Wie sehr die Veranstaltung, aber auch die weltumspannende Digiconomy expandiert ist, das zeigte auch die räumliche Ausdehnung. Da die drei bisherigen Hallen nicht mehr ausreichten, hat die dmexco in diesem Jahr erstmals eine vierte Halle geöffnet. Dabei waren alle wichtigen Marken und die führenden Unternehmen vertreten. Beispielsweise Adobe, Amazon, Aol, Axel Springer, eBay, Facebook, Mozilla/Firefox, Fox, Google, IBM, Mediabrands, Medialink, Mediacom, Microsoft, Oracle, PayPal, Rakuten, SAP, Shazam, Spotify, Twitter/Periscope, Yahoo und Yandex. „Vor allem bei den Unternehmen aus dem Broadcasting-Bereich verzeichnen wir einen internationalen Wachstumsschub“, betonte Veranstalter Frank Schneider. Sein Kollege Christian Muche ergänzte: „Das sind etwa Beet.tv, Discovery Channel, DMAX, TLC (The Learning Channel/USA), Eurosport, Huffington Post, Focus, Furious Minds, IP Deutschland (RTL), SevenOne Media (Pro7Sat1) und Sky. Aber auch globale Agentur-Netzwerke wie GroupM, Annalect Group, Dentsu Aegis und IPG Mediabrands sind neben ihren Agentur-Brands in der dmexco Agency Lounge mit einem eigenen Stand auf dem Expo-Gelände präsent.“ Insgesamt repräsentierten die auf der dmexco vertretenen globalen Media Agency Networks Budgets in Gesamthöhe von weit mehr als 200 Milliarden Euro.
Wachstum geht weiter
Welche Potenziale sich in der neuen digitalen Ära für das Digital Business ergeben, präsentierte BVDW-Präsident Mathias Wahl. Er wies auf 133 Milliarden Euro Umsatz, die die Branche in diesem Jahr mit rund 500.000 Beschäftigten erwirtschaften werde: „Und mit fast 1,7 Milliarden Euro Umsatz wird der Markt für Onlinewerbung im Jahr 2015 voraussichtlich wieder signifikant wachsen.“ Er war sich sicher: „Alles, was vernetzt werden kann, wird vernetzt werden.“
Trotz der positiven Entwicklung appellierte Wahl an die politisch Verantwortlichen, die digitale Infrastruktur besser zu fördern: „Die Bundesregierung hat jetzt zwei Milliarden Euro dafür bewilligt. Doch angesichts der benötigten 80 Milliarden Euro ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Überhaupt sei die Verbesserung von Rahmenbedingungen eine wichtige Baustelle, um Startups als Innovationsträger bessere Bedingungen zu gewähren: „In den USA sind die zehn reichsten Menschen Gründer, die zehn reichsten Deutschen sind Erben.“ Ebenso wies er auf die Herausforderung hin, einfache Regeln für einen grenzübergreifenden Handel zu schaffen: „EU-Kommissar Günther Oettinger ist dabei ein treibende Kraft.“ Eine neue einheitliche Datenschutzrichtlinie schließlich sei ebenfalls unabdingbar: „Die letzte stammt von 1995.“
Die weiteren Zahlen, die der Online-Vermarkterkreis (OVK) im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) in Köln veröffentlichte, gaben aber ansonsten keinen Grund zur Besorgnis. Demnach wird das Segment Online-Werbung 2015 ein fast so großes Volumen wie TV-Spots erzielen.
Mobile kommt in Fahrt
Auch das lange erwartete Wachstum im Mobilbereich habe nunmehr eingesetzt. Bisher zogen trotz der gestiegenen Nutzung von mobilen Endgeräten die Werbeeinnahmen nicht nach.
Demgegenüber wären allein im Juni Umsätze von 14,9 Millionen Euro gemeldet worden. Für das Gesamtjahr rechnete der OVK-Sprecher Oliver von Wersch mit einem Umsatz für Mobilwerbung von 201 Millionen Euro – 50 Prozent mehr als im Vorjahr: „Vor allem der Handel hat dazu beigetragen. Er hat seine Ausgaben für mobile Werbung fast verdreifacht.“
Die Umsätze mit digitaler Display-Werbung sollen in diesem Jahr um 6,5 Prozent auf 1,684 Milliarden Euro wachsen. Das würde einer Wachstumsrate wie im Vorjahr entsprechen. Zusammen mit dem Suchmaschinenmarketing erreicht der Onlinemarkt 27,6 Prozent der gesamten Werbeumsätze in Deutschland und liegt damit nur noch einen Prozentpunkt hinter der TV-Werbung, aber vor den Umsätzen von Hörfunk, Tageszeitungen und Außenwerbung. Parallel dazu präsentierten SpotX und IHS in Köln eine Studie über den Online-Werbevideomarkt, der zufolge Online-Werbevideo in Deutschland 2015 331 Millionen Euro wert sei. Die Studie prognostizierte die Entwicklung auf dem europäischen Markt und veranschlagt für ganz Europa im Jahr 2020 3,8 Milliarden Euro, die nur für Werbeplatzierungen von Online-Video fließen werden.
