Sport ist Storytelling

Auch die mediale Darstellung Sport unterliegt den klassischen Gesetzen der Unterhaltung. Die Grundlage dafür ist die professionelle Inszenierung spannender und emotionaler Momente. Vor allem das hat der SPONSORs Business Summit SpoBis am 1./2. Februar in Düsseldorf gezeigt.

18
Sport ist Storytelling

Beispiel Sportcast: Das Unternehmen wurde von den Fußballbundesligavereinen 2006 allein mit dem Ziel gegründet, die Bilder in den Bundesliga-Stadien zu produzieren und an Interessenten in Deutschland und der ganzen Welt zu verkaufen. 7.000 Live Feeds für nationale und internationale Partner sind seitdem produziert worden. „Wir sind der Bewegtbild-Lieferant der Bundesliga mit Abnehmern in über 200 Ländern“, sagte Sportcast-Geschäftsführer Alexander Günther auf Europas größtem Sport Business Kongress, „und wir betreiben das weltgrößte digitale Fußballarchiv mit über 70.000 Stunden aus über 50 Jahren Fußballbundesliga.“

Es gelte, das Top-Produkt Bundesliga optimal anzubieten und stets auf höchstem Niveau zu halten. Dabei sei die Bedeutung der weltweiten Distribution ständig gewachsen, auch dadurch, dass Rupert Murdochs TV-Konzern 21st Century Fox vor einiger Zeit die Übertragungsrechte für rund 80 Länder in Amerika, Europa und Asien erworben hatte. „Zudem müssen neue Technologien geprüft werden, etwa die Torlinien Technologie“, betonte Günther. Kleinste Änderungen im Übertragungsprozess würden von den Zuschauern wahrgenommen. Er mahnte: „Der Fußball war und ist in vielen Momenten technologischer Treiber, aber nie Spielball. Es ist genau zu überlegen, wann welche Technologie eingesetzt wird.“ Der „Hype“ um stereoskopische 3D-Übertragungen etwa hat den Verantwortlichen von Sportcast bewusstgemacht, dass Technologie kein Selbstzweck ist: „Der Zuschauer bestimmt, und er hat sich dagegen entschieden.“

Im Gegensatz dazu haben sich die „Super Slow Motion“-Aufnahmen bewährt. Mittlerweile bestehen zehn Prozent aller Spielszenen aus der Darstellung dieser extrem verlangsamten Bewegungsabläufe. Was funktioniert und was nicht, das prüfen die Kölner auch im Rahmen von Testspielen. Etwa bei einem Innovationsspiel beim VFL Wolfsburg, wo letztes Jahr die Torlinientechnik Hawk-Eye und die Kameratechnik FreeD, die mit 30 hochauflösenden Kameras und einem Computer aus jeder Spielszene ein dreidimensionales Bild erzeugen kann, erprobt wurden. Weitere Technologien wie die virtuelle Werbung, eine neuartige Spidercam, die virtuell Grafiken ins Fernsehbild einfügen kann, oder die Trikotkamera kamen zum Einsatz. Vor allem die Verbesserung des Audioerlebnisses durch 3D-Audio beziehungsweise Immersive Audio, die Verbesserung der Bildqualität mit der Verwendung des UHD Standards sowie Virtual Advertising sind Elemente, an denen bei Sportcast zurzeit gearbeitet wird.

„Nachwuchsförderung und Investition in Innovationen sind so wichtig“, schloss der Sportcast-Chef seinen Vortrag, „wir sind im Wettbewerb um die globale Aufmerksamkeit. Und dabei hilft uns die Wertschöpfungskette der medialen Verwertung, die wir aufgebaut haben.“

Sport als Treiber für Internetplattformen

Dass vor allem die mediale Verwertungskette im digitalen Zeitalter stimmen muss, darauf wies in Düsseldorf auch Stefan Kastenmüller hin. Der General Manger [&] Vice President des Wrestling-Veranstalters WWE berichtete vom OTT-Netzwerk, das die Organisation in 177 Ländern etabliert hat: „90 Prozent unserer Fans sind in den 90er Jahren oder nach 2000 geboren, also echte Digital Natives. Wir sind der größte YouTube Sportkanal mit sieben Milliarden Abonnenten. Und OTT ist ein weiterer Ansatz, immer und überall für die Konsumenten zur Verfügung zu stehen.“

1,3 Millionen Abonnenten rund um den Globus zahlten bereits letztes Jahr für die Brachial-Unterhaltung via Internet jeweils 9,99 Dollar pro Monat. Viele schauen über Gameskonsolen. 9.000 Programmstunden werden jedes Jahr ins Netzwerk gespeist, 150.000 Stunden aus 20 Jahren Wrestling lagern im Archiv.

„Unsere wichtigsten Sendungen sind ‚Smackdown‘ und ‚Raw‘, sie sind im Grunde wie Telenovelas, denn Storytelling ist auch hier das Wichtigste“, ergänzte Kastenmüller, der außerdem darauf hinwies, dass die „Talente“ der WWE, anders als andere Film- und Medienstars, Teil der „Property“ beziehungsweise der „Company“ sind. Der Geschäftsführer von Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB) New Media Oliver Beyer machte ebenfalls klar: Sport ist wichtiger Treiber für digitale Angebote.

