Aus dem Nebel tritt die Cloud!

Auf der Medienwoche@ifa 2013 in Berlin drehte sich alles um das Fernsehen der Zukunft. Neues gab es wenig, aber manchen interessanten, bisweilen sogar überraschenden Einblick!

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Aus dem Nebel tritt die Cloud!

Eli Noam von der Columbia University in New York City gilt als einer der großen globalen Vordenker der „neuen“ Medienwelt. Entsprechend war der Raum am zweiten Tag des Medienkongresses, wo er sich zum Gespräch mit Jo Groebel eingefunden hatte, gut besucht. In der Tat bescherten seine Ausführungen und Thesen interessante Einblicke. So werden etwa heute bereits über 30 Prozent des amerikanischen Internetverkehrs über das VoD-Portal Netflix generiert, gefolgt, mit einigem Abstand, von YouTube, mit gerade einmal knapp über 13 Prozent. Zusammen mit anderen Bewegtbilddiensten ist damit heute bereits in den USA das Internet stark Bewegtbild dominiert. „Das Internet wird immer mehr zu einer Videoplattform, und alle Anbieter müssen sich darauf einstellen“, analysierte der Wissenschaftler. Das heißt, auch etwa textbasierte Angebote, etwa von Zeitungshäusern, müssen ihren Videoanteil erhöhen, wollen sie nicht langfristig Bedeutungsverluste hinnehmen. Noam stellte die These auf, dass zukünftig die Nutzer nicht jeden einzelnen Dienst und dessen Server einzeln abrufen, sondern dass alle Dienste über einen zentralen Zwischenserver laufen, die so für den Kunden die Nutzung viel komfortabler gestalten würde. Er sieht keinerlei Problem darin, dass unterschiedliche Regierungen unterschiedliche Regulierungsdichten durchzusetzen versuchten, im Gegenteil, wird das sogar von der von ihm prognostizierten Serverstruktur noch erleichtert. „Ich sehe da keinerlei Probleme, wenn Staaten versuchen ihre Regeln anzuwenden“, antwortete Noam auf eine Frage aus dem Publikum. Diese Sichtweise ist insofern bemerkenswert, als dass das Internet als nur schwer regulierbar – oder gar zensierbar – gilt, und bislang eigentlich langfristig eher von einem Abbau der Regulierungsdichte ausgegangen wird – und dieses auch in allen europäischen Gremien immer wieder gefordert wird. Allerdings mehren sich auch Stimmen, die die gegenwärtige Grünbuch-Initiative so interpretieren, dass die europäische Kommission am Ende vielleicht sogar eine Verschärfung der Regeln, zumindest in einigen Bereichen durchsetzen könnte. Laut Noam wäre es also durchaus möglich einen solchen Ansatz auch in der Praxis zu realisieren.

Dass der Markt gegenwärtig massiv im Umbruch ist und der Wettbewerb für alle Beteiligten härter wird, war auf dem Medienkongress überall spürbar. Auch in der international ebenfalls hochkarätig besetzten Diskussionsrunde in Zusammenarbeit mit der Entertainment Master Class zum Thema „Entertainment meets Tech“, bei der es darum ging, wie Entertainment-Unternehmen und Gründer auf die Umwälzungen reagieren müssen! David Lyle ist CEO von National Geographic. Der renommierte Sender gehört zu 70 Prozent zu Murdochs Fox. Auch in anderen Ländern, wo es den Spartensender gibt, gibt es ähnliche Beteiligungsarrangements mit nationalen Partnern. Er traf auf Will Harris, dem Gründer und CEO von ChannelFlip, der von England aus weltweit populäre YouTupe Channels kreiert und betreibt und zur weltweit aktiven Produktionsgruppe Shine gehört, die wiederum Teil des Murdoch-Konzern ist. Außerdem waren noch Anna Brakenhielm, CEO der zu Bonnier Broadcasting gehörenden schwedischen Scandinavian Studios, und David Nahamani, Director Partnerships beim französischen Mobilfunkbetreiber Orange, der seit 2000 zur France Telecom gehört, auf dem Panel. Lyle betonte, dass es einen massiven Unterschied zwischen den kurzen Filmen, von fünf bis zehn Minuten Länge und den aufwendigen fiktionalen und „reality-based Produktionen“ für die klassische TV-Auswertung gibt. Dem widersprach Harris nur sehr bedingt. Er verwies aber darauf, dass vor allem bei sehr jungen Zielgruppen hier mit Abstand die größten Zuwächse verzeichnet würden. Lyle räumte dabei ein, dass das klassische Fernsehen durchaus vom Internet profitieren könne. So habe würde man bei der Moderation des auch international sehr erfolgreichen Wissenschaftsformats „Brain Games“ auf Jason Silva setzen, der aus der Blogger-Szene kommt. Harris hingegen betonte, dass der Erfolg eines YouTube Channels sehr stark von der Vernetzung im Social Media Bereich abhänge. Der neue Kanal mit dem Comedien Ricky Gervais sei der im vergangenen Jahr am schnellsten gewachsene Neustart gewesen, aber nur, weil Gervais selbst 1,5 Millionen Followers auf Twitter hat und regelmäßig in seinen Tweeds auf den Kanal hinweise.

