Am Ende zahlt immer der Benutzer

WebTV statt DVB-T – Das Internet als mediale Basisversorgung? Unter diesem Titel veranstaltete die Medienanstalt Berlin- Brandenburg (mabb) am 18. Juni ein Symposium.

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Am Ende zahlt immer der Benutzer

Weil auch die mabb von der Drosselungs-Ankündigung der Telekom in Bezug auf die Breitbandübertragung überrascht worden war, hatte sie kurzfristig auch einen Telekom-Vertreter zum Symposium eingeladen. Denn beim Thema „WebTV statt DVB-T?“ geht es auch um Netzneutralität und damit darum, wer den Netzausbau für Bewegtbildübertragung bezahlt. Ein anderer wichtiger Aspekt, der in der Schlussrunde des Symposiums diskutiert wurde, ist zudem die Frage, ob die Frequenzen für DVB-T in Zukunft überhaupt noch für Rundfunk zur Verfügung stehen.

Hintergrund: RTL hatte am 17. Januar bekannt gegeben, mit Auslauf der bestehenden DVB-T-Verträge zum 31. Dezember 2014 aus dem für Verbraucher kostenlosen Antennenfernsehen auszusteigen. Begründung war eine mangelhafte Planungssicherheit. Man würde zwar gerne bei DVB-T bleiben, dann aber die neue Variante DVB-T2 vorziehen, mit der auch eine Verschlüsselung für Programme in HD-Qualität wie bei der Plattform HD Plus möglich ist. Nur die Verschlüsselung würde „stabile ökonomische Rahmenbedingungen“ garantieren, sprich: Der Endkonsument kann zur Kasse gebeten werden. Es handele sich dabei aber um Investitionsvolumen „im mittleren zweistelligen Millionenbereich“, das nur sinnvoll wäre, wenn es eine Garantie dafür gebe, dass die für DVB-T genutzten Frequenzen auch langfristig dem Rundfunk vorbehalten blieben. Was RTL bezweifelt.

Mabb-Direktor Dr. Hans Hege hatte aus der RTL-Ankündigung die Folgerung gezogen, es würde sich ein Schneeballeffekt ergeben. Auch die Sender von beispielsweise ProSiebenSat.1 und ARD/ZDF würden sich entscheiden, aus DVB-T auszusteigen. Daran schloss er die Frage an, wie trotz des Wegfalls von DVB-T noch eine TV-Grundversorgung mit Free-TV erreicht werden könne? Und Hege regte an, als Alternative Free-TV im offenen Internet anzubieten. Zu diesem Zeitpunkt war aber noch nicht vorherzusehen, dass Telekom vorprescht und perspektivisch die Nutzung von Bewegtbildern im Internet insoweit einschränkt, dass ab einem bestimmten bereits genutzten Datenvolumen Extra-Kosten auf Seiten des Nutzers entstehen. Weil somit die aktuell noch bestehende Netzneutralität langfristig ausgehebelt würde, wäre auch Free-TV im offenen Internet gar nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Zumal, darauf wies Karl-Heinz Laudan, Vice President Spectrum Policy [&] Projects, Deutsche Telekom, im Symposium hin, die Videos der Google-Tochter YouTube so rege genutzt werden, dass „für TV-Anbieter nichts mehr übrig bleibt“. Bereits bevor die Drosselungspläne der Telekom bekannt geworden waren, hatte Hege Studien zur Sachlage in Auftrag gegeben, die insbesondere ermitteln sollten, ob ein Umstieg von DVB-T auf WebTV in Ballungsgebieten wie Berlin machbar ist. Hege ging es um die Frage, „ob und wann das Internet, und zwar in seiner offenen Form ohne Abonnements und Zusatzentgelte, das ersetzen kann, was DVB-T heute noch ist und wohl eine Weile noch sein wird: Eine sozialverträgliche Mindestversorgung.“