Die Plattform Sportdeutschland.TV, die der DOSB zusammen mit der ProsiebenSat.1-Gruppe, dem Mehrheitsgesellschafter der Plattform betreibt, konnte dank Handball im Januar die Marke von einer Million Zuschauer, die Übertragungen, Berichte, Highlights und Analysen zur Handball-EM nutzten, erreichen. „Wir wollen die führende Plattform für Sport werden“, kündigte Beyer auf dem Kongress an. Neun Millionen Menschen könnten zurzeit erreicht werden. Vor allem die zentralen Sportarten, darunter Handball, seien besonders attraktiv, ebenso „Specials“ wie Olympia. „Und dann haben wir noch zahlreiche Sportarten, die nicht so stark im Vordergrund stehen, aber auch sehr spannend sind, zum Beispiel Tischtennis oder Basketball.“ Wie sehr große Sport Events das Mediengeschäft beleben, zeigte auf dem SpoBiS das Thema Olympische Spiele. Mit großer Aufmerksamkeit wurde die Information von Eurosport-Chef Peter Hutton aufgenommen, die BBC habe mit Discovery einen Vertrag zur Sub-Lizensierung für die Übertragungsrechte zur Olympiade vorgenommen. Im Sommer letzten Jahres hatte der Erwerb der Rechte bis 2024 durch den US-Konzern vor allem bei den öffentlich-rechtlichen Sendern für Verstimmung gesorgt. Die „Marke“ Olympia, so Hutton, soll weiterhin mit Respekt behandelt werden: „Und ja, wir haben bereits erste Gespräche mit ARD und ZDF geführt, was eine Übertragung dort angeht.“ Er ergänzte, dass allerdings noch andere Player an den Rechten für Deutschland interessiert seien.

Big und Smart Data

Auf der Veranstaltung wurde ebenso offenbar, wie Technologie hilft, die Leistungsfähigkeit von Sportlern zu analysieren und in der Folge zu steigern. Der Geschäftsführer vom TSG Hoffenheim, Peter Görlich, stellte das neue „Lab“ des Clubs vor: „So etwas gibt es in ganz Europa nicht. Wir bauen hier eine zentrale Datenbank für Training und Spielbetrieb auf.“

„Unzählige“ Daten würden gesammelt, um die Stärke der Fußballer zu steigern. Beispielsweise werden mit Hilfe von mobilen Medien in Echtzeit auf dem Platz Körperdaten erfasst, etwa zur direkten Erfassung der Herzfrequenz. „Wie ist der Zustand des Spielers? Zu diesen und anderen Fragen werden direkt live am Point of Core Informationen aufbereitet“, erläuterte der promovierte Sportwissenschaftler weiter. Die Gewinnung der riesigen Datenmenge sei keine Herausforderung, wohl aber die Auswertung, und das sei ein grundsätzliches Problem: „Wir haben Big Data, aber kein Smart Data.“ Görlich und sein Team lösen diese Herausforderung, in dem sie die Leistungsdiagnostik auf vier Feldern vornehmen: psychologisch, sportwissenschaftlich, medizinisch und soziologisch. Die entsprechend erhobenen Daten werden dann auch in Bezug zu anderen Spielern und Mannschaften gesetzt. Das System funktioniert mit SAP Hintergrund und durch Kooperationen mit Hochschulen.

Mit über 1.800 Besuchern verzeichnete der SpoBiS 2016 eine neue Rekordbeteiligung. Großes Thema war die Digitalisierung. Dazu passte ein Ergebnis der SPOAC Sportbusinessstudie, die im Rahmen des Kongresses vorgestellt wurde: Digitale Entwicklungen stellen für Führungskräfte im Sportbusiness den relevantesten aller Trends der Branche dar.

Mit WIGE, SAP, Microsoft, Perform, Sportradar und weiteren namhaften Playern waren viele führende Unternehmen aus der Digitalbranche in Düsseldorf vor Ort, um das Thema in Talks und Case-Studies zu vertiefen.

Im WIGE-Forum („Content in der Zukunft“) standen beispielsweise technische Neuerungen wie Digital Overlay im Fokus. Unter dem Titel „Wettbewerbsvorteile durch IT” zeigte SAP wiederum anhand von Cases aus dem Sport auf, wie mit der richtigen technischen Infrastruktur Umsätze gesteigert werden können. Mit Peter Jaeger, Mitglied der Geschäftsleitung Microsoft Deutschland, wurde das Thema „Digitale Transformation“ auf der Hauptbühne besprochen. Und Sportradar-CEO Carsten Koerl erklärte, wie man mit Daten Fans, Medien, Sponsoren und dem Sport selbst wertvolle Mehrwerte liefern kann.

Wilfried Urbe

MB 1/2016