Entspannte 3D-Diskussion

Die IBC 2011 konnte mit neuen Rekordzahlen aufwarten. Die Stimmung auf der Kongressmesse war insgesamt sehr positiv. Viele Unternehmen berichteten von wachsenden Umsätzen und guten Geschäftsabschlüssen. Der Besuch von Regisseur und 3D-Guru James Cameron sorgte dafür, dass auch das Thema 3D auf der IBC wieder verstärkt diskutiert wurde – wenn auch mit der in Europa üblichen Gelassenheit. Von einem 3D-Hype konnte jedenfalls keine Rede sein.

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Entspannte 3D-Diskussion

Die IBC 2011 verzeichnete in diesem Jahr besonders hohes Besucherinteresse. Insgesamt kamen über 50.000 Gäste. Das sind vier Prozent mehr als im vergangenen Jahr. IBC CEO Michael Crimp zeigte sich entsprechend begeistert. „Wir sind weiter auf Expansionskurs. Immer mehr Meinungsführer aus den Bereichen New Media, Werbung und Spitzentechnologie präsentieren hier ihre Strategien und Visionen“, sagt er. In diesem Jahr zählten hierzu unter anderen Hiroshi Yoshioka, Executive Deputy President der Sony Coporation, Joanna Shields, Vice President und Geschäfsführerin EMEA von Facebook sowie Regisseur James Cameron.

Der wahre Wert der Kongressmesse liege jedoch in der Interaktion zwischen allen Besuchern, die nach Amsterdam reisten, um neue Technologien und Arbeitsprozesse zu entdecken, ihr Know how auszutauschen und Verträge abzuschließen, meinte Crimp. „Jeder weiß, dass sich unsere Industrie im starken Wandel befindet. Die Medienkonsumenten werden zunehmend mit sehr unterschiedlichen Nutzungssituationen konfrontiert – von der 3D-Erlebniswelt bis hin zum Multiplattform-Bereich mit Inhalten für Tablets und Smartphones, die parallel und ergänzend zum TV-Programm angeboten werden. Um wirtschaftlich lebensfähig zu bleiben müssen Medienhäuser durch Anwendung intelligenter Technologien darauf reagieren“, erklärte er.

In 13 Hallen präsentierten über 1.300 Aussteller ihre Lösungen und Produkte. Die dabei genutzte Ausstellungsfläche war die größte in der bisherigen IBC-Geschichte. Und im nächsten Jahr will man durch eine weitere, auf dem RAI-Freigelände errichtete Zelthalle noch mehr Platz für die Austeller schaffen. Diese wiederum zeigten sich mit der Besucherzahl und -qualität der IBC 2011 durch die Bank sehr zufrieden. Selbst Ordergeschäfte gab es auf der Messe zu verzeichnen. Laut Crimp wurden zur diesjährigen IBC Verträge im Wert von über 20 Millionen US-Dollar geschlossen.

Erstaunlich wenig wurde in diesem Jahr über einen möglichen Wechsel der IBC in eine andere europäische Stadt diskutiert. Selbst auf der Abschlusspressekonferenz kam das Thema – ganz ungewöhnlich – nicht zur Sprache. „Die meisten Aussteller sind mit Amsterdam durchaus zufrieden. Wirkliche Alternativen gibt es nicht“, meinte Richard Brooking von Tektonix, Mitglied im IBC-Austellerbeirat. Das größte Übel seien aber nach wie vor die schlechte Hotelsituation. Hier müsse man verstärkt auf Abhilfe drängen.

3D-Produktion soll kostengünstiger werden

Viel Aufmerksamkeit wurde James Cameron und Vince Pace, Gründer der CAMERON-PACE Group (CPG), zuteil. Sie machten auf der IBC 2011 Werbung für neue 3D-Produktionsmethoden, die dazu beitragen sollen, dass künftig ein technisches Set-up und eine Crew ausreichen, um 2D- und 3D-Produktionen parallel zu bewerkstelligen. Hintergrund der Camereron-Pace-Initiative ist das Bemühen die Kosten für 3D-Produktionen zu reduzieren und 3D für Film- und TV-Macher so attraktiver zu machen.

„Zwei getrennte Produktionen für 2D und 3D ergeben wirtschaftlich keinen Sinn“, erklärte Cameron. Aus technischer Sicht sei dafür auch kein Grund vorhanden. „Wir wollen die Zahl der 3D-Produktionen erweitern indem wir ein Business-Modell anbieten, bei dem die Produktionskosten sinken und die Produktionsqualität steigt.
Die von CPG eingesetzte Technik soll kleiner, leichter und einfacher einsetzbar sein. „Viele Dinge, die in der Filmproduktion sehr kontrovers diskutiert werden, lassen sich in der Broadcast-Branche deutlich einfacher realisieren. Wenn hier sehr viel in 3D produziert wird, können am Ende auch die Filmproduzenten nicht mehr behaupten, die Umsetzung von 3D-Filmen sei zu kompliziert“, meinte Cameron.

