die Suchfunktion war zentral. Ziel ist, dass mit diesem Angebot der Marktanteil von Radio hören über das Internet wächst und die Zuhörer bei britischen Radioinhalten bleiben, wenn sie etwas hören wollen, und wir sie nicht an ausländische Radiosender oder Musikdienste wie Spotify oder Last.fm verlieren. Der UK Radioplayer soll „Google für Radio“ werden. Das heißt, wenn jemand etwas hören will, gibt er es in den UK Radioplayer ein und nicht in Google. Der Player wird eine Suche nach Musikgenre, Sendern und Sendungen, Interpret und Titel ermöglichen. Er wird ausschließlich in
Großbritannien verfügbar sein.

Wann wird der Radioplayer starten? Die Einführung ist ja seit dem Frühling geplant, warum verzögert sie sich?
Ich bin relativ sicher, dass wir im August mit der Beta-Version starten werden. Es dauert länger, als wir gedacht haben, bei manchen Entscheidungen zwischen den vier Kooperationspartnern einen Konsens zu finden. Von der Technologie her dauert es länger, die Suchfunktion zu perfektionieren.

Auf welchen Webseiten soll der UK Radioplayer angeboten werden? Wird es eine eigene Internetpräsenz geben?
Die Hauptpartner müssen online den UK Radioplayer als ihren einzigen Player einsetzen. Er öffnet sich, egal ob man von der Homepage von „Capital“ oder von der BBC auf „Listen Live“ klickt. Alle unsere bisherigen Streaming-Angebote werden durch ihn ersetzt. Streaming für Wi-Fi-Geräte bleibt bestehen. Eine eigene UK Radioplayer-Webseite, auf der alle Radiosender aufgelistet werden, wird es nicht geben. Der UK Radioplayer ist kein Aggregator.

Besteht bei dem gemeinsamen Player nicht die Gefahr, dass Nutzer vom eigenen Angebot weggeführt werden? Die BBC hat beim Radiopublikum einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent…
Das ist natürlich so. Es ist eine Gefahr, dass ein Zuhörer von „Heart“ „BBC Radio 2“ findet. Aber wir denken, dass die Gefahr im Vergleich zu den Chancen sehr gering ist. Und die Gefahr bleibt, ob wir den UK Radioplayer haben oder nicht.
Das Risiko ist viel mehr, wenn etwa jemand AC/DC hören möchte, dies in Google eintippt und Musikdienste findet. Wenn man AC/DC in den UK Radioplayer eingibt, wird man „Planet Rock“ finden und das ist ein britischer privater Radiosender. Wir können unsere Zuhörer an einen anderen Sender verlieren, aber wir halten unsere Zuhörer im britischen Radiomarkt. Das ist ein Gewinn für uns. Darüber hinaus gibt es Radiohörer, die nie Private hören, sondern nur BBC. Als Private hoffen wir, dass dieses Publikum Neues in unseren Angeboten entdeckt.

Wie groß ist das Potenzial regionaler oder lokaler Radiomarken, über das Internet national Reichweite aufzubauen?
Das ist eine wichtige Frage für uns, weil wir hauptsächlich lokale und regionale Hörfunksender haben. Die drei Hauptkriterien bei der Suchfunktion sind erstens der Inhalt bzw. Musikgenre; zweitens die Lokalität, das heißt ein Radiosender, der sich räumlich näher befindet, ist für den Zuhörer wichtiger als einer, der 300 Kilometer entfernt ist. Das dritte ist, ob ein Song jetzt oder als nächstes gespielt wird.

Gibt es ein Ziel, wie viele Hörer der UK Radioplayer mittelfristig erreichen soll?
Die Unternehmensberatung PriceWaterHouseCoopers hat eine Analyse gemacht, auf deren Basis wir uns für den UK Radioplayer entschlossen haben. Aber wir haben uns kein Ziel gesetzt, wie viele Hörer er wann erreichen soll.

