Boom in der Online-Video-Werbung

Rund 25 Millionen Bundesbürger sehen sich Fernseh- und Videoangebote im Internet an. Das ergibt der jüngste BITKOM-Webmonitor, eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Vor diesem Hintergrund ist die Nachfrage der Werbewirtschaft, ihre vorhandenen teuren Werbespots auch zielgruppen genau online zu schalten, immens gewachsen. Pro einzelnes Online-Portal ist die Reichweite, die Anzahl der User, im Vergleich zu echten TV-Sendern aber eher marginal. Um die Reichweite relevant zu machen, müssen mehrere Videoportale gebündelt werden. Darauf hat der Werbezeiten-Vermarkter der Mediengruppe RTL Deutschland, IP Deutschland, schnell reagiert. MEDIEN BULLETIN sprach mit seinem Geschäftleiter Interactive, Paul Mudter.

9
Boom in der Online-Video-Werbung

Herr Mudter, mal von außen gefragt: Für welche Vermarktungsbereiche genau sind Sie bei IP Deutschland zuständig?
Ich bin verantwortlich für Online, Mobile, Direct Marketing und Teletext der Mediengruppe RTL Deutschland. Das umfasst ihre sämtlichen Online-Angebote: von RTL über Vox über Super RTL und n-tv bis hin zum Social Media Angebot
„Wer-kennt-wen“. Seit Sommer letzten Jahres vermarkten wir zudem einige externe Mandanten.

Zu den externen Mandanten gehören unter anderem Bundesliga.de und netzathleten.de sowie – als Zweitvermarkter – Tomorrow Focus, einer der größten Internet-Medienkonzerne und Online-Vermarkter in Deutschland, der zur Verlagsgruppe Burda gehört, und der im Vergleich dazu relativ kleine Web-TV-Sender Bunch.tv. Welche besonderen Werte können sie damit der
werbetreibenden Wirtschaft bieten?
Wir haben unser Vermarktungs-Portfolio auf die verschiedenen Erwartungen des Marktes eingestellt. Eine unserer Kernkompetenzen liegt beim Thema Bewegtbild. Alles rund um Bewegtbild Online ist eine Stärke der Mediengruppe RTL Deutschland per se, weil wir in der Lage sind mit den großen Videoplattformen wie RTL now und Vox now unsere Inhalte, die wir im Fernsehen haben, online zu verlängern. Das machen wir umfassend: Über 90 Prozent der Inhalte, die wir heute im Fernsehen haben, werden heute auch auf den Plattformen der Online-Medien
entweder parallel live wie bei der Formel 1 oder später als Catch-up oder im Archiv ausgestrahlt. Diese Nutzung ist dank Werbefinanzierung für den User kostenfrei, wer die Sendung vorab sehen will, zahlt dafür. Weil unsere besondere Kompetenz im Bereich der Bewegtbild-Vermarktung liegt, hat uns neben Tomorrow Focus auch Gruner und Jahr die Vermarktung ihrer Bewegtbild-Online-Angebote in die Hand gegeben.

Wie sind Sie auf den eher kleinen Web-TV-Sender Bunch.tv gestoßen. Warum passt gerade er gut in Ihr Vermarktungsportfolio rein?
Wenn wir uns die große Nachfrage im Markt anschauen, dann ist es wichtig ein möglichst breites Portfolio an Bewegtbild anzubieten zu können. Entsprechend haben wir nach Web-Seiten Ausschau gehalten, die qualitativ hochwertigen Content anbieten, der sinnvoll in unser Portfolio passt. Das ist unter anderem Bunch.tv. Andere Beispiele sind Tape.TV, und der Online-Auftritt von Sky, die wir bei uns aufgenommen haben, und die einiges an Online-Bewegtbild zu bieten haben. Stück für Stück bauen wir so die Reichweite aus, die wir den
Werbetreibenden anbieten können.

Sie addieren, die einzelnen Online-Angebote beziehungsweise ihre User und erreichen zusammen eine tolle Reichweite?
Exakt. Wir bauen gegenüber unseren Kunden eine relevante Gesamtreichweite im Online-Bereich auf. Derzeit haben wir eine Reichweite von vier Millionen Unique Usern in unseren Bewegtbildbereichen. Noch wichtiger ist, dass wir clustern können. Wir können zum einen nach Targetingkriterien clustern. Das heißt, wenn unsere Kunden Frauen ansprechen wollen, filtern wir sie heraus, wollen sie Männer ansprechen, filtern wir sie heraus. Wir können ebenso nach Umfeldern clustern: Sport- oder Nachrichtenumfelder, beispielsweise. Das ist der Vorteil, den wir durch unser großes Portfolio haben: Wir können viele spezielle Wünsche unserer Werbekunden in Bezug auf Zielgruppe und thematisches Umfeld in einer relevanten Reichweite anbieten.

Wie wird im Online-Bewegtbildbereich festgestellt, ob und welche Zielgruppen über das Portfolio zu erreichen sind? Zum Beispiel Frauen. Gibt es dafür eine spezielle Targeting-Software oder wird es dadurch ermittelt, wie sich die Online-Bewegtbild-angebote mit ihrem Content im Markt positionieren?
Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Erstens haben wir Plattformen mit speziellem Content. Durch Marktforschung wissen wir ziemlich genau, wie deren User aussehen. Ab einem bestimmten Anteil von Frauen kann man im Wesentlichen von einer Frauenzielgruppe auf der Plattform sprechen. Die zweite Möglichkeit ist das Targeting. Da lässt sich unter anderem an Hand des Userverhaltensschließen, ob es sich eher um einen Mann oder eine Frau handelt. Man kann auch auf Altersgruppen hochrechnen. Das ist technologisch relativ komplex, funktioniert aber mittlerweile sehr gut.