CPG will zunächst in Großbritannien Live-Sport-Produktionen in 3D in Angriff nehmen. Dabei soll das von CPG entwickelte sogenannte 5D-Shadow-Kamerasystem zum Einsatz kommen. Es integriert eine 2D-HD-Kamera mit einem 3D-Kamera-Rig. Auch der US Open Tennis Championship 2011 wurde das System laut Pace eingesetzt. „Mit ESPN und CBS haben wir bereits sehr viele Tests mit unserem Shadow-System gemacht. Nun wird es Zeit, es auch auf dem europäischen Markt einzuführen“, meinte Pace. CPG will sowohl komplette 3D-Produktionseinheiten bereitstellen und andererseits Ü-Wagen-Unternehmen seine 3D-Technik. Namen von ersten Kooperationspartnern auf dem Ü-Wagen-Markt in Großbritannien wurden noch nicht genannt.

Um die 3D-Produktion in der Broadcast-Branche weiter zu beflügeln wurde auf der IBC auch eine strategische Allianz zwischen CPG und Grass Valley geschlossen.
Davon sollen nach Angaben der Unternehmen alle im 3D-Bereiche tätigen Produktionshäuser profitieren. „Wir müssen uns mit den wichtigsten Playern auf dem Broadcast-Markt verbünden, um 3D-Entertainment in der Qualität liefern zu können, die die Zuschauer erwarten“, sagte Cameron auf der Grass Valley Pressekonferenz in Amsterdam. Auch bei Grass Valley geht man davon aus, dass 3D in der Rundfunkbranche nur dann ein kommerzieller Erfolg werden kann, wenn 2D- und 3D-Programminhalte mit dem gleichen Equipment und der gleichen Mannschaft produziert wird. „Die Allianz mit Grass Valley erlaubt uns integrierte Lösungen für 2D und 3D anzubieten und zwar nicht nur in Zukunft sondern schon heute“, erklärte Pace.

„Diese Allianz ist genau das, was die Broadcast-Industrie erwartet,“ sagte Alain Andreoli, Präsident und CEO von Grass Valley.“ Seit der Einführung von Systemen für 3D-Produktionen bestand der größte Hemmschuh in den unnötigen Kosten und Workflows die bei einer Event-Produktion für das traditionelle 2D- und das wachsende 3D-Publikum. Gemeinsam mit CPG werden wir in der Lage sein, ein Geschäftsmodell für die praktische 2D/3D-Dual-Produktion zu entwickeln und dabei 2D- und 3D-Zuschauern die jeweils bestmöglichen Bilder zu liefern.“
Der erste Schritt in der Allianz von Grass Valley und der CAMERON-PACE Group besteht darin, dass Grass Valleys Produktionstechnik im neuesten 3D-Ü-Wagen von CPG einsetzt wird, einschließlich Kayenne-Videomischer, K2 Production Clients und K2 Dyno Replay Controller.

Lightstorm-Christie-Kooperation

Camerons Firma Lightstorm Entertainment schloss zur IBC 2011 auch mit Projektor-Hersteller Christie einen 5-Jahres-Vertrag zur schnelleren Entwicklung der 3D-Technologie. Hierbei geht es vor allem um den Informationsaustausch bei Forschung, Entwicklung und Tests sowie um technische Unterstützung bei der Entwicklung und Einführung der nächsten 3D D-Cinema Generation. Die Zusammenarbeit der beiden Unternehmen markiert laut Cameron einen grundsätzlichen Wandel in der digitalen Filmproduktion und -distribution.
„Ich habe Christie für diese ‚Entdeckungsreise’ ausgewählt, weil das Unternehmen voll hinter meiner Vision steht und mein Engagement dafür teilt, die Grenzen des digitalen Kinos ständig zu erweitern”, sagte er. Und Craig Sholder, Vice President, Christie Entertainment Solutions Division meinte: „Lightstorm engagiert sich dafür, das volle Potenzial der 3D- und Hochbildfrequenz-Technologie auszuschöpfen, damit das Publikum ganz in die Welt des Films, den es vor sich hat, eintauchen kann.