In Deutschland sind die Streaming-Kosten für viele Radios zu hoch. Bringt ein gemeinsamer Radioplayer Kostenvorteile?
Nein, der UK Radioplayer wird keine eigene Infrastruktur haben. Die Bereitstellung der Streaming-Infrastruktur bleibt jedem Sender selbst überlassen, weil jeder seine eigenen Kosten kontrollieren können muss. In Großbritannien zahlen aber die privaten Radiofirmen für die Breitband-Verbindung nur einen geringen Festpreis an die Internetprovider. Eine Internetverbindung mit einer Übertragungsrate von einem Gigabit pro Sekunde kostet uns unter ein paar Tausend Pfund pro Jahr. Die technischen Kosten sind also nicht so hoch, aber wir müssen mit etwa 25 ISPs Verträge schließen. Die könnten zukünftig unabhängig von den technischen Kosten sagen, dass wir pro vernetzten Hörer und Bitrate, zahlen müssen. Das ist das Risiko des Internets.

Daher setzen britische Radioanbieter auf DAB?
Ja, deswegen sagen wir, dass DAB in Großbritannien nach wie vor wichtig ist. Unsere Zuhörer bekommen Digitalradio gratis. Sie bezahlen nur das Empfangsgerät. Für uns sind beim Internetradio allein die technischen Kosten für den Streaming-Service schon relativ hoch, weil wir bisher nur wenige Zuhörer im Internet haben. Wenn alle unsere Zuhörer, also 90 Prozent der Bevölkerung in Großbritannien, aber jede Woche Radio im Internet hören würden und per Stream abgerechnet würde, wäre das im Vergleich zu Digitalradio unglaublich teuer.

Ist der UK Radioplayer auf weiteren Digitalplattformen geplant?
Der Ansatz des UK Radioplayers ist, dass er auf allen Plattformen verfügbar sein kann, auch auf Smartphones und im Digital-TV. Für Social-Media-Angebote wie Facebook haben wir das noch nicht diskutiert, aber es könnte möglich sein. Im ersten Schritt wird es den Player ausschließlich online geben.

Wird der Radioplayer auch Möglichkeiten für Werbung bieten?
Der Radioplayer hat keinen werblichen Aspekt. Werbung und Werbevermarktung liegen in den Händen der Privaten. Alles was aktuell den Werbekunden geboten wird, ist auch im UK Radioplayer machbar. Unterhalb des Controllers wird es einen Bildschirm geben, auf dem im Grunde alles möglich ist. Wir dürfen im Player nur kein Live-TV machen.

Über welche Marketingmaßnahmen soll die Reichweite des Players aufgebaut werden?
Wir fangen mit einem weichen Launch an und wechseln von unseren bestehenden Playern auf den UK Radioplayer. Wenn das technisch gut klappt, werden unsere Radiosender on-Air ankündigen, dass man ihre Programme über den UK Radioplayer hören kann. Das ist der erste Schritt. Wir gehen davon aus, dass der Test der Beta-Version etwa zwei Monate dauert. Weitere Werbemaßnahmen sind noch nicht geplant.

Welches Potenzial haben mobile Plattformen für Radio?
Alle unsere Radiomarken haben Apps für iPhone, Android, Nokia und Blackberry und für das iPad. Generell sind diese Applikationen wichtig. Sie sind aber nicht die einzige Zukunft. Es gibt keinen technischen Grund, warum mobile Geräte nicht mit einem DAB-, DAB+- oder HD-Receiver ausgestattet sein sollten. Es ist relativ einfach, das einzubauen. Viele Leute sagen, die Radiozukunft sind Applikationen für iPad und iPhone sowie Internetstreaming in mobilen Netzwerken. Aber in USA hat AT&T kürzlich neue Datentarife bekannt gegeben, die keinen unbegrenzten Download mehr vorsehen. Wenn man nur ein begrenztes Download-Volumen hat, denkt man als Endkunde natürlich darüber nach, ob man darüber Radio hört und nicht besser gratis über FM oder DAB.
Sandra Eschenbach
(MB 07/10)