Zumindest eine der Studien, deren Ergebnisse auch im Symposium vorgestellt wurden, beantwortete die Frage negativ. So hat die Studie von mediareports Prognos neben den Erkenntnissen zur DVB-T-Nutzung in Berlin (408.000 DVB-T-Haushalte, davon 264.000 DVB-T-Only-Haushalte, davon 82.000 Haushalte aktuell noch ohne Breitbandanschluss) ergeben, dass unter Berücksichtigung der Einkommens- und Altersstruktur etwa 49.000 DVB-T-Only-Haushalte in Berlin einen Wegfall von DVB-T nicht kompensieren könnten. Die restlichen 33.000 Haushalte, die momentan ausschließlich DVB-T für die Fernsehversorgung nutzen, sollten zwar in der Lage sein, sich eine WebTV-Alternative zu schaffen. Kommen diese Haushalte zu den 182.000 DVB-T-Only-Haushalten mit Breitbandanschluss hinzu, müsste aber das Berliner Breitbandnetz den zusätzlichen WebTV-Datenverkehr tragen und es könnte zu Überlastungen kommen. Zudem sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwei Punkte problematisch: Über die Hälfte des aktuellen DVB-T-Programmangebots ist nicht als kostenloses WebTV verfügbar und eine komfortable Lösung dafür, wie der WebTV-Stream auf dem Fernsehgerät sichtbar wird, ist auch noch nicht gefunden worden.

Entsprechend hat Hege seine Position zur Frage „WebTV statt DVB-T?“ mittlerweile differenziert. Gleichwohl ist er sich sicher, dass es „in vier bis fünf Jahren“ einen kompletten Ausstieg aus DVB-T geben werde. Es ginge nun darum, „mit dem Blick nach vorne“, den Ausstieg „vernünftig zu organisieren“ und einen neuen Weg zu finden, sagte er auf dem Symposium, in der Diskussionsrunde um „die Zukunft der Netze“. Michael Moskob, Leiter Regulierung und Public Affairs, Media Broadcast, stellte selbstredend fest: „Wir glauben nach wie vor an DVB-T“. Er wies in diesem Zusammenhang auf die für DVB-T-Nutzer kostenlose Multithek hin, ein neuartiges, auf dem HbbTV-Standard basierendes TV-Erlebnis, das TV und Internet miteinander verknüpft. Zudem geht Moskob davon aus, dass DVB-T2 ab 2016/17 zum Zuge kommen werde

Jörg Meyer Vice President Content Consumer, Zattoo International, griff Telekoms Drosselungspläne eher nur behutsam an. Obwohl Zattoo gerne als Trittbrettfahrer von YouTube bezeichnet würde, verhalte es sich ganz anders. Tatsächlich sei der größte Kostenposten bei Zattoo schon heute der Einkauf von Bandbreite bei der Telekom. Problematisch werde die Sache allerdings, wenn Zattoo dann noch zusätzliche Verträge mit beispielsweise allen Kabelnetzbetreibern wie etwa auch Primacom, Telecolumbus oder auch noch den Kölner Stadtbetrieben machen müsse. Ein solches Vertrags-Management sei nicht durchführbar und unrealistisch. Die Netzneutralität müsse sichergestellt werden, damit kleineren Internet-Anbietern die Chance erhalten bleibe, innovativ im Markt zu sein. Die Frage, was passieren würde, wenn DVB-T abgeschaltet werde, tangierte Meyer als Internetanbieter nicht sonderlich. Man werde überrascht sein, sagte er, wie schnell dann eine neue Lösung gefunden werde.