Diese Allianz verspricht, eine neue Welle der Begeisterung, Kreativität und Innovation in der Filmindustrie auszulösen, die dem Publikum das unvergleichliche Gefühl bietet, ganz in das Kinoerlebnis einzutauchen.” Im Rahmen des Vertrags wird Christie auch bei der Ausstattung von Camerons neuen Produktionseinrichtungen mit 3D-Projektoren vom Typ Solaria aushelfen. Dazu gehört die Einrichtung von zwei Vorführräumen, die als virtuelle Produktionsstandorte für die nächsten zwei Folgen von Avatar, dem erfolgreichsten Film der Geschichte, bei dem Camerons 3D-Technologie zum Einsatz kam, dienen. Dafür wird Lightstorm Christie an seinen Erkenntnissen in Sachen 3D, hohe Bildfrequenzen, Formate und Farbraumanforderungen partizipieren lassen. Christie hofft dadurch seine Projektionstechnik für das perfekte Kinoerlebnis weiter optimieren zu können. Lightstorm wird Christie auch 3D-Material zu Demonstrations- und Testzwecken zur Verfügung stellen.

„Bei der CinemaCon haben mir die Projektoren von Christie entscheidend dabei geholfen, höhere Bildfrequenzen von bis zu 60 Bildern pro Sekunde zu zeigen, die das Bilderlebnis dramatisch verbessern. Was aber am wichtigsten ist: Die Techniker von Christie haben dieselbe Leidenschaft für Perfektion und ständige Steigerung der Leistungsstandards wie ich. Ich habe volles Vertrauen, dass diese Zusammenarbeit außergewöhnliche Ergebnisse bringen wird”, betonte Cameron.
„Mit der entsprechenden Servertechnologie sind unsere Projektoren der Serie 2 bereits voll aufrüstbar, um höhere Bildfrequenzen zu liefern. Durch die weitere Zusammenarbeit werden wir mit einer Fülle von Informationen von Camerons preisgekröntem Produktionsstudio versorgt, die es uns ermöglichen, unser Innovationstempo bei der Entwicklung von 3D schnell zu erhöhen”, berichtete Sholder. „Cameron fordert und liefert nichts Geringeres als Perfektion in allen seinen Filmen, die mehr tun als nur weltweite Kassenrekorde zu brechen. Sie sind echte kulturelle Phänomene, die Meilensteine in der visuellen Unterhaltung darstellen.”

Im „Big Screen“-Kino auf der IBC wurde ein 18-Minuten-Trailer von Camerons „Titanic“ in 3D gezeigt. Der Filmklassiker wird aktuell in 4K remastert und für rund 18 Millionen US-Dollar von 2D auf 3D gewandelt. Kinostart ist im nächsten Jahr.
Cameron und Pace präsentierten zudem 3D-Filmmaterial aus einem Cirque du Soleil-Film. Gezeigt wurde im „Big Screen“-Kino ferner „Flying Monsters 3D with David Attenborough“. Attenborough selbst konnte auf der IBC den renommierten Honour for Excellence Award entgegen nehmen.

Special Award für „Flying Monsters 3D“

Als besondere Überraschung gab es auch noch einen Special Award für Anthony Geffen von Atlantic Productions, der „Flying Monsters 3D“ für SKY 3D TV und IMAX produziert hatte. Geffen präsentierte dafür am Schluss der Awards Ceremony Ausschnitte aus neuesten 3D-Tierfilmen, die er zusammen mit Attenborough realisiert hat. Zur Projektion wurden jeweils CP2230-Projektoren der Christie Solaria-Reihe eingesetzt.
Die Postproduktion von „Flying Monsters 3D“, bei der das Londoner Postproduktionsstudio ONSIGHT mit dem Stereo 3D-Toolsets SGO Mistika gearbeitet hatte, war übrigens auch in der Preiskategorie Inhalteerstellung für einen Award nominiert worden. Hier siegte indes CNBC mit einem Motion Tracking-Projekt, das TV-Präsentatoren die Interaktion mit 3D-Grafiken erlaubt. Dabei eingesetzt wird unter anderem Brainstorms eStudio.

3D-Demo mit hoher Bildrate

Gemeinsam mit RealD und der International Datacasting Corporation zeigte Christie im Rahmen der „Big Screen“-Präsentationen auf der IBC 2011 auch die weltweit erste 3D-Demo mit hoher Bildrate (HFR = High Frame Rate) auf einem einzelnen DLP Projektor. Auch hierbei wurde ein Solaria CP2230-Projektor eingesetzt. „Das RealD XL Cinema System und der International Datacasting SuperFlex Pro Cinema Event Player (PCEP) sind aktuell verfügbar und zusammen mit den Christie DLP-Projektoren bieten sie Kinobetreibern und Content-Lieferanten die Basisausstattung, die diese benötigen, um neue Einkommensquellen aus der Vorführung von Sport- und Kinoereignissen mit ‘alternativen Inhalten’ in 3D HFR zu erschließen“, sagte Dr. Don Shaw, Leiter für Produktmanagement der Abteilung Entertainment Solutions bei Christie.