Wachsende Bedeutung mobiler TV-Nutzung

Ein ähnliches Modell funktioniert natürlich auch im klassischen Fernsehen zumal die Grenzen immer weiter verschmelzen. Nahamani stellte die immer größere Bedeutung von mobilen TV-Nutzungsarten auf dem Smartphone oder dem Tablet heraus, was für einen Mobilfunkanbieter immense Investitionen bedeute. So habe Orange jetzt alle großen französischen Städte an das schnelle LTE-Netz angeschlossen. Brakenhielm, die die schwedische Version von „Survivor“ auf den Bildschirm brachte und seitdem zahlreiche neue Erfolgsformate verantwortet, sieht sich gerade bei Gameshow- und Factual-Formaten einem immer größeren Wettbewerb ausgesetzt und einer sich immer schneller drehenden Spirale, die es erschwere ein Format dauerhaft zu pflegen. Sie sieht auch große Auswirkungen dieses Wettbewerbs auf die Finanzierungsmodelle, das heißt, immer mehr Content auf die gleichen Finanzierungsquellen. Sie stellte die Frage, ob hier das immer populärer werdende Crowed Funding einen Ausweg biete. Während die meisten Panelteilnehmer bestätigend mit dem Kopf nickten, betonte Christoph Fey, Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Entertainment Master Class, dass es hier aber zuvor rechtlich noch einige Fragen zu klären gäbe, bevor es zu einem tauglichen Instrument werde. „Wenn man einen höheren Betrag von einem einzelnen Geldgeber einsammeln will, dann ist man sehr schnell geneigt eine Umsatzbeteiligung anzubieten. Dann ist das aber kein Crowed Funding mehr, sondern Crowed Investment, was, zumindest momentan, aber noch nicht erlaubt ist“, warnte er. In den USA solle es aber im kommenden Jahr ermöglicht werden, warf Harris umgehend ein. Dann, so Fey, wenn es dort funktioniere, könne es tatsächlich eine echte Option werden.

Selbstverständlich war das Thema nicht nur auf den Podien präsent, sondern wurde von den Teilnehmern allgemein in den Pausen mit großem Interesse kommentiert. Gerade hier in Deutschland gäbe es viele Innovationsbremser, beklagte etwa ein Innovationsmanager einer großen Telekommunikationsplattform. Als besonders hinderlich wurden von ihm die großen Media-Agenturen empfunden, die auf den großen Etat-Töpfen säßen, aber aus Bequemlichkeit alles beim alten beließen. „Dabei, allen Lobbyisten-Argumenten zum Trotz, lassen sich inzwischen mit anderen Strategien in Online-Umfeldern ganz andere Wirkungsparameter realisieren“, so seine harsche Kritik. Da innovative Medien auch innovative Plattformen benötigen war natürlich auch die wahrscheinlich erfolgreichen Übernahme der KDG durch den Mobilfunkriesen Vodafone ein heiß diskutiertes Thema. Ein Analystenkommentar brachte ja schon einmal das Szenario auf den Tisch, dass Vodafone mit seiner starken, jetzt entstandenen Liquidität auch an einer Übernahme von Liberty Global interessiert sein könne. Kurzfristig ist das sicherlich nicht sehr wahrscheinlich, dazu ist die Thematik zu komplex und die jetzt vom Konzern verkündete Mittelverwendung spricht erst einmal dagegen. Vom Tisch ist das Thema damit aber noch lange nicht. Durch eine Fusion von Vodafone und Liberty würde der erste wirklich europäisch aufgestellte Telekommunikationskonzern entstehen, eine Entwicklung, die die für Telekommunikation zuständige EU Kommissarin Neelie Kroes mit ihren gerade vorgestellten Plänen zu den Roaming-Gebühren explizit ermöglichen will.

Hinzu käme, dass bei der Entscheidung, ob eine solche Fusion möglich sei, das deutsche Bundeskartellamt keine Mitsprache mehr hätte. „So wie die beteiligten Unternehmen dann aufgestellt wären, würde diese Entscheidung alleine in Brüssel getroffen“, sagte ein deutscher Kabelmanager. Es bleibt also spannend, nicht nur an dieser Front. Die Umbrüche stehen noch ganz am Anfang und werden die Industrie in den kommenden Jahren noch etliche Male erschüttern: positiv, aber auch negativ.
Dieter Brockmeyer
(MB 10/13)