Abseits der ausgetretenen Pfade

Neue Wege im alltäglichen Werbedschungel finden: Das ist das Ziel der Jungs von der Pfadfinderei. Allerdings nicht im Sinne einer konventionellen Werbeagentur. Begonnen haben die sieben Berliner vor etwa zehn Jahren nämlich als Grafiker. Und wichtig war ihnen damals vor allem die Einzigartigkeit ihres Stils. Das änderte sich auch nicht, als sie sich allmählich den bewegten Bildern zuwandten und eine ganz eigene visuelle Ausdrucksform schufen, die sich von der damals vorherrschenden Sample-Ästhetik anderer VJ-Teams und Videokünstler deutlich absetzte.

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Abseits der ausgetretenen Pfade

Bis heute setzen die Pfadfinder für ihre Visuals nur von ihnen selbst produziertes Filmmaterial ein und unterlegen dieses mit ihren ebenfalls in Eigenproduktion erstellten Grafiken. Daher auch der Name „Pfadfinderei“, denn in der digitalen Welt ist der Pfad das Grundelement, auf dem sämtliche Vektorengrafik-Programme basieren. Dabei wird nicht (wie z. B. bei einem JPG) jedes einzelne Pixel einer Fläche definiert, sondern lediglich die Entfernung und Richtung eines Punktes von einem bestimmten Ursprungspunkt festgelegt: der Pfad.

Aus Flash-Animationen, vektorbasierten Grafiken und Realbildsequenzen ist die Bildsprache der Pfadfinderei entstanden, die betont grafisch und klar daherkommt und gerade im Kontext der Techno-Clubkultur gern als minimalistisch bezeichnet wird. Die Pfadfinderei selbst spricht lieber von einer „Fokussierung aufs Detail“, denn die Videoarbeiten bestechen durch eine unglaubliche Detailverliebtheit. So ist der Balanceakt zwischen überbordender Phantasie und größter Genauigkeit bei der technischen Umsetzung inzwischen zum Trademark der Pfadfinderei geworden.
In Anlehnung an die Clubkultur – in der die Pfadfinderei noch immer tief verwurzelt ist – beauftragte der Autohersteller Volvo die Pfadfinderei, drei Remixe für einen Imagefilm zum neuen Modell C 30 anzufertigen. Als Material wurde den Visual-Künstlern lediglich das „Car Layer“ zur Verfügung gestellt, also der C 30 in gerenderter Form. Die Aufgabe bestand darin, drei neue visuelle Welten um das Auto herum zu schaffen. Charakteristisch für die außergewöhnliche Arbeitsweise der Pfadfinderei ist jener der drei Imagefilme, in dem mit Trickfilmtechnik eine Welt aus Papier geschaffen wurde. Zunächst wurden in tagelanger Bastelarbeit für ein mehrere Quadratmeter großes Modell Papierbögen zurechtgeschnitten und gefalzt, bevor der so entstandene Kosmos aus geometrischen Formen und Schnipseln per Stop-Motion-Technik abgefilmt werden konnte.

Für die Filmarbeiten verwendeten die Pfadfinder die Panasonic HVX200. Sie ist günstig im Verleih, bietet ein ansprechendes Preis-Leistungs-Verhältnis und macht sehr gute Bilder. Als Leichtgewicht ist sie außerdem einfach zu bedienen und flexibel einsetzbar. Deshalb arbeiten die Pfadfinder regelmäßig mit dieser Kamera oder der neueren EX1 von Sony, die als HD-Geräte den Ansprüchen meist gerecht werden können. Im Falle des Imagefilms für Volvo stand ohnehin der organische Look der Stop-Motion-Ästhetik im Vordergrund. Doch auch für andere Produktionen der Pfadfinderei ist das Format bestens geeignet, denn den Großteil ihrer Filmarbeit macht immer noch das Produzieren von VJ-Material aus. Dafür High-End-Technik einzusetzen, hieße in den meisten Fällen mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, so Codec, einer der sieben Pfadfinder. In den Clubs seien die Beamer oft schon etwas älter und LED-Wände auch nicht auf dem neuesten Stand, so dass der Claim „first class digital shit“ manchmal nur schwer aufrechtzuerhalten sei. Die HD-Technik der HVX200 und der EX1 kann in diesem Kontext locker mithalten und eröffnet darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Einsatzmöglichkeiten.

Eine davon zeigte sich bei einem weiteren Auftrag aus der Automobil-Branche. Für einen Messeauftritt des MINI hatten die Pfadfinder vom Kunden besonders große Gestaltungsfreiheit bekommen. Das Auto sollte in den zu drehenden Spots gar nicht vorkommen, vielmehr war ein möglichst ungewöhnlicher, animierter Background für die Präsentation des Autos auf der Messe gefragt. Die Visuals sollten „weird und freaky“ sein und den MINI als cooles Lifestyle-Produkt platzieren, das sich von anderen Marken erheblich unterscheidet. Das Resultat waren 20 verschiedene Clips, bei denen sich extrem ungewöhnlich gestylte Gestalten wie losgelöst von Zeit und Raum langsam durchs Bild bewegten. Für den dabei eingesetzten Zeitlupeneffekt erwies sich die Panasonic HVX200 mit ihren 50 Frames pro Sekunde als bestens geeignet und lieferte die gewünschten soften Bilder. Um die angestrebte 35-mm-Ästhetik zu bekommen, wurde – wie auch bei dem Remix-Auftrag für Volvo – zusätzlich ein Satz Master Prime® Cine-Objektive von Zeiss mit einem Mini35-Adapater von P+S verwendet.

