Die Interessen von IT- und Medienmanagern zu vereinigen, ist allerdings ein dorniger, mit viel Geld gepflasterter Weg. Das jedenfalls brachte die Auftaktveranstaltung „Film meets IT“ im Ergebnis ans Tageslicht, die am 30. März im historischen Saal des Filmorchesters Babelsberg statt gefunden hat. Es ging um die Frage „Hollywood digital: Was kann IT für einen erfolgreichen Filmstandort Babelsberg tun?“
Auf der Roten Couch hatten Dr. Carl L. Woebcken, Vorstandsvorsitzender Studio Babelsberg AG und Jens Tamm, Country Manager von Interoute in Deutschland und Österreich, gemeinsam Platz genommen. Befragt wurden sie von Ernst Feiler, Head of Technolgoy der Grundy UFA TV Produktions GmbH. Feiler versuchte nicht weniger als einen „Brückenschlag zweier Kulturen“ zu moderieren. Die Kommunikation zwischen IT- und Medienfachleuten käme ihm in der Regel „wie die Kommunikation zwischen Cowboys und Indianer“ vor, „es fehlen Dolmetscher“, sagte er. „Dass beide Branchen eine gemeinsame Sprache finden und die Zukunft auch miteinander und nicht nebeneinander erfolgreich gestalten, dazu will die Rote Couch-Gesprächsreihe in Zukunft beitragen“, hatte in der Einladung zur Veranstaltung gestanden.
Tatsächlich tummeln sich in der Region mit zum Beispiel Interoute, dem Hasso Plattner Institut, IBM oder eBay einerseits und andererseits dem legendären Filmstudio Babelsberg, der UFA, dem rbb und vielen TV-und Film-Dienstleistungsbetrieben eine Vielzahl IT- und Medienunternehmen, die aber ein paralleles Wirtschaftsleben am Standort führen.
Komplexer Hintergrund
Wer genau ist Interoute? Das Unternehmen besitzt und betreibt nach eigenen Angaben das dichteste Sprach- und Datennetzwerk innerhalb der europäischen Union, wozu auch ein 60.000 Kilometer langes Glasfasernetz gehört. Zu Interoute gehört ein Next Generation Netzwerk, das sich von London nach Warschau, von Stockholm bis Sizilien und in die Türkei erstreckt und das gleichzeitig mit den wichtigsten nordamerikanischen Telekommunikationsknoten verbunden ist. Zu seinen Kunden zählt das Unternehmen neben den großen Telekommunikationsunternehmen viele verschiedene Wirtschaftsbranchen von den Berliner Flughafenbetrieben, Nintendo bis Rossmann und hat in London, wie Tamm auf der Roten Couch erwähnte, auch Erfahrungen bei der Vernetzung von Postproduktionsunternehmen im Filmbereich gesammelt. Eines seiner weltweit acht Rechenzentren hat Interoute im brandenburgischen Städtchen Kleinmachnow aufgebaut, das zwischen Berlin und Potsdam liegt.
Das Filmstudio Babelsberg hingegen hat sich bekanntlich als Koproduzent und Dienstleister für Hollywoodproduktionen in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht, die auch mit Hilfe des Deutschen Filmfonds an den Standort gelockt werden. So ist Woebcken in den vergangenen Jahren auch immer wieder mit dem hohen Level der digitalen Hollywood-Postproduktion und ihrem schnellen Datenaustausch über große Distanzen in Berührung gekommen. Seine Versuche, eine Postproduktion als Service am Standort zu binden, die dem Hollywood-Standard gerecht wird, sind bislang aber mehr oder weniger gescheitert.
Erst kürzlich ist das Postproduktionsunternehmen Pixomondo, das visuelle Effekte auch in 3D erstellt, von Babelsberg nach Berlin-Kreuzberg gezogen, weil, so die Begründung, die Anbindung des Babelsberger Geländes an das Datennetz nicht ausreichend und obendrein zu teuer sei. Babelsberg hat, wie man es nennt, einen „Knebelvertrag“ mit der Telekom an der Backe, der weiland noch vom ehemaligen Studio Babelsberg-Besitzer Vivendi unterzeichnet wurde, und noch bis 2014 gilt. Unzufrieden mit Preis und Leistung seien viele Mitarbeiter kleinerer Unternehmen am Standort Babelsberg dazu übergegangen, wie es bei der Diskussion hieß, „nach Feierabend ihre Festplatten mit nach Hause zu transportieren, um die Daten dort hoch zu laden“. Denn in Berlin sei „die Upload-Geschwindigkeit um einiges höher als in Potsdam-Babelberg“.
Unterschiedliche Berechnungsgrundlagen
Was kann nun Interoute-Geschäftsführer Tamm in dieser Situation für Babelsberg tun? Zumal Telekom zu den Interoute-Kunden zählt, wundert es nicht, dass Tamm bestritt, die Telekom-Kosten würden zu teuer sein. Im Klartext: Preiswerter als Telekom will Interoute wohl nicht sein. Auch konnte Tamm kein Sprachproblem zwischen sich und Filmschaffenden erkennen. Vielmehr räumte er ein, selber die echten Informatiker in seinem Unternehmen auch nicht verstehen zu können, was sein pragmatisches Management-Geschäft aber offensichtlich nicht behindert. Woebcken räumte ähnliches ein. Er habe auch „keinen Überblick zu der neuesten SW“, die für Postproduktion auf dem Markt sei, die Benutzeroberflächen seien mittlerweile „sehr komplex“. Überhaupt wurde in der Diskussion, die Inkompatibilität von unterschiedlichsten, viel zu vielen Standards in der SW für die Postproduktion beklagt.