Beim Fernsehen gibt es für die Werbewirtschaft die heilige Quote. Gemessen von der GFK, die von allen großen Sendern, die in der AGF Fernsehforschung vereint sind, dazu beauftragt wird. Für Online gibt es mit AGOF eine ähnliche Institution. Muss jeder Bewegtbildanbieter im Internet, der sein Portal durch Sie beziehungs-weise IP Deutschland vermarktet haben möchte, in der AGOF vertreten sein?
In Bezug auf das Bewegtbild ist es bei Online-Anbietern nicht absolute Voraussetzung. Man kann die Reichweiten von Bewegtbildangeboten nicht so messen wie im klassischen Fernsehen. Bunch.tv beispielsweise produziert viele Inhalte nicht nur für die eigenen Seiten, sondern auch für Partner, also andere Seiten, und generiert auch darüber Reichweite. Sie syndizieren ihren Content. Die Reichweite über die AGOF auszuweisen ist relativ komplex und dementsprechend nicht immer greifbar. Es ist aber vorteilhaft, in der AGOF gemessen zu werden. Das empfehlen wir auch.

Um Ihr Ziel ganz einfach auf den Punkt zu bringen: Sie wollen Werbespots, die auch im klassischen TV geschaltet werden, nun auch in erfolgreichen Online-Videoportalen unterbringen, wo die Werbespots dann Video Ads heißen?
Genau. Zielsetzung ist, Video Ads zu verkaufen – als PreRolls, Videowerbung, die vor einem Content geschaltet wird, MidRolls, klassische Werbeunterbrecher oder Werbeinseln und PostRolls, die nach einem Content geschaltet werden. Das sind die wichtigsten Formen, die wir bei uns in der Vermarktung haben.

Wie würden Sie die Größe dieses neuen Online-Bewegtbild-Werbemarktes kennzeichnen? Welche Relevanz hat er schon? Und rutschen Marketing- und Werbeetats bereits von den klassischen Medien wie TV dorthin?
Es gibt keine Verschiebung der Werbeetats von TV nach Online. Die Online-Werbung wird eher zusätzlich eingesetzt, weil die Wirkparameter der beiden Medien unterschiedlich sind. Video Ads online verstärken die Wirkung einer klassischen Kampagne spürbar. Der Online-Bewegtbildmarkt ist aber der Bereich, der momentan mit Abstand das stärkste Wachstum aufweist. In den letzten zwei Jahren ist er mit dem Faktor 15 gewachsen. Wir schätzen, dass wir in diesem Jahr bei einem Netto-Marktvolumen in der Größenordnung von 60 bis 80 Millionen Euro liegen.

Wer ist „wir“?
Innerhalb des Branchenverbands BVDW gibt es den Online-Vermarkter-Kreis, kurz OVK, auf dieser Ebene findet zu einzelnen Themen ein Austausch statt.

Wie viele Nutzer in Deutschland können bereits heute ein ruckfreies schönes Bewegtbild aus dem Internet empfangen?
Unsere Bewegtbildangebote werden von vier Millionen Menschen genutzt. Das Potenzial ist viel größer.

Sie kennen sich im Web-TV-Markt aus. Haben Sie eine Marktübersicht, wie viele es insgesamt gibt, und gibt es neben den Web-TV-Portalen, die Sie neuerdings neben den hauseigenen Angeboten vermarkten, noch viele andere, die für Sie interessant sein könnten?
Das Spektrum der Bewegtbild-Anbieter ist sehr groß. Es reicht von den Fernseh-sendern, die mit Bewegtbild auch Online vertreten sind bis hin zu Anbietern von ganz speziellem Nischen-Content und sogar privaten Anbietern. Bei uns steht der professionelle Content im Fokus. Auch da ist das Angebot sehr groß. Es gibt durchaus noch Kandidaten, die wir gern unter unser Vermarktungsdach holen möchten.

Sind Sie besonders an speziellen Zielgruppen interessiert, wie sie möglicherweise ein Web-TV-Sender wie Bunch.tv bietet, und die so nicht als Publikum der Mediengruppe RTL Deutschland vorzufinden sind?
Die Mediengruppe RTL ist in ihren Inhalten so breit aufgestellt, dass sie mit ihren Programmen natürlich auch die speziellen User von Bunch.tv erreicht. Bunch hat aber einen ausgeprägten Schwerpunkt bei sehr jungen Nutzern, die unser Portfolio verstärken oder ergänzen. Grundsätzlich sind für uns aber alle Zielgruppen interessant, egal ob jung oder alt, männlich oder weiblich, weil die Nachfrage nach Video Ads zurzeit sehr groß ist.

Lässt sich die Wirkung von Werbung Online viel besser messen? Ist sie zielgruppengenauer als beim Fernsehen?
Wirkung und Zielgruppe sind zwei verschiedene Aspekte. Wir können Online eine Zielgruppe besser adressieren, so dass wir zielgruppengenauer Werbung schalten können. Das allerdings nur auf Basis viel kleinerer Reichweiten, als die, die wir über unsere Free-TV-Sender haben. Was die Wirkung angeht, sehen wir, dass Bewegtbild online ähnlich wie im Fernsehen wirkt.
Erika Butzek
(MB 09/10)