Auch Dr. Annette Schumacher, Kabel Deutschland Vertrieb und Service GmbH, räumte ein, sich in Sachen DVB-T oder WebTV eher zurückzulehnen. Die KDG würde alles bieten, „man kann bei uns auch ausschließlich Internet gucken – auch Zattoo“. Doch der Konsument wolle in erster Linie lineares Fernsehen als erstklassigen Rundfunk empfangen. Zwar habe die Telekom, was ihr Vertreter Laudan zuvor selber eingeräumt hatte, die Diskussion über Netzneutralität in der Kommunikation besser anstoßen können, aber, so Schumacher: „Es ist eine Diskussion, die geführt werden muss“. Und sie hakte noch einmal nach: “Soll wirklich YouTube umsonst über unsere Netze verbreitet werden?“ Man werde Modelle finden müssen, wie das Netz bezahlbar sein werde. „Es ist keine Frage, dass bezahlt werden muss. Aber am Ende zahlt immer der Benutzer“, weiß sie.

Hege resümierte schließlich, dass das Internet nach DVB-T zwar eine Perspektive sei, aber keine ausschließliche, weil die Sache „zu komplex“ sei. „Die Inhalteanbieter sind der Schlüssel“, sagte er, womit eine Überleitung zur Schlussrunde gegeben war, in der es um die Frage ging, welche Distributionsstrategien die Sender verfolgen und welche Rolle das offene Internet dabei spielt?

Eva-Maria Sommer, Referentin Medienpolitik, Mediengruppe RTL Deutschland, bekräftigte die Entscheidung des Unternehmens aus DVB-T auszusteigen. Denn 2020, so erwartet sie, könnten die heute noch benutzten DVB-T-Frequenzen schon weg sein. Schließlich seien konkrete Aktivitäten der Bundesnetzagentur bekannt geworden, diese als Dividende 2 zu verplanen. Was auch Heiko Zysk, Vice President Govermental [&] Head of European Affairs, ProSiebenSat.1, bestätigte: Die Frequenzen sollen versteigert werden. Offensichtlich sei der Bundesnetzagentur das mobile Internet wichtiger als der Rundfunk. Man könne ja aber perspektivisch auch beides miteinander verbinden, meinte er. ProSiebenSat.1, so erklärte Zysk, habe sich das Datum 2018 gesetzt, bis wann man auf dem Marktplatz ausloten wolle, was man alternativ zu DVB-T sinnvoll machen kann, um dem Konsumenten eine Alternative zu bieten. Indessen betonte Sommer, RTL habe die DVB-T-Diskussion voran gebracht, „weil wir wollen, dass diese Frequenzen für den Rundfunk erhalten bleiben“. Wenn sich wieder etwas ändert, würde man die aktuelle Entscheidung neu anpassen. Sommer bestritt, dass es bei RTL eine Verknüpfung zwischen dem Ausstieg bei DVB-T und dem Einstieg bei Zattoo gebe. Hauptgrund für den Ausstieg sei nach wie vor, dass es keine Planungssicherheit gebe, wofür man einen Zeitrahmen von mindestens zehn Jahre brauche.

Indessen kündigte Dr. Andreas Bereczky, Produktionsdirektor ZDF, an, dass man plane, ab 2016 auf DVB-T2 umzusteigen. Man wolle bis dahin einen Konsens mit Marktpartner finden. Zudem brauche man etwa zwei Jahre, um den Umstieg gegenüber den Konsumenten kommunizieren zu können. Ob DVB-T oder Web-TV, Gretchenfrage sei immer, welche Anwendung man mit welcher Technologie anbieten wolle. Im Internet als Punkt zu Punkt-Verbindung sei primär VoD beziehungsweise das Mediatheken-Angebot nach dem Motto „Sendung verpasst?“ angebracht. Keinesfalls könne das Internet aber Broadcast und lineares Fernsehen ersetzen. Niemand wisse heute, ob und zu welchem Zeitpunkt es einmal möglich werde, 20 Millionen Zuschauer zur gleichen Zeit über das Internet zu erreichen. Immerhin erreiche allein DVB-T aktuell vier bis fünf Millionen Zuschauer. Und man könne „eine existierende Infrastruktur nicht abschaffen, solange es keine Alternative dafür gibt“.
Erika Butzek
(MB 07/08_13)

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