Deutsch-chinesische Kooperation

Rolf Giesen, Filmwissenschaftler und Experte für Animation, ist als Präsident des ersten chinesischen Museums für Animation und Games in Changchun im Nordosten Chinas für vorerst zwei Jahre bestellt worden. Das Museum, das im September 2011 eröffnet wird, ist Teil des Jilin Animation Instituts, in dem insgesamt 8.000 Studenten ausgebildet werden. China sucht in Sachen Animationsfilm die Kooperation mit Deutschland.

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Deutsch-chinesische Kooperation

Das Jilin Animation Institut ist die Größte von drei chinesischen Ausbildungsstätten für Animation, Design und Games. Neben dem Museum mit Kino werden auf dem Gelände auch Produktionsfirmen angesiedelt.
Bei der Ausgestaltung der Ausstellung hat Giesen freie Hand. „Ich kann eigene Akzente setzen und meine Vorstellungen umsetzen“, sagt er. Geplant sind vier Schwerpunkte auf insgesamt 5.000 Quadratmetern Fläche. Ein Saal ist der chinesischen Animation und chinesischen Koproduktionen gewidmet, ein anderer der Geschichte der Animation der Welt, der Dritte dient der Selbstdarstellung des Instituts und im Vierten geht es um Games. Zum Museum gehören ein Kino mit 400 Plätzen, in dem Filme in 70mm und digital projiziert werden können, zudem wird es ein kleineres 4D-Kino geben und eine Experience Hall, wo unter anderem Motion Capturing demonstriert wird.

Der Ausstellungsteil über Koproduktionen Chinas mit anderen Ländern wird mit einem Schwerpunkt Deutschland aufwarten. Die Rothkirch Cartoon-Film-Produktion „Lauras Stern und der geheimnisvolle Drache Nihan“ von Thilo Graf Rothkirch entstand mit chinesischen Partner zu einem Gutteil in China. Der dritte Teil der Kinderfilmreihe fürs Kino „Lauras Stern und die Traummonster“ entsteht komplett in China. Begleitet wurde die Kooperation von Giesen. Neben Cartoon-Film konnte der Animationsexperte bereits nWave Picture, den Produzenten des 3D-Films „Sammys Abenteuer“, als Partner gewinnen oder das Kurzfilmfestival Interfilm. Giessen ist aber auch mit Lucas Film, Ari Folman („Waltz with Bashir“) oder Walt Disney im Gespräch. Giesens Aufgabe ist es nun Sponsoren aus der Industrie zu finden sowie Partner aus der Animationsbranche, die ihm Ausstellungsstücke zur Verfügung stellen. Zudem will er das Museum als Ausgangspunkt für die Kooperation mit Europa nutzen.

„Die Chinesen suchen die Kooperation mit Deutschland, sonst hätten sie keinen deutschen Museumsdirektor genommen“, sagt Rolf Giesen, der als Gastprofessor an der Universität Peking über Animation gelesen hat und in Deutschland mehrere Ausstellungen zum Thema Animation konzipiert hat, darunter die Dauerausstellung „Künstliche Welten“ im Filmmuseum Berlin, in deren Zentrum das Lebenswerk des Trickfilmers Ray Harryhausen stand, die vom Museum aus Platzgründen aufgelöst wurde.

Teil der angestrebten Kooperation ist auch der Austausch von Know how und künstlerischen Herangehensweisen zur Weiterentwicklung der eigenen Industrie. Animation hat in China einen sehr hohen Stellenwert und wird ausdrücklich von der Regierung unterstützt obwohl sie wie hierzulande mit Kinderunterhaltung assoziiert wird. Pro Jahr entstehen in China rund 150.000 Minuten Animation wobei jedoch Quantität vor Qualität steht. Ein Prozess, der sich zunehmend ändert, da die Zahl der Animationskünstler stetig steigt. „Langsam setzen sich Animatoren auch unter künstlerischen Gesichtspunkten mit der Animation auseinander und nutzen sie, um gesellschaftliche und politische Themen aufzugreifen“, hat Rolf Giesen beobachtet. Giesen möchte nun Ausländer nach Changchun einladen, damit sie dort an ihren Projekten arbeiten. Und er möchte die chinesische Animationsindustrie zum abendfüllenden Kinofilm hinführen, denn zurzeit entstehen in China als Eigenproduktionen fast ausschließlich Fernsehserien und Kurzfilme.
Thomas Steiger
(MB 11/10)