Anspruchsvolle Aufgabe

Die Eishockey-Weltmeisterschaft vom 5. bis 21. Mai in der Kölner LANXESS Arena und in der Accor Hotels Arena in Paris wurde mit großem technischen Aufwand produziert und in 165 Länder weltweit übertragen. Die International Ice Hockey Federation (IIHF) hatte dazu Infront Sports & Media als exklusiven Medien- und Marketing-Partner ins Boot geholt. Das zum chinesischen Konzern Wanda Sports gehörende Unternehmen war auch für das Hostbroadcasting zuständig. In Deutschland wurde die IIHF Eishockey WM von Sport1 übertragen, in Frankreich von Canal+.

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Anspruchsvolle Aufgabe

Insgesamt 23 Kameras hatte der Hostbroadcaster in Köln im Einsatz. In Paris waren es 20. Dazu zählten unter anderem In-Goal-Cams und Hintertor-Kameras, Beauty Cams, Tunnel-Kameras, festmontierte Kameras im Bereich der Strafbank (Penalty Box) und die Overhead-Kamera (Skoda Cam) über dem Mittelkreis. Erstmals bei einer Eishockey-Weltmeisterschaft wurde neben einer zusätzlichen Super-Slomo-Kamera pro Spielstätte auch eine Videodrohne eingesetzt. Am letzten WM-Wochenende wurde auch noch mit einer Spidercam gearbeitet. Sie hatte ihre WM-Premiere schon im letzten Jahr.

Dazu kamen unilaterale Kamera-Postionen und ENG-Teams in den Arenen. Produziert wurde in HD 1080i/50. Das Weltsignal von allen 64 Spielen wurde als Clean-Clean (ohne Grafik) und als Clean-Feed mit internantionaler Grafik bereit gestellt. Acht Audio-Kanäle standen zur Verfügung, unter anderem für Stereo-und Dolby E. Dazu gab es auch einen englischen Mono-Kommentar von TSN Canada.

Ein Novum war die Einbindung von Interviews in den internationalen Feed, die Reporter des Hostbroadcasters vor und nach den Spielen mit den Protagonisten führten.

An beiden Spielstätten standen Übertragungswagen, an die die HDTV-Signale ausgeliefert wurden. Von den Ü-Wagen gingen die Signale dann über Satellit weltweit an alle Rechtehalter. In Deutschland war das Sport1 und in Frankreich Canal+.

Die vom Hostbroadcaster angelieferten Live-Feeds hat der Sender Sport1 für das deutsche Publikum zudem mit eigenen Beistell-Produktionen „veredelt“: etwa durch Studiointerviews, Spielanalysen oder Spielerinterviews. Dafür beauftragte der Münchner Sportsender den technischen Dienstleister Plaza-media. Allein für die Übertragungen von Sport1 waren rund 40 Mitarbeiter im Einsatz.

Gute TV-Bilanz zur Eishockey-WM 2017

Pressesprecher Michael Röhrig jedenfalls verweist zufrieden auf die Bilanz der Weltmeisterschaft: „Von der Vorrunde bis zum Finale haben wir 26 Livespiele exklusiv im deutschen Free-TV übertragen, darunter alle Partien mit deutscher Beteiligung sowie die Halbfinals und das Finale. Es sind im Turnierverlauf etwa 70 Livestunden auf Sport1 ausgestrahlt worden. Dazu gab es regelmäßige Tages-Highlights im Free-TV. Zusätzlich zu den umfangreichen Free-TV-Übertragungen haben wir zehn Livespiele exklusiv im Pay-TV auf Sport1+ und acht Livespiele im kostenlosen Livestream auf Sport1.de gezeigt und auch via Facebook live gestreamt.“