Immer mehr Video-Aufrufe
Die Vermutung vieler Fachleute während der Messe, dass im nächsten Jahr verstärkt mit einer Spezialisierung von Mobile-Videos gerechnet werden kann, erhielt zusätzlich Auftrieb durch verschiedene Studien. So vermeldete Ooyala, eine Videoplattform- und Adserver-Anbieter, dass 49 Prozent aller Videospot-Impressions bei Medienunternehmen in diesem Quartal über mobile Geräte erfolgten. „Dies ist eine Steigerung um elf Prozent verglichen zum ersten Quartal 2015“, heißt es in dem Report, der außerdem zeigt, dass inzwischen 44 Prozent aller Online-Videoaufrufe von mobilen Geräten aus erfolgen. Diese beiden Trends deuten in der Sicht von Ooyala darauf hin, dass Werbetreibende ihre Budgets verschieben, um dem Anstieg mobiler Betrachtungen entsprechen zu können und um einer neuen Generation von Fernsehzuschauern Content auf mobilen Geräten bequemer zugänglich zu machen.
Die Untersuchung weist zudem darauf hin, dass seit dem zweiten Quartal 2012 die Zahl der mobilen Betrachtungen jährlich um 111 Prozent gestiegen sei. Demnach erreichen sie ihren vorläufigen Höhepunkt nun mit 44 Prozent aller Online-Aufrufe im zweiten Quartal 2015: „Dieses Wachstum bedeutet einen beachtlichen Anstieg um 844 Prozent seit 2012. Im zweiten Quartal 2015 ist das Wachstum damit aber auch erstmals im einstelligen Bereich. Dennoch deutet alles auf ein zweistelliges Wachstum im Jahresvergleich.“ Der Hauptgrund für die steigenden Online-Aufrufe wird in der zunehmenden globalen Marktdurchdringung von Smartphones und Tablets gesehen.
Der Ooyala Report zeigt auch, dass in diesem Quartal mit Smartphones acht Mal mehr Videos abgespielt wurden als mit Tablets. Die dort erhobenen Daten legen nahe, dass bis Ende des Jahres die Hälfte aller Online-Videos auf mobilen Geräten gestartet wird. Dies liegt vor allem an größer werdenden Smartphone-Bildschirmen, an Betrachtern, die immer häufiger längeren Premium-Content sehen und an Mobilfunkanbietern, die diesen Content verstärkt in ihr Angebot aufnehmen.
Herausforderung Ad-Blocker
Doch der Optimismus ist nicht ungetrübt. Zum einen ist ein Verfall bei den Preisen für Banner- und Popup-Werbung zu beobachten. Und zum anderen versuchen immer mehr Internetnutzer die digitale Werbung zu umgehen, indem sie Ad-Blocker einsetzen. Auch dazu hat der OVK eine Erhebung durchgeführt.
Ergebnis: Mehr als 21 Prozent der Online-Werbung wird geblockt, der Adressat bekommt die Reklame erst gar nicht zu Gesicht, sie läuft ins Leere. Der stellvertretende OVK – Vorsitzende Oliver Wersch kritisierte diese Entwicklung folgendermaßen: „Offensichtlich fehlt bei weiten Teilen der Nutzerschaft immer noch das Bewusstsein für die Bedeutung von Werbung für die Refinanzierung kostenfreier Angebote im Internet.“ Die Besorgnis der Werber und Medien über das neue Betriebssystem iOS9, das der iPhone-Konzern Apple im Herbst einführen möchte, war auf der dmexco ebenfalls spürbar. Dann kann Werbung auch über den vorinstallierten Safari-Browser blockiert werden. „Der werbetreibenden Industrie wie der Medienwirtschaft wird damit ein erheblicher Schaden zugefügt“, bewertete von Wersch die Initiative des US-Konzerns. „Wird die Refinanzierbarkeit von digitalen Angeboten über Werbung eingeschränkt, wird dies sicher auch negative Auswirkungen auf die mediale Meinungsvielfalt haben.“
Das Internet der Dinge…
…hatte dieses Jahr in der Domstadt als Schwerpunkt ein besonderes Gewicht. Ein Anzeichen dafür unter vielen dort war die Premiere des neuen BMW 7er Modells: komplett vernetzt parkt das Fahrzeug beispielsweise komplett ohne Einwirkung eines Fahrers ein. Zum Thema Connected Car präsentierte auch die Düsseldorfer Firma Valtech ihre Entwicklungen, etwa eine App, mit der alle Fahrzeugdaten von Zuhause aus abgerufen werden können.
„Früher ging es darum, das Internet ins Automobil zu bringen – heute wird das Connected Car zu einem Knoten im Internet der Dinge“, erklärte Geschäftsführer Andreas Peters, „im Mittelpunkt stehen Services wie vorausschauende Wartung, Flottenmanagement, Sicherheit und Convenience.“
Am Stand der Düsseldorfer wurde auch ein Produkt-Info-Display bereit, das im Innovationslab der Agentur entstanden ist. Am Beispiel eines mit Bewegungssensoren ausgestatteten Sportschuhs zeigte Valtech, wie das Internet der Dinge im Handel eingesetzt werden kann. Dabei wird der Schuh zum Navigations-Device. Der Kunde nimmt den Sneaker in die Hand, fühlt Material und Gewicht und navigiert sich damit zu den Produktinformationen, die ihn interessieren. Die Angaben erscheinen via Overlay auf einem Wanddisplay. So werden beispielsweise durch das einfache Schütteln des Schuhs die verfügbaren Farben des Produkts auf dem Display angezeigt. Möglich machen dies gerenderte 3D-Modelldaten für die Visualisierung der jeweiligen Produkte und die Verbindung zu den Sensoren sowie eine handelsübliche Grafikkarte samt Rechner.
Wilfried Urbe
MB 7/2015
© Dmexco