Preiswerte Kreativität gefordert

Erst einmal „Glückwunsch an Anke Schäferkordt“ und „dankeschön“, dass sie trotz der hinter ihr stehenden hektischen Tage höchstpersönlich zum Produzententag gekommen sei, anstatt einen Vertreter zu schicken, sagte Alexander Thies, Vorstandsvorsitzender der Produzentenallianz zu ihrer Begrüßung am 9. Februar in Berlin, anlässlich der Berlinale.

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Preiswerte Kreativität gefordert

Kurz zuvor war bekannt geworden, dass Schäferkordt neben ihrer Position als Chefin der RTL Mediengruppe Deutschland ab Mitte April Europas größte TV- und TV-Produktions-Gruppe, die RTL Group, leiten wird: zusammen mit dem Ex-Vorstandsvorsitzenden der ProSiebenSat.1 AG, Guillaume de Posch. Das Duo tritt die Nachfolge von Gerhard Zeiler an, der zu Time Warner wechselt. Schäferkordt nimmt zudem Zeilers bisherigen Platz im Vorstand der Bertelsmann AG ein, deren Cash Cow die RTL Group ist.

Mit Schäferkordt und de Posch wird die RTL-Gruppe dann von zwei Persönlichkeiten verantwortet, die sich bislang vor allem als Controller und Sparfüchse bewiesen haben. Die Keynote, die Schäferkordt dann hielt, war auch in weiten Teilen von diesem Talent geprägt und hat deshalb weder bei Thies noch bei der gesamten, so gut wie komplett angetreten Produzenten-Riege Freude ausgelöst.

Dabei war Schäferkordts Rede durchaus sehr interessant und programmatisch angelegt. Wohl wissend, was man in der Branche und der Presse über sie denkt, forderte sie die Produzenten am Anfang ihrer Rede galant auf, nicht alles zu glauben, was man über sie lesen könne. Da hatte doch tatsächlich ein Mediendienst über sie geschrieben, „viele würden am Honig saugen, sie aber, Schäferkordt, würde Bienen lutschen“. Doch der Lacherfolg im Publikum blieb weitgehend aus.

Sodann betonte Schäferkordt, dass trotz des Internets und des damit weit verbreiteten Video-on-Demand-Angebots immer noch das klassische Fernsehen auf dem Vormarsch ist und das „meist genutzte Medium“ ist. Im Schnitt werde von den Zuschauern täglich sagenhafte 225 Minuten lang Fernsehen geguckt. Obwohl TV-Haushalte durchschnittlich 86 Sender empfangen können, „eine Verdopplung in den letzten acht Jahren“, bleiben die meisten Zuschauer den angestammten Sendern von RTL, ARD/ZDF und ProSiebenSat.1 treu, die zusammen immer noch „80 Prozent des Marktanteils“ behalten haben, betonte Schäferkordt: „Fernsehen hat keinen Schnupfen“, sagte sie, vermutlich weil viele im Raum genau gegen den mit Taschentücher kämpften.

Dann ging es in medias res: Von den „Terms of Trade“ zwischen Sendern und Produzenten, um die die Produzentenallianz vor allem kämpft, halte sie „nichts“: „Wir wollen keine statischen Katalogkriterien“, begründete Schäferkordt. Vielmehr müsse immer „im Einzelfall“ ausgehandelt werden, wie viel Geld ein Produzent für die Entwicklung und Herstellung eines TV-Formats bekommen könne. Das sei beispielsweise auch abhängig vom Sendeplatz und von den wirtschaftlichen Zielen, die RTL mit dem jeweiligen Programm anstrebe. Man müsse flexibel sein.
Gleichwohl forderte Schäferkordt die Produzenten auf, kreativ zu sein und zusammen mit RTL neue Ideen zu entwickeln.

Zum Beispiel, so Schäferkordt, die in ihrer neuen Funktion dann wohl künftig neben de Posch auch die Produktionsfirmen der UFA kontrollieren wird, habe man es in Deutschland „bislang nicht geschafft ein Show Format zu kreieren, das auch auf dem internationalen Markt erfolgreich“ sei. Deutschland sei „zu abhängig von den internationalen Formaten“. Das müsse sich ändern. Dagegen hätten sich die Real Life-Formate wie zum Beispiel „Raus aus den Schulden“ erfolgreich gezeigt, lobte sie.

Im Bereich der Fiction sieht Schäferkordt „Chancen“ für deutsche Produktionen, „weil die US-Serien an Attraktivität verloren haben“. Aber, so schränkte sie ein: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass deutsche Serien amerikanische zu 100 Prozent substituieren können“. Man müsse versuchen, die Serien billiger zu machen. Zwar würde RTL teure Serien in der Art von „Alarm für Cobra 11“ oder „Dr. Diary“ nicht gleich ganz aus dem Programm streichen. Doch, so Schäferkordt, es müsse „eine stärkere Kreativität“ entwickelt werden, um auch für die Prime Time preiswertere und dennoch erfolgreiche fiktionalen Serien auf die Beine zu stellen.
Zum Punkt Kreativität und Formatentwicklung stellte Thies die Frage in den Raum, wer die denn im Vorlauf finanzieren solle?
Erika Butzek
(MB 03/12)