Videos aus der Wolke

Professionelle Videos peppen Online-Angebote auf und steigern die Attraktivität der Internetangebote. Doch nach dem erfolgreichen Dreh beginnt die eigentliche Arbeit: Um WWW-Filme zuverlässig und optimal in die Homepage einzubinden, müssen einige Herausforderungen gemeistert werden. Nicht jedes Unternehmen ist dabei gut beraten, Bearbeitung, Verwaltung und Veröffentlichung des AV-Materials selbst in die Hand zu nehmen. Oftmals ist es günstiger und sicherer, das Videomanagement und -Play-Out in die Hände von erfahrenen Spezialisten zu geben. Der aktuelle Trend sind Cloud-basierte Lösungen.

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Videos aus der Wolke

Wie muss eine Gesichtscreme aufgelegt werden, damit sich Falten nachhaltig glätten? Wie funktioniert der Haartrockner D1001 von Remington? Und wie wird das Rouge d´Armani korrekt aufgetragen? Bei Douglas.de, dem Online-Angebot der Parfümeriekette, finden modebewusste Frauen aussagekräftige Antworten auf die wirklich wichtigen Fragen des Lebens: In kurzen Videoclips geben Experten Kosmetiktipps und andere Anregungen für die Schönheit. Nicht minder informativ sind die Kurzfilme der Stadtwerke Herne, die online zum Energiesparen verhelfen oder die Bedienung des WWW-Kundencenters erläutern. Auch die Bayer AG stellt auf ihrer Konzern-Homepage zahlreiche Videos bereit, die multimedial Hintergrundinformationen zur aktuellen Kunstausstellung im Martin-Gropius-Bau Berlin oder der jüngsten Bilanzpressekonferenz liefern.

Die Zielgruppen für diese Internet-Videos – kosmetikaffine Frauen, informationshungrige Journalisten und die Stadtwerke-kunden in Herne – könnten kaum unterschiedlicher sein. Und dennoch eint die drei Anbieter eine gewichtige Gemeinsamkeit: Die Kurzfilme im Flash-Format stammen allesamt aus der Cloud, auf Deutsch: aus der Wolke. Mit diesem poetischen Bild wird ein IT-Konzept beschrieben, bei dem Teile der technischen Infrastruktur nicht mehr selbst betrieben, sondern ausgelagert werden. Externe Dienstleister stellen diese Rechenzentren mit Datenspeichern und Anwendungen gegen Miete zur Verfügung. Pionier und berühmtes Beispiel für Cloud Computing ist etwa der Online-Händler Amazon, der mit diesem Geschäftsfeld inzwischen ordentliche Erträge einfährt. Zu den weltweit führenden Anbietern von Video-Services aus der Cloud zählt das US-amerikanische Unternehmen Brightcove Inc., das zahlreiche Produkte zum Veröffentlichen und Verbreiten digitaler Medien bereitstellt. Der Haken: „Deutsche Unternehmen bevorzugen deutsche Server“, beobachtet Osman Tok, Customer Relations Manager bei der MovingIMAGE24 GmbH, mit Blick auf die landesspezifischen Datenschutz- und Urheberrechtsgesetze. Über 500 zumeist deutsche Kunden, darunter auch Douglas, die Bayer AG oder die Stadtwerke Herne, nutzen daher das Cloud-Produkt „VideoManager 6“ des Berliner Unternehmens. Pro Monat werden knapp 15,7 Millionen Videos ausgeliefert. Tendenz: weiter steigend. „Das Interesse am Einsatz von Internetvideos ist in allen Branchen sehr groß“, stellt CRM-Experte Tok fest, der kürzlich bei der Messe Internet World in München einen viel beachteten Fachvortrag hielt: Das Publikum saß zum Teil sogar auf dem Fußboden, um sich über die neuesten AV-Trends im WWW zu informieren. Immerhin wurden via IP allein in Deutschland 2012 täglich 194 Millionen Filme abgerufen.

Zentrale Strategieentscheidung

Die boomende Nachfrage nach Bewegtbild stellt die Unternehmen vor eine zentrale Strategieentscheidung: Sollen Videos im eigenen Rechenzentrum verwaltet und ausgespielt werden? Oder ist die Kooperation mit einem externen Dienstleister günstiger und einfacher zu handhaben? „Eigene Lösungen sind technisch sehr anspruchsvoll und verlangen relativ hohe Investitionen“, warnt Osman Tok. „Da stößt die IT schnell an ihre Grenzen.“ So müssten Server rund um die Uhr einsatzfähig und dafür mit entsprechendem Backup ausgestattet sein. Auch die Übertragungskapazitäten sollten an die Schwankungen der Auslastung angepasst werden. Schließlich müssten die Unternehmen sicherstellen, dass ihre Internetfilme auf mobilen und stationären Geräten gleichermaßen empfangen werden können. Dabei ist nicht nur die Größe des Bildschirms entscheidend, sondern auch das Videoformat. Denn nach und nach wird der Flash-Standard durch die Programmiersprache HTML 5 ergänzt, was früher oder später eine entsprechende Doppelstrategie erforderlich mache.