Auf den kinotauglichen Spots waren dann Trampolinspringer und fremdartig verkleidete Menschen zu sehen, die vor digital animierten Visuals der Pfadfinderei wie schwerelos durch den Raum glitten. Der Clou dabei: Die Background-Visuals wurden nicht in der Postproduktion hinzugefügt, sondern waren gemeinsam mit den Darstellern real abgefilmt worden. Das Trampolin hatte vor einer LED-Großbildwand gestanden, vor der auch die Schauspieler agierten. Auf diese Weise wurde das bei dieser Art von Bildmaterial normalerweise erforderliche Keying vermieden. Genauso ungewöhnlich wie diese Arbeitsweise war auch der Einsatz der gedrehten Clips – sie dienten als Material für das Live-VJing direkt am MINI-Messestand auf der IAA in Frankfurt.
Abgesehen davon, dass die Pfadfinder mit solchen Aufträgen ihr Geld verdienen, reizt sie noch etwas anderes. In der Wirtschaft sind die Budgets natürlich um einiges größer als in der Clubszene und mit den Budgets wachsen auch die Gestaltungsmöglichkeiten. Die Technologie auf den Messen, insbesondere den publikumsorientierten Automobilmessen, ist fast immer state-of-the-art und dementsprechend verlangen die Auftraggeber von ihren Kreativen auch die Ausreizung der technischen Möglichkeiten.
Für Volvo gestalteten die Pfadfinder beim Genfer Autosalon 2008 den gesamten Stand bzw. die „Medienfassade“, wie sie es gerne nennen. Wie schon beim MINI-Projekt sollte auch hier in den Visuals gar kein Auto mehr auftauchen. Stattdessen zielte der Stand mit der Umsetzung des Slogans „Life is better lived together“ allein auf das Image des Autoherstellers ab. Vor einem komplett digital in 3-D generierten Hintergrund, der die grafischen Elemente des Pfadfinderei-Stils variierte, bewegten sich menschliche Silhouetten, die mit ihren Posen und Accessoires die verschiedenen Lebenswelten der potenziellen Käuferschicht nachempfanden.

Die Snowboarder, Fotografen, Yogalehrerinnen und Partygäste liefen natürlich nicht real durchs Bild, sondern waren vorher in teils sehr aufwändigen Acting Sessions und Stunts vor einem Greenscreen aufgezeichnet worden und per Keying in die verschiedenen Backgrounds eingefügt worden. Wegen der äußerst hohen Ansprüche an das Keying hatten Honza und Flori von der Pfadfinderei für diese Aufzeichnungen zum ersten Mal eine High-End-Kamera eingesetzt, die ARRI D-20. Mit einer doppelt so hohen Auflösung wie einer üblichen High-Definition-Kamera ist die D-20 bestens geeignet für höchste Ansprüche und ermöglicht eine besondere Präzision. Die war erforderlich, da günstigere Digitalkameras die für das Keying relevanten Kantenübergänge bei weitem nicht so scharf aufzeichnen können wie die D-20. Für das fachliche Know-how, das für den Umgang mit der Kamera erforderlich war, heuerten die beiden den Kameramann Max Penzel an, mit dem sie schon seit 1999 regelmäßig zusammenarbeiten.

Dank seiner ausgiebigen Spielfilm- und Musikvideo-Erfahrung konnte er die Stärken der D-20 optimal ausnutzen. Denn neben der technischen Expertise bringt Penzel auch die notwendigen Handling-Fähigkeiten mit, die bei einem Set, an dem schon mal Stuntmen in Skifahrer- oder Fallschirmspringer-Montur an Seilzügen kreuz und quer durch eine Halle flogen, mehr als einmal gefragt waren. Ein Handling der ganz anderen Art kam auf die Pfadfinderei dann in der Postproduktion zu. Mit Datenmengen, wie sie die ARRI D-20 produziert, hatten sie nämlich bislang noch nicht zu tun gehabt. Das müsse in der Verarbeitung erst einmal bewältigt werden, so Codec, und sorge für erhebliche Mehrarbeit.
Deshalb lohne sich ihr Einsatz nur im High-End-Bereich, in dem die Projekte meist schon so angedacht würden, dass sie die neuesten technischen Möglichkeiten bis zum Anschlag ausreizten, und bei denen der Mehraufwand im Ergebnis wirklich deutlich zu sehen sei. Honza merkt dazu an, dass es fantastisch sei, mit der D-20 zu drehen, denn es gebe einen klar spürbaren Unterschied, der den höheren Aufwand rechtfertige. Deshalb möchte er die D-20 in Zukunft bei anspruchsvollen Projekten so oft wie möglich einsetzen. Allerdings wissen die Pfadfinder auch, dass ohne gute Ideen die beste Technik nichts nützt. Und deshalb wird ihr wichtigstes Kennzeichen weiterhin ihre ureigene Kreativität bleiben. So wie die Dinge stehen, in Zukunft eben öfters mal in High-End-Optik.

Daniel Beinert (MB 06/08)