Für den Leiter Eishockey beim Sportsender, Jonas Beck, der regelmäßig die Ausstrahlung der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) betreut, war der Unterschied zur WM hinsichtlich des Aufwands deutlich sichtbar: „Hier haben wir zur WM ein komplettes Studio eingerichtet, direkt in der Fankurve, wo wir die Stimmung bestmöglich abbilden können.“ Besonders an einer Verbindung von Studio- und Live-Atmosphäre war den Machern gelegen. Nach der Vorbesichtigung im November letzten Jahres, wurde das Studio in der Kölner Lanxess-Arena eine Woche vor Start des Turniers aufgebaut. „Mit unserer Subregie können wir den deutschen Zuschauern unsere Mehrwerte, die wir bieten, bestmöglich präsentieren“, freut sich Beck. So zeigte sein Team beispielsweise parallel zum Vorrundenspiel Schweden gegen Slowakei das Training der deutschen Mannschaft, die später, am selben Tag, ebenfalls antreten musste, live auf Facebook und integrierte O-Töne vom Training in das Programm.

Im Studio selbst kamen zwei Kameras zum Einsatz, die zudem auch an anderen Stellen positioniert werden konnten. Der eigens für die Weltmeisterschaft konstruierte Moderatorentisch bot zwei bis vier Personen Platz und spiegelte die Charakteristiken der Sportart auch visuell wider – mit einer Tischplatte in Eishockeyschläger-Optik und glänzender Oberfläche in Eis-Anmutung oder Tischfüßen im Puck-Design.

Kommentatoren-Platz mit Comcam

Der Kommentatoren-Platz am Spielfeld war mit einer eigenen Kamera, einer Video ComCam, ausgestattet. Die Aufnahmen von dort wurden unter anderem auf dem Facebook Kanal gezeigt. Überhaupt setzte Sport1 diesmal auch verstärkt auf die neuen Medien. Unter dem Hashtag #HeimWM berichteten die Münchener auf ihren reichweitenstarken digitalen Kanälen Online, Mobile und via Social Media umfassend: Unter anderem gab es regelmäßige Facebook-Live-Übertragungen, ein WM-Orakel mit „Idefix“, Expertenkolumnen und Interviews.

„Vor allem die ersten Tage der Produktion sind eine Herausforderung“, schildert der Plazamedia-Projektkoordinator Bernd Hoff die Situation, „wir haben das Feed geplant, Channel Routen sowie Kamerapositionen festgelegt und uns mit den anderen Broadcastern hier vor Ort auch abgestimmt.“ Erfahrungsgemäß ist bei solchen Großveranstaltungen die Umsetzung des Gesamtkonzepts eine anspruchsvolle Aufgabe: Wie werden beispielsweise die Kabelwege verlegt ohne die Kabelwege anderer Sender zu behindern oder von ihnen behindert zu werden?! Aber selbst bei den akribischsten Vorbereitungen kann auch etwas schiefgehen. So erhielten die Kölner am ersten Tag der Weltmeisterschaft ein fehlerhaftes Signal – mit einer falschen Tonspurbelegung – aus Paris: der englische Kommentar zum Spiel aus Köln lag noch auf der Tonspur. Das musste dann komplett überarbeitet werden. „Das ist zum Start viel Stress, aber spätestens ab Match Day zwei läuft es dann entspannter“, so der Projektkoordinator.

Knotenpunkt Ü-Wagen

Herzstück der Live-Übertragung waren die Ü-Wagen. Während Infront mit zwei dieser Fahrzeuge vor Ort war, setzte Plazamedia den RT.1 HD 7 von RT1.TV Production ein. Das HD-fähige Fahrzeug, das für große Produktionen ausgelegt ist, bindet in der Regel bis zu sieben Kameras an. Ton- und Bildmischpult wurden problemlos den Anforderungen von Sport1 bei der Beistellung zum World Feed des Host Broadcasters gerecht.

Das World Feed aller Spiele wurde vom Hostbroadcaster aus Köln und aus Paris angeliefert, um es im Ü-Wagen in Köln, der als Basis der Übertragungen dient, mit unilateralen Zusätzen für den Zuschauer in Deutschland aufzuwerten.