Herausforderungen durch Youtube

Eine Reihe von Herausforderungen birgt nach Ansicht des Videoexperten auch Youtube. Osman Tok nennt zum Beispiel die Einschränkungen bei Rechtemanagement und Benutzerverwaltung der Google-Plattform, die so manches Unternehmen abschreckten. Und: „Youtube zählt zu den Angeboten, die weltweit am häufigsten in Firmennetzwerken geblockt werden“, meint Tok mit Verweis auf Black-Listed-Statistiken. Eine Videonutzung am Arbeitsplatz könne daher nicht generell garantiert werden. Zudem, so der Customer Relations Manager, werde die Plattform hauptsächlich zur Unterhaltung genutzt, was nicht immer zum Image der Absender passe. Dennoch hat der US-amerikanische Video-Gigant eine immense Marktbedeutung: „Youtube ist für die Unternehmen immer ein Thema“, weiß Tok.

Als Plattform für Zweitveröffentlichungen von Filmen, so der Vertreter von MovingIMAGE24, könne der Google-Dienst durchaus sinnvoll sein. Aber die erste Wahl sei vielfach eine Lösung, die volle Kontrolle über die Bearbeitung, Präsentation und Ausstrahlung der Videos ermögliche. Beim eigenen Produkt „VideoManager 6“ etwa, trommelt Tok, könne zum Beispiel das Startbild des Videos exakt bestimmt werden.

Auch die mögliche Integration von Kapiteln bei längeren Filmen oder die Einbettung von Grafiken, Fotos und Verlinkungen trage dazu bei, die Attraktivität des Videos zu steigern. „Videos im Bereich E-Learning etwa können synchron mit Präsentationen verknüpft werden“, erläutert Tok. Und nicht zuletzt die tiefgehende Analyse der Videonutzung spricht aus seiner Sicht für professionelle Lösungen: „Die gemessene Anzahl der Views allein ist nicht aussagekräftig. Wertvoll ist zum Beispiel die Information, wann Nutzer das Video wieder abbrechen, damit die Unternehmen reagieren können.“

Ein zentrales Erfolgskriterium für viele Unternehmen im Internet ist die Suchmaschinenoptimierung. Der Marktführer Google hat 2012 seine Algorithmen deutlich weiter entwickelt, was zum Teil völlig neue Rangreihen mit spürbaren Effekten für Seitenaufrufe und Erträge zur Folge hatte. Umso wichtiger ist eine wohl durchdachte Search Engine Optimization (SEO) für Videos. In der HTML-Programmierung wird dabei vor allem auf den Seitentitel und die Inhaltsbeschreibung geachtet. Jeder noch so kleine Fehler bei den so genannten Title- und Descriptiontags kann verheerende Konsequenzen für die Auffindbarkeit im Netz haben. Eine professionelle Videoverwaltung muss dies genauso berücksichtigen wie die Erstellung einer Videositemap für Mediatheken und Portale.

Auch die Adresse der Videoseite muss optimal gestaltet sein. „Verwenden Sie sprechende URL“, empfiehlt Tok. Der Uniform Resource Locator berücksichtigt also relevante Schlagwörter und den Videotitel, vermeidet dabei aber Sonderzeichen, die von Suchmaschinen nicht verstanden werden. Um Duplicate Content zu vermeiden – denn Google wertet offenbar doppelte Inhalte ab – sollten Videos ausnahmslos zuerst auf der eigenen Homepage veröffentlicht werden. Erst wenn die Filme als originärer Content in den Suchmaschinen indiziert wurden, können sie zum Beispiel mit sozialen Netzwerken wie Youtube, Facebook oder Twitter verlinkt werden.

Nahtlose Integration in CMS-Systeme

Zu den weiteren Anforderungen, die bereits heute an Lösungen wie „VideoManager 6“ gestellt werden, zählt auch die nahtlose Integration in bestehende Content-Management-Systeme (CMS). Vorausschauend sollten aber auch die künftigen Trends berücksichtigt werden. „Die Anfragen nach Livestreaming nehmen bei uns deutlich zu“, berichtet Osman Tok und verrät: „Die Sehdauern bei Live-Events können doppelt so lang sein wie bei Video on Demand.“ Zunehmend setzen die Anbieter auch auf Bezahlinhalte, was eine sichere Verschlüsselung der Videos zwingend voraussetzt. Die bekannte ZDF-Kochseite 321kochen.tv beispielsweise bietet neben einer kostenlosen Basis-Mitgliedschaft auch einen Premium-Zugang zu exklusiven Inhalten und Funktionalitäten an.

Das hohe Tempo der technischen Entwicklung hält die Moving-IMAGE24 GmbH mit ihren derzeit 55 Beschäftigten weiter auf Trab. Nach dem Relaunch der eigenen Website vor wenigen Wochen steht für die Video-Experten nun die Programmierung der nächsten Generation des VideoManagers an. Ob die Version 7 noch in 2013 vorgestellt werden kann, ist derzeit noch nicht klar. Der Fokus der Entwicklung schon: „Wir wollen die Usability der Lösung nochmals verbessern“, verspricht Customer Relations Manager Osman Tok. „Unser Ziel ist es, die Bedienung in 20 Minuten zu lernen.“ Michael Stadik
(MB 05/13)