Höhere Werbekosten bei sinkenden Marktanteilen

Gute viereinhalb Milliarden Euro zahlt die Industrie jährlich, um ihre Werbebotschaft in den klassischen TV-Sendern zu platzieren. Mit den zweitägigen ScreenForce Days in Köln versuchen 40 private und öffentlich-rechtliche Sender ihre Attraktivität für die Werbeindustrie zu steigern. Das ist nötig. Schließlich entwickelt sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis immer mehr zu Ungunsten der Werbungtreibenden.

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Höhere Werbekosten bei sinkenden Marktanteilen

Rund 2.000 Fachbesucher informierten sich auf den Screenforce Days 2017 in Köln über die Programmangebote der kommenden Saison und ihre Relevanz für die Werbung. TV-Stars wie Stefan Raab und Yvonne Catterfeld präsentierten die neuen Programme und auf der Abend-Party sorgten „Die Fantastischen Vier“ für Stimmung. Die Werbetreibenden, die das Spektakel letztlich bezahlen, verfolgten den Auftrieb mit einer gewissen Skepsis.

Denn während die Werbepreise immer teurer werden, gehen die Einschaltquoten im Fernsehen immer mehr zurück. So haben die drei großen Privatsender – RTL, ProSieben und Sat.1 – im Jahr 2016 bei der Zielgruppe der 14- bis 49-jährigen Zuschauer, die früher das Maß aller Dinge für die werbetreibende Industrie sein sollte, gemeinsam einen Marktanteil von 31,9 Prozent erreicht. Noch 2011 lag dieser Wert bei 40,7 Prozent.

Am 14. Juni beispielsweise war die Nachrichtensendung „RTL Aktuell“ die erfolgreichste Sendung beim Kölner Privatsender: mit insgesamt 2,31 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 16 Prozent beim Gesamtpublikum. Da die Konsumenten der Privaten immer älter werden, hat RTL die werberelevante Zielgruppe vor wenigen Jahren auf den Altersbereich von 14 bis 59 Jahre ausgeweitet, so dass die „RTL Aktuell“-Sendung vom Mittwoch in dieser Altersklasse immerhin auf 18,6 Prozent kam.

Aber inzwischen schauen nur noch etwas mehr als die Hälfte aller Zuschauer die großen acht Vollprogramme. „Wir sehen es seit Jahren sehr kritisch, dass die Nettoreichweiten sinken und wir immer mehr Geld ausgeben müssen, um das gleiche Publikum wie früher zu erreichen“, kritisiert Uwe Storch, stellvertretender Vorsitzender der Organisation Werbetreibende im Markenverband.

Noch drastischer in seiner Beurteilung wird Ex-RTL-Chef Helmut Thoma: „Das ist eigentlich eine ganz schlimme Situation. Weil sich niemand darum gekümmert hat, dass sich drei große Mediaagenturen über 90 Prozent der Einnahmen des Fernsehens teilen, der zum größten Teil von den beiden großen privaten Sendergruppen stammt.“ Die Firmen GroupM, Dentsu Aegis und Omnicom haben am Gesamtwerbemarkt (Print, TV, Radio, Online) einen Anteil von 75 Prozent.

Eine Mediaagentur ist so etwas wie ein Vermittler zwischen Medien und Werbetreibenden: Sie schalten und verwalten im Auftrag der Werbetreibenden deren Werbung. Beim Privatfernsehen arbeiten sie vor allem mit der RTL- und der ProSiebenSat.1-Gruppe zusammen, wo der Großteil der TV-Werbebudgets hingeht – Big Player unter sich. Und die sind sich einig, so Thoma: „Obwohl sich die Reichweite im TV ungefähr halbiert hat, zahlt die Werbeindustrie heute das 15- bis 20fache von dem, was sie 1988 bezahlt hat.“

Thomas Einschätzung wird auch von Jürgen Brautmeier, dem früheren Direktor der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, geteilt: „Dass bei diesen wenigen Playern dem Werbemarkt Bedingungen diktiert werden können, das ist eine realistische Einschätzung.“ Dass die TV-Werbezeiten überteuert sind, sehen die Sender anders. „Im Schnitt nutzen Menschen in Deutschland täglich 572 Minuten Medien und Medienübertragungswege“, sagt Marcus Prosch vom ProSiebenSat.1-Werbezeitenvermarkter SevenOne Media. „Dabei ist Fernsehen nach wie vor das beliebteste und meistgenutzte Medium. In der Zuschauergruppe ab 14 Jahren entfällt fast die Hälfte der täglichen Mediennutzung auf TV.“ Mit den Screenforce Days wollten sich die TV-Vermarkter von ARD, RTL, ProSiebenSat.1, RTL II, Disney, Sky, Sport1 und anderen deshalb nach längerer Unterbrechung erstmals wieder gemeinsam präsentierten und angesichts sinkender Zuschauerzahlen und bedrohlicher Konkurrenz aus dem Internet die Geschlossenheit und Attraktivität der klassischen TV-Sender zur Schau stellen. Vorgängerveranstaltung war die 2004 eingestellte Telemesse.

Die Screenforce Days 2017 fanden in Studio 30/31 der Kölner MMC Studios auf einer Fläche von über 16.000 Quadratmetern statt. Dort war eigens für den Event eine Tribüne für 1.600 Zuschauer errichtet worden. Umrahmt war die Bühne von einer riesigen, 310 Quadratmetergroßen LED-Wand mit einem Pixel-Abstand von 3,9 Millimetern.

Wilfried Urbe

MB 3/2017

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