„Unser Fahrzeug kann bis auf zwölf Kameras erweitert werden“, sagt der Verantwortliche für die Übertragungstechnik Guido Breuer, „es ist noch nicht für den 4k-Einsatz ausgestattet, wäre aber aufrüstbar, was aber eine große Investition hinsichtlich der Datenspeicher bedeuten würde.“ Breuer beschreibt noch einmal die Variabilität einer der Studiokameras, die weitere verschiedene Punkte abwanderte, so an drei „Flash Zones“, wo Reporter Interviews mit den Spielern führten, direkt wenn sie vom Eis kamen. In einer „Mixed Zone“ wurden die Spieler nach dem Spiel „organisiert“ interviewt. „Wir hätten einen eigenen Schnittplatz in unserem Rüstwagen gehabt, nutzen ihn aber nicht, da ein Schnittplatz im Produktionsbüro von Sport1 zur Verfügung stand“, erklärt Breuer weiter.

Eine Besonderheit in der Live-Berichterstattung von Sport1 stellte das Analysesystem dar, das verwendet wurde. Die Einheit samt Rechnerstruktur wurde im Ü-Wagen installiert. „Das mussten wir uns zunächst genau anschauen, um später mit den Funktionen umgehen zu können“, so der Verantwortliche für das Übertragungsfahrzeug. Oben, im Studio, stand dem Experten das Analysetool in Form eines Touchscreens zur Verfügung. Damit konnte er im Studio Spielzüge und Auffälligkeiten im Verhalten der Spieler auf dem Eis über grafische Elemente im Spielbild deutlich machen. Das System bot die klassischen Tools, etwa Lupenfunktion, das Highlighten von Spielern, sowie Flächen/Pfeile/Kreise, um die Analysen der Experten zu visualisieren. Die verschiedenen visuellen Tools wählt der Experte über Touchpads auf dem Moderationstisch selbst. Das World Feed im Ü-Wagen wurde auf einer EVS aufgezeichnet, um Highlight-Clips für die Experten-Analyse in den Live-Parts und die Zuspielfilme in der Vor- und Nachberichterstattung zu generieren. Für die Ausspielung von Köln nach München-Ismaning, von wo aus die deutschen TV-Zuschauer schließlich versorgt wurden, verwendete Plazamedia zwei transparente Glasfaserverbindungen für die HD-Signale in voller Auflösung von 1,485 Gbit/s. Auch strom- und systemtechnisch gab es viele Backups und Redundanzen, um im Notfall die Übertragung aufrecht erhalten zu können.

Mit den Liveübertragungen der IIHF Eishockey-WM 2017 erreichte Sport1 die bislang zweitbesten Quoten bei solchen Events. Insgesamt lag die Reichweite aller 26 WM-Livespiele im Free-TV bei 500.000 Zuschauern im Schnitt und Marktanteilen von 2,5 Prozent (Z3+) bzw. 4,5 Prozent (M14-49). Acht Mal wurde im Turnierverlauf in der Spitze die Millionenmarke geknackt. Vor allem die insgesamt acht WM-Spiele des deutschen Teams stießen beim Eishockey-interessierten Publikum auf großen Zuspruch: Die Partien der Auswahl des Deutschen Eishockey Bundes (DEB) verfolgten durchschnittlich 960.000 Zuschauer (Z3+) bei Marktanteilen von 3,7 Prozent (Z3+) bzw. 6,8 Prozent (M14-49). Bestwerte erzielte Sport1 mit der Liveübertragung des deutschen Viertelfinalspiels gegen Kanada am 18. Mai mit 1,5 Millionen Zuschauern (Z3+) im Schnitt, bei Marktanteilen von 5,5 Prozent (Z3+) bzw. 10,5 Prozent (M14-49). Den deutschen 4:3-Sieg nach Penalty-Schießen gegen Lettland im entscheidenden Vorrundenspiel am 16. Mai sahen in der Spitze sogar bis zu 2,44 Millionen Zuschauer.

Die umfassende 360°-Berichterstattung über die #HeimWM auf sämtlichen Sport1-Plattformen trug mit hohen Reichweiten ebenfalls zur erfolgreichen Schlussbilanz bei.

Wilfried Urbe

MB 2/2017

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