Da gab sich Uwe Storch, Head of Media der Ferrero Deutschland GmbH, regelrecht provokant, der für seine Keynote zur Zukunft von TV und Video, neudeutsch Bewegtbild, den imaginären Dialog mit seiner Tochter wählte. Die hinterfragte konsequent aus Teenagersicht die noch immer sehr traditionelle Planungspolitik der Werbeausgaben ihres Vaters für seine Firma, die noch immer den Löwenanteil ihres Budget ganz klassisch im Fernsehen investiert und damit, so zugespitzt die Meinung der Tochter, versandet.
Neu war es nicht gerade, was der „Mediaspender“ da vorbrachte, aber dennoch revolutionär und provokant – zumindest, wenn man ins Kalkül zieht, wer diese Positionen vertrat (bislang hörte man das eher auf der Seite der mild belächelten Online-Community) und vor allem vor wem! Wie gesagt, die Argumente an sich sind hinlänglich bekannt: Die Zielgruppe verbringt heute viel mehr Zeit vor anderen Bildschirmen als dem Fernseher, wo man seine Zielgruppe gar nicht so genau kennen kann. Kurz die Werbung treibende Industrie versenkt ihre Budgets zunehmend ohne Wirkung.
Storch illustrierte das durchaus mit interessanten Zahlen und Beispielen. So müsse selbst bei großen Eventprogrammen heute in Relation ein deutlich höherer Preis bezahlt werden, um die gleichen Kontakte zu generieren als vor zehn Jahren, da die Marktanteile heute geringer seien. Um Werbewirkung zu erhöhen, ginge man heute direkt in die Programme hinein, etwa durch Product Placement, aber auch das sei sehr teuer und extrem aufwendig. Außerdem fehlten bislang Erfahrungen damit. Aus all dem leitet er klare Forderungen ab: „Wir haben noch immer die alten „Pricing-Modelle“, die heute nicht mehr richtig greifen wollen. Hier müssen wir uns zusammensetzen und tragfähige Alternativen entwickeln.“
Bei Martin Krapf, Geschäftsführer IP Deutschland GmbH, löste diese Haltung der Tochter, vor allem aber auch des Vaters Verwunderung aus: „Wenn das alles so schlecht ist, was das Fernsehen macht, dann müssen Sie Ihre Gelder anders einsetzen. Das tun Sie aber nicht, denn Sie brauchen das Fernsehen, weil es nach wie vor alleine in der Lage ist, eine breite Masse an Kontakten zu erreichen.“ Dem wollte Storch dann doch nicht widersprechen. Es sei nur seine Absicht gewesen, auf die immer dringlichere Notwendigkeit einer Lösung der neuen Aspekte hinzuweisen.
Marco Bergmann, Geschäftsführer WerbeWeicher GmbH [&] CoKG, dem deutschen Werbezeitenvermarkter in Kinos, hingegen freute sich über die Umbruchsituation. „Wir haben jetzt den Vorteil, dass die Leute bei uns nicht von anderen Medien abgelenkt werden oder andere parallele Tätigkeiten machen. Sie kommen um einen Film zu sehen! Deshalb erfreuen wir uns wieder an steigendem Interesse der Werbekunden.“ Für das laufende Jahr wird er etwas später eine Wachstumsprognose von 25 bis 30 Prozent abgeben, zumindest für dann, wenn die Konjunktur nicht durch eine Griechenpleite einen Dämpfer bekommt. Das sind Zahlen, von denen andere Werbeplattformen aktuell nur träumen können.
Optimismus bei TV-Vermarktern
Trotzdem strotzen auch die klassischen TV-Vermarkter vor Optimismus. Thomas Wagner, Vorsitzender der Geschäftsführung SevenOne Media GmbH, etwa sieht in der Parallelnutzung mehrerer Medien gerade einen Vorteil, auf den man sich in seinem Haus schon frühzeitig eingestellt habe. „Wenn Sie sehen, wie heute Fernsehen und parallel dazu etwa Social Media genutzt wird, dann hat das eine ganz neue Qualität. Man schaut ein Programm und kommentiert es gleichzeitig auf Facebook über das iPad. „Das iPad werde heute schon mit entsprechenden Apps für das CatchUp verpasster Sendungen benutzt, genauso wie das neue Smart-TV, dass das Internet auf moderne TV Geräte brächte. Die entsprechenden Dienste daraus bieten uns eine ganze Reihe von neuen Möglichkeiten, die wir auch nutzen.“
Jan Kühl, Geschäftsführer El Cartel Media GmbH [&] Co KG stößt in das gleiche Horn. Die Scriped Docu Soap „Berlin Tag+Nacht“, rund um eine WG, wurde anfangs scharf kritisiert und dümpelte bei einem Zuschauermarktanteil zwischen vier und fünf Prozent. Heute ist das Format Kult mit Marktanteilen regelmäßig über zehn Prozent in der Zielgruppe. „Das zeigt, dass wir alles richtig gemacht haben“, so Kühl. „Mit über 950.000 Fans haben wir damit eine der größten Communities in diesem Bereich auf Facebook! Und die Fans sind dort sehr aktiv. Wenn sich eine Bewohnerin der WG auf eine Party vorbereitet, und die Frage auf die Seite stellt, ob Sie das rote oder das schwarze Kleid anziehen soll, dann dauert es nur Minuten bis mehrere tausend Empfehlungen für die eine oder andere Wahl abgegeben sind.“
Hier griff Andrea Malgara, Geschäftsführer der Media Plus Gruppe, in die Debatte ein und betonte, dass es vor diesem Hintergrund wichtig sei, die Relevanz dieser Bewegungen auch mit der entsprechenden Forschung zu untermauern. In der Tat ist die Debatte um die so genannte „Konvergenz Währung“ aktuell auf einem Höhepunkt. Im Streit einzelner Protagonisten der Arbeitsgemeinschaft Marktforschung AG:MA, den TV-Sendern sowie deren gemeinsamer Forschungsinitiative, der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF), sieht es momentan nicht nach einer Einigung aus. Also halb so schlimm, beruhigt Krapf: „Diesen Streit gibt es doch gar nicht. Wir wollen alle das gleiche. Die Frage, um die es jetzt geht, ist einfach, wo der Schnitt gemacht wird.“ Das heißt, die Printanbieter wollen jede Bewegtbildnutzung im Internet als Kontakt zählen, während die Fernsehsender darauf bestehen, nur solche Videos zu zählen, die einer TV-artigen Nutzung nahe kommen. „Und da werden wir uns einigen“, ist Krapf optimistisch: „Bis Ende des Jahres werden wir eine einheitliche Konvergenzwährung haben!“
Auch Wagner schloss sich dieser Perspektive an, obwohl es ihn auch nicht betrübte würde sich die Debatte noch etwas länger hinzieht: „Wir werden die ersten in Europa sein, die überhaupt so etwas haben werden“, ist er sicher!
Dieter Brockmeyer
(MB 03/12)
TV als konvergentes Basismedium
Was kommt nach der Digitalisierung? Angesichts der fortschreitenden digitalen Revolution rückt diese Frage zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses. So verwundert es kaum, dass sich auch der Deutsche Medienkongress 2012 in Frankfurt des Themas annahm. Wer Echte Visionen erwartete wurde indes enttäuscht. Deren Entwicklung wurde meist von Alltagsproblemen und dem Traditionsdenken der teilnehmenden Medienmanager ausgebremst.