
ver.di im ZDF begrüßt Klage gegen den ZDF-Staatsvertrag
ver.di im ZDF begrüßt die angekündigte Klage der Landesregierung von Rheinland-Pfalz gegen den ZDF-Staatsvertrag beim Bundesverfassungsgericht. Durch das Normenkontrollverfahren kann nach Auffassung der Gewerkschaft der Beweis erbracht werden, dass in den ZDF-Gremien staatliche Vertreter und politische Parteien ein unzulässiges Übergewicht haben, die Besetzung des ZDF-Fernseh- und Verwaltungsrates nicht staatsfern ist und damit einen Verstoß gegen die im Grundgesetz gewährleistete Rundfunkfreiheit darstellt.
Die Gewerkschafter im ZDF hoffen, dass die Karlsruher Richter zu mehr als dieser Feststellung kommen und nicht nur kleine "Reförmchen" einfordern. "Den Bundesverfassungsrichtern steht es frei, all solche Punkte im Verfahren aufzurufen, die sie für relevant halten, denn sie müssen sich nicht auf die von Antragstellern aufgeführte Aspekte beschränken. Mit dieser Klage bietet sich jetzt die Chance, die Gremienbesetzung im Rundfunk so neu zuordnen, dass sie den gesellschaftlichen Realitäten des 21. Jahrhunderts gerecht wird", heißt es in einer Erklärung vom 30. Dezember 2010. ver.di erhofft sich, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk danach nicht nur informieren, bilden und unterhalten kann, sondern dass er auch in der Lage ist gesellschaftliche Strukturen zu fördern, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland stärken.
Ändern muss sich laut ver.di die Zusammensetzung des ZDF Verwaltungsrats. Dort sind bisher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht stimmberechtigt vertreten. (Im Gegensatz zum Hessischen Rundfunk im Land des früheren Ministerpräsidenten Roland Koch.) Während in der Industrie Arbeitnehmervertreter über Zukunftsinvestitionen mit entscheiden und über die strategische Ausrichtung ihres Unternehmens mit bestimmen könnten,würde ausgerechnet im öffentlich-rechtlichen Bereich der Sachverstand der Mitarbeiter nicht genutzt. Deutliche Mitbestimmung garantiere einerseits einen nachhaltigen Motivationsschub und andererseits eine Professionalisierung des Gremiums.
Auch die Berufung der ZDF-Fernsehratsmitglieder muss nach Auffassung der Gewerkschafter geändert werden. Die 77 Mitglieder dieses höchsten ZDF-Gremiums werden bisher von Bundes- und Landesregierungen sowie von verschiedenen „gesellschaftlich relevanten Gruppen“ gestellt. Ver.di im ZDF begrüßt ausdrücklich das Ziel der rheinland-pfälzischen Landesregierung, den Einfluss der Politik auf die Auswahl der Verbandsvertreter zu begrenzen, denn derzeit werden viele Fernsehratsmitglieder von Verbänden zwar vorgeschlagen, aber letztlich von den Ministerpräsidenten bestimmt.
„Der Parteieneinfluss ist faktisch aber noch viel größer“ kritisiert Uli Röhm, der medienpolitische Sprecher von ver.di im ZDF und sieht in diesem Zusammenhang Doppelmandate als besonders problematisch. Dazu zählen beispielsweise Vertreter aus der Gruppe der Verbände, wie Erika Steinbach, die Vertreterin des „Bundes der Vertriebenen“, die gleichzeitig Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist. Dr. Angelika Niebler, Mitglied des Europäischen Parlaments und Landesvorsitzende der CSU-Frauen-Union in Bayern. Dr. Saskia Ludwig, Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion des Landes Brandenburg. Doris Pack, früher CDU-Bundestagsabgeordnete und jetzt im Europäischen Parlament oder Anja Stahmann, Grüne Politikerin in der Bremer Bürgerschaft oder Katrin Budde, Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion des Landes Sachsen-Anhalt. „Solche Mandate müssen ebenfalls den politischen Parteien zugerechnet werden.“
Die Vorstellung, Vertreter von Interessenverbänden könnten allein die Pluralität der Gesellschaft abbilden, entspricht ständestaatlichem Denken und ist einer demokratischen Gesellschaft nicht mehr angemessen. Deshalb schlägt ver.di im ZDF vor, Modelle für die Mitwirkung von Zuschauern und Gebührenzahlern im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu entwickeln, wie es in anderen Ländern der Fall ist. Wenn das Bundesverfassungsgericht in diesem Sinn einerseits Mitarbeitern zu Mitbestimmung verhilft und andererseits Zuschauer und Gebührenzahler an der Gremienarbeit beteiligt, wird das ZDF auch für die ARD und andere öffentlich-rechtliche Aufsichtsgremien zum Vorbild.
Kaum öffentlich diskutiert wird laut ver.di im ZDF bisher über Interessenkollisionen bei der Fernsehratsarbeit. "Was haben beispielsweise zwei Vertreter des Verbandes der Zeitungsverleger im ZDF-Fernsehrat zu suchen, die in Fragen neuer Medien in Konkurrenz mit dem ZDF stehen und sogar juristisch gegen das ZDF vorgehen", fragt Röhm. Dass Vertreter dieses Verbandes so in strategische Details des ZDF eingeweiht seien und beispielsweise erfahren würden, welche Preise ihr Wettbewerber ZDF für Rechte zahlt, sei nicht länger hinnehmbar.
Kritik übte ver.di im ZDF auch an der Fernsehrat-Beteiligung von Sportverbänden. Diese würden seit einiger Zeit als eigenständige Veranstalter auftreten und verdienten sehr viel Geld durch den Verkauf von Sportrechten an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Röhm: "Es darf nicht sein, dass über einen Spitzenverband bekannt wird, in welche Sportart in Zukunft bei der Berichterstattung investiert werden soll und welcher Etat dafür zur Verfügung steht."
Das ZDF sei der größte Auftraggeber für die deutschen Film- und Fernsehproduzenten. Wenn Vertreter der Filmwirtschaft im Fernsehrat frühzeitig von Trends und Schemastrukturänderungen Kenntnis erlangen würden, bedeute dies einen wirtschaftlichen Vorteil.
Für die Gewerkschaft gilt es den Blick auf den Einfluss der politischen Parteien zu behalten, aber nicht darauf zu verengen. ver.di im ZDF erwartet deshalb von den Bundesverfassungsrichtern ein Verbot für Vertreter von Institutionen im Fernsehrat, die mit dem ZDF im direkten Wettbewerb oder in engen Geschäftsbeziehungen stehen. (12/10)