Drohende Bedeutungslosigkeit

Die deutsche Animationsbranche ist gebeutelt. Es geht an Eingemachte. Schuld daran ist für viele das Fernsehen, das nicht genügend zahlte oder ganze Produktionen im Ausland fertigen lässt. Darüber reden wollte lange niemand. Nun kam es am Rande des Cartoon Forum in Toulouse auf Anregung des FFF Bayern zu einem Treffen der Branche mit Sendervertretern und Förderern.

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Drohende Bedeutungslosigkeit

Der jährlich Mitte September stattfindende Finanzierungsmarkt für Animationsserien, Cartoon Forum, der in diesem Jahr im südfranzösischen Toulouse stattfand, ist der ideale Ort für ein solches Treffen. Beinahe die gesamte deutsche Animationsbranche ist dort versammelt und der von Franzosen dominierte Markt hält ihnen in aller Brutalität vor Augen, dass Schuldzuweisungen nicht Ziel fördernd sind. Zur Verdeutlichung der Dimension: Bei der Cartoon Forum-Schwesterveranstaltung für Animationsspielfilme Cartoon Movie im März in Lyon waren 40 Prozent aller vorgestellten Projekte aus Frankreich, heuer beim Cartoon Forum waren es 36 Prozent. Diese Größenordnung ist nicht etwa die Ausnahme, sondern die Regel. Deutschland hatte in Lyon nur zwei und in Toulouse vier Projekte – immerhin ist dies jedoch eine Verdopplung zum Cartoon Forum im Jahr zuvor im polnischen Sopot. Dennoch sind die Zahlen für die Leistungsfähigkeit der deutschen Animationsbranche hierzulande beschämend gering.

Bereits seit einiger Zeit weiß die deutsche Animationsbranche, dass etwas geschehen muss, will sie nicht endgültig in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Doch erst die Initiative des FFF Bayern brachte die Beteiligten an einen Tisch. Konkrete Maßnahmen wurden dabei vorerst nicht vereinbart. FFF Bayern Chef Prof. Dr. Klaus Schaefer sagte bei einer Pressekonferenz: „Es gibt bei den Förderern und Sendern die Übereinstimmung, dass Animation zukunftsträchtig ist. Allerdings fehlen Zeit und Geld, um Projekte ausreichend zu entwickeln.“ Schaefer sprach sich dafür aus, dass die Länderförderer TV-Animation fördern, dass ein zentraler Fördertopf dafür geschaffen wird, dass die Sender die Stoff- und Projektentwicklung finanziell unterstützen und deutsche Produzenten bei internationalen Projekten mit an Bord geholt werden. Zudem solle eine Quotenregelung geschaffen werden. Hans Ulrich Stoef von der m4e AG – made for entertainment, kritisierte die unterschiedlichen Voraussetzungen in Europa für Animation und sagte: „Uns fehlen bestimmte Grundvoraussetzungen, das ist ein gesamtpolitischer Skandal.“

Gabriele Walther von CALIGARI Film- und Fernsehproduktion erklärte, dass die Hauptansprechpartner der Produzenten ARD und ZDF seien. Konsequenterweise wird in der Diskussion ihnen und dem Kinderkanal am meisten abverlangt, wo gegen sich diese jedoch zur Wehr setzen. Sebastian Debertin, Leiter Fiktion [&] Programmakquisition des KiKa, wird in dieser Beziehung ziemlich deutlich: „Es gibt in Deutschland bereits einen Austausch zwischen der Animationsindustrie und jenen, die Animation in den Sendern unterstützen: die öffentlich-rechtlichen Sender. Von Produzentenseite wünsche ich mir, dass sie sich der Meinung anschließen, dass auch die kommerziellen Sender eine Verpflichtung zur Beteiligung an deutschen Animationsprojekten haben. Wenn die Produzenten das französische Modell fordern – das bedeutet, dass alle Sender die lokalen Produzenten entsprechend einer Quote unterstützen müssen – bin ich sofort dafür, denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird diese spielend erfüllen – ARD, ZDF und KiKA sind hier ohnehin die treibende Kraft.“ Und auch Irene Wellershoff, stellvertretende Leiterin der ZDF-Hauptredaktion Kinder und Jugend, die deutsche Animation in jeder Weise unterstützt, lässt den Vorwurf der Produzentenschaft, zu wenig für die Animation zu tun, nicht auf sich sitzen: „Es stimmt nicht, dass wir uns zurück lehnen und darauf warten, einen fertig entwickelten Stoff zu bekommen.

Es geht sogar soweit, dass wir auf Produzenten mit Ideen, die wir für uns haben wollen, zugehen.“ Damit sprach Irene Wellershoff einen wunden Punkt an, denn es gibt durchaus ein kreatives Problem in Deutschland, wie in Einzelgesprächen immer wieder zu hören ist. Will heißen: deutsche Produzenten bieten zu oft nicht die richtigen Ideen oder das richtige Artwork an. Doch wie sollen sie im internationalen Markt reüssieren, wenn sie schon auf dem Nationalen Schwierigkeiten haben? Das Treffen in Toulouse war ein erster Schritt zu einer neuen Gemeinsamkeit. Allerdings ist die Branche alles andere als transparent. Konkrete Zahlen über Auftragsvergaben von Sendern und Herstellungskosten fehlen, stellte bereits die im vergangenen November vorgelegte Studie der Produzentenallianz „Kino- und Fernsehproduktionen für Kinder und Jugendliche in Deutschland“ fest. In Toulouse war von einer Importquote von Animation von 80 Prozent die Rede. Die Teilnehmer der PK mussten aber einräumen, dass diese Zahl nicht verifizierbar ist. Ohne Offenheit auf allen Seiten ist jedoch zu befürchten, dass dieser Anlauf genauso im Sand verläuft, wie andere Versuche der Animationsproduzenten ihre Situation zu verbessern.

„Cartoon“ wurde 1987 im Rahmen des europäischen MEDIA-Programms gegründet, um die europäische Animationsbranche enger zu vernetzen, zu fördern und ihr ein wirtschaftlich kreatives Zentrum zu geben. Das Konzept des Programms mit seinen zahlreichen Einheiten wurde von Marc Vandeweyer und Corinne Jenart entwickelt, die 2008 als Mitorganisatorin Cartoon verließ. Cartoon Forum richtet sich an die TV-Branche und fand bis zu diesem Jahr zum 23. Mal statt. In den kommenden zwei Jahren wird es im südfranzösischen Toulouse ausgerichtet. Thomas Steiger
(MB 10/12)