Gleichwohl forderte Tamm von Woebcken, eine genaue Darstellung des Daten- und Speichervolumens vorzulegen, das für den Standort erforderlich sei. Man müsse wissen, „um was es geht“. Nur dann könne Interoute seine Leistung kalkulieren. Wobei Tamm gleichzeitig prophezeite, dass mehrere Firmen – wie etwa zusätzlich DreamWorks, IBM und verschiedene klein- und mittelständische Unternehmen der Region gemeinsam an den Tisch müssten, um die Anbindung an das große Rechner- und Datenübertragungsnetz von Interoute finanzieren zu können. Das sei nämlich sehr teuer. Grundsätzliches Problem von Studio Babelsberg und Postproduktionsunternehmen im Filmbereich am Standort ist, dass die Speicher- und Datenübertragungsleistungen nicht kontinuierlich, sondern unterschiedlich und je nach dem Bedarf der unterschiedlichen Filmprojekte gebraucht werden. Der Bedarf ist im stetigen Wandel, von Projekt zu Projekt sowie seinen Anforderungen an Animation, Effekten oder gar 3D. Tamm hingegen möchte für die Interoute-Leistung kontinuierlich, Monat für Monat, Cash einziehen.
Hier liegt nicht unbedingt ein Sprachproblem vor. Vielmehr gelten unterschiedliche Rahmenbedingungen, einerseits als Grundlage für die Wirtschaftlichkeit des Filmbusiness, andererseits für die Berechnung von IT-Leistungen. Eine grundsätzliche Verständigung darüber tut natürlich not. Und hier muss dann doch die gemeinsame Sprache gefunden werden.
Als Lösung des Problems, die der Aufrechterhaltung der Attraktivität des Standorts in der digitalen Zukunft dienen könnte, stellt sich Woebken eine Hilfestellung seitens der Politik in Form eines „subventionierten Incentives“ vor. Sicher sei, so Woebcken, dass Speicher- und Archivierungskapazitäten „wichtig sind, um in Zukunft vorne in der internationalen Filmproduktion dabei zu sein“. Man wolle versuchen, das Hasso Plattner Institut davon zu begeistern. Dies bot immerhin wie auch eine Vertreterin von IBM eine Hilfestellung an.
Nach Prognose von Cisco Systems, die Feiler zitierte, werden im Jahr 2015 zirka 90 Prozent des Internet-Traffics aus audiovisuellen Inhalten bestehen. Damit und durch die Umstellung auf filebasiertes Arbeiten in der Film- und TV-Produktion ist klar, dass das von Film- und TV-Unternehmen zu bewältigende Datenvolumen in Zukunft noch drastisch zunehmen wird: bei der Speicherung, Archivierung und im Workflow über dezentrale – bisweilen international verteilten – Arbeitsplätzen. Wer im zunehmend weltweiten Wettbewerb der audiovisuellen Produktion und Distribution mitmischen will, ist auf schnelle Datenleitungen angewiesen.
Vor diesem Hintergrund sollte nach Vorstellungen der Medien Bildungsgesellschaft Babelsberg am Standort eine neuartige Art IT-Backbone, ein „Kompetenzzentrum Digitalisierung“, errichtet werden. Sie ist am Standort schon seit einigen Jahren unter anderem mit der Veranstaltungsreihe „HD at Work“ zum Thema IT und Medien aktiv und betreut als Konsortialführer zusammen mit dem Hasso Plattner Institut ein vom Bundeswirtschaftsministerium für Wirtschaft im Rahmen des Theseus Programms, „Internet der Dienste“, gefördertes Projekt zur Transformation der Bewegtbildarchive ins digitale Zeitalter.
In den von der Medien Bildungsgesellschaft Babelsberg geplanten weiteren Gesprächsrunden der Reihe „Medien und IT“ soll es demnächst um die Rolle von IT für TV, für audiovisuelle Archive – und last but not least um die Relevanz von IT im Rahmen der Ausbildung von Film- und TV-Schaffenden gehen.
Erika Butzek
(MB 05/11)
IT-Backbone für Babelsberg
Schön wäre es, wenn Medien- und IT-Experten dieselbe Sprache sprächen und so auf optimale Weise gemeinsame Ziele und Realisierungsmöglichkeiten entwickeln könnten. Zum Beispiel, um den Medien- und IT-Standort Potsdam-Babelsberg in der digitalen Welt zukunftssicher aufstellen zu können. Das nannte Andreas Vogel als Ziel, der als Chef der Medien Bildungsgesellschaft Babelsberg zusammen mit der media.connect brandenburg eine vierteilige Gesprächsreihe zum Thema Medien und IT am Standort veranstaltet.