Seinen Vortrag zum Thema „Exhibitor Considerations for High Frame Rate 3D Technology“ garnierte Shaw mit SENSIO Hi-Fi 3D formatierten Ausschnitten der weltberühmten Pferdeshow Cavalia. „Diese Vorführung ist Grundlage für die Bereitstellung von 3D-HFR-Kinoinhalten für Einzelprojektorlösungen und folgt auf James Camerons ‘Konzeptbestätigung’ von HFR-Kinoinhalten auf der CinemaCon 2011, an der Christie ebenfalls beteiligt war”, meinte Shaw. Das auf der CinemaCon verwendete Setup sei jedoch eine maßgeschneiderte Lösung gewesen, bei der zwei Christie Projektoren, Broadcast-Server und unverschlüsselte Subsample-Farbdaten eingesetzt worden seien. „Es ist deshalb nicht für die Nutzung in den Kinos gedacht, die sich auf die für Ende 2012 erwarteten digitalen 3D-Inhalte und -Kinofilme wie ‘Avatar 2’, ‘Avatar 3’ und ‘Der Hobbit“ vorbereiten wollen“, meinte Shaw.

„Die Kinobetreiber suchen eher nach Komplettsystemen, die leicht in den Kinosälen installiert werden können, um die Markteinführung dieser und anderer 3D-HFR-Kinoproduktionen zu erleichtern. Aber dafür müssen die Technologiehersteller kosteneffektive Lösungen anbieten, die nahtlos mit den Projektoren, Servern und der kinotechnischen 3D-Ausstattung zusammenarbeitet“, erklärte Shaw. Der nächste Schritt bei den 3D- HFR-Lösungen bestehe darin, für Verkäufer und Markt eine neue, leistungsstärkere und vielseitigere Integrated Media Block (IMB) Servertechnologie zu entwickeln, um die Leistung und Sicherheit bereitzustellen, die die Kinobesitzer verlangen würden.
Christie machte auf der IBC übrigens nicht nur wegen seines 3D-Engagements von sich Reden. Für gelungenes Standdesign erhielt das Unternehmen auch den Exhibition Design Award in der Kategorie der großen Messestände über 100 Quadratmeter.

Auch an zahlreichen anderen Ständen in den Messehallen war das Thema 3D präsent, ob bei Avid, Quantel, Sony oder Panasonic. Selbst 3D-Brillenhersteller zeigten Flagge. So präsentierte Volfoni zum Beispiel seine passiven 3D-Brillen vom Typ VP 101 auf den Ständen von Binocle und Solectrix in Halle 11 und seine hybriden 3D-Brillen ActivEyes bei Silicon Philosophies in Halle 7. ActivEyes können sowohl als passive als auch als aktive 3D-Brillen eingesetzt werden und unterstützen alle 3D-Technologien, die auf TV und PC zum Einsatz kommen.

Social Media und die TV-Zukunft

Die eingangs erwähnte Johanna Shields von Facebook machte auf der IBC 2011 indes einen weiteren Aspekt deutlich, der die TV-Zukunft bestimmen wird. In ihrer Keynote über Social Media erklärte sie den Fernsehmachern, wie soziale Netzwerke effektiv zur Mundpropaganda eingesetzt und Inhalte damit aufgewertet werden können. Sie rechnete vor: „Der durchschnittliche Facebook-Nutzer hat 130 Freunde. Diese 130 haben zusammen 17.000 Freunde und die wiederum zusammen schon über zwei Millionen“. Alle die könnten leicht als Markenbotschafter der Sender genutzt werden. „Wir können ihnen dabei helfen, Zielgruppen-Kampagnen zu entwickeln und ihre Inhalte oder Werbung an noch mehr Menschen zu adressieren“, sagte sie. Shields nannte auch einige Beispiele, die belegen, wie Rundfunksender mit Hilfe von Social Plattformen Inhalte besser vermarkten und monetarisieren können. Seit dem Start der aktuellen „Doctor Who“-Partnerschaft mit BBC Worldwide im Juli des Jahres seien 1,3 Millionen Facebook-Nutzer involviert. Sie könnten für 15 Credits (ca. 1,10 Euro) der virtuellen Facebook-Währung eine von neun angebotenen „Dr. Who“-Folgen bei Facebook erwerben. Wie bei Apple sei setze man auf das 30:70- Revenue-Sharing-Modell.
Eckhard Eckstein
(MB 10/2011)