Die BMW International Open (20. bis 23. Juni 2019) im Golfclub München Eichenried bei München zogen auch in diesem Jahr wieder zahlreiche Golf-Stars an. Mit dabei waren der zweimalige Major-Sieger Martin Kaymer, Titelverteidiger Matt Wallace, der Ryder-Cup-Sieger Thorbjørn Olesen, der dreifache PGA-TOUR-Sieger Jhonattan Vegas aus Venezuela, Rafa Cabrera Bello und Pablo Larrazábal aus Spanien, Matthew Fitzpatrick und David Horsey aus England sowie Bernd Wiesberger aus Österreich. Neben Kaymer waren auch die deutschen Golf-Profis Bernd Ritthammer, Marcel Siem, Florian Fritsch und Max Kieffer am Start. Entsprechend hoch war das Publikumsinteresse. Der Veranstalter registrierte an den vier Golftagen rund 60.000 Besucher. Auf der Anlage des Golfclubs München Eichenried wurden sie über den Spielverlauf mit Hilfe von drei großen Videowänden, 50 Bildschirmen, neun Leaderboards und zwei elektronischen Hole-by-Hole Scoreboards informiert. Mit 20 Kameras und 60 Mikrophonen wurden täglich die Top-Flights auf dem Platz verfolgt. 153 Kilometer Leitungen waren für TV-Übertragung, Strom-, Wasser-, und Telefonversorgung mit mehr als 400 Access Points verlegt worden.
In Deutschland übernahm Sky Sport die Live-Übertragung im Pay-TV. Im Free TV wurden die Highlights aller vier Spielrunden von Sport1 übertragen. An den beiden letzten Spieltagen sendet Sport1 ebenfalls live.
Auf den digitalen Plattformen von Sport1 fanden die Golf-Fans zudem Highlight-Clips. Internet Live-Streams zum Event gab es auf Sportschau.de, BR24, Sport1.de, bmw-golfsport.com und BMW Golfsport Facebook. 25-minütige Zusammenfassungen sendete kurz nach Mitternacht n-tv. In Österreich war das renommierte Golfturnier live auf ORF Sport+ zu sehen.
Den Sieg des mit über drei Millionen Euro dotierten Golf-Turniers sicherte sich nach Stechen gegen Matthew Fitzpatrick der Italiener Andrea Pavan. Die Golf-Turniere der European Tour werden von der European Tour Productions (ETP) für die TV-Übertragung produziert. Dabei handelt es sich um ein 1992 gegründetes Joint Venture zwischen der PGA European Tour und der internationalen Sport- und Medienbusiness-Firma IMG Media in London. Bei der Außenübertragung arbeitet das Unternehmen mit dem britischen Dienstleister CTV Outside Broadcasts zusammen, hat allerdings auch eine eigene Ü-Wagen-Flotte ganz nach den spezifischen Golf-Turnier-Anforderungen entwickelt. Sie lassen sich sowohl bei normalen Tour-Events einsetzen ebenso wie bei Major Championships oder Ryder Cups. Zudem verfügt ETP über eigenes Produktionspersonal mit besonderer Affinität zum Golfsport. Dieses arbeitet eng mit CTVs Technik-Team und einem Pool aus Freelance-Kameraleuten und anderen Spezialisten, die auf der European Tour mit dabei sind, zusammen. Die ETP reist mit jeweils 13 Trucks auf der European Tour von Golf-Event zu Golf-Event. Wenn ein Turnier noch läuft wird bereits die technische Infrastruktur und Verkabelung für das nächste vorbereitet.
Die ETP sei jede Woche im Jahr unterwegs und habe lediglich zwei Unterbrechungen, und zwar zu den Masters und den US Open. Das Unternehmen produziert neben der European Tour unter anderem auch die Asian Tour, die Sunshine Tour in Südafrika und die European Seniors Tour. Dazu gibt es auch ein Non Live Team bestehend aus einigen Kameramännern, die bei anderen Golfturnieren unterwegs sind, um dort Highlight-Packages zu produzieren. Zum Tour-Tross zählen unter anderem zwei Ü-Wagen, ein Uplink-Fahrzeug, Gerätefahrzeuge, 70 Meter und 30 Meter hohe Kräne, die als RF-Sendemasten mit Funkkamera-Antennen (18 Antennen von zwei bis fünf Meter Höhe) bestückt sind, und ein 46 Meter hoher Kamerakran. Dazu kommt noch ein Generator-Truck, mit dem die komplette Stromversorgung der Produktion autark und redundant gewährleistet werden kann. Die beiden dort eingesetzten Stromgeneratoren liefern jeweils rund 200 KW.
Die ETP-Produktionstrucks werden bei allen Turnieren in Europa und dem Mittleren Osten eingesetzt. Lediglich die Turniere der European Tour in China und Südafrika werden mit Ü-Wagen von externen Dienstleistern bedient. In China arbeitet die ETP mit dem Staatssender CCTV zusammen und in Südafrika mit DTF (Dimension Television Facilities). Bei den einzelnen ETP-Produktionen sind jeweils rund 130 Mitarbeiter im Einsatz.
Produziert wird mit 14 kabelgebundenen HD-Kameras und vier Funk-Kameras, hauptsächlich von Sony. In Eichenried waren 18 Kamerapositionen vorverkabelt. Einige Kameras mussten deshalb immer wieder mal umziehen. „Alle Kamerapositionen werden wechselnd besetzt. Am ersten Tag vom sechsten bis zum 18. Loch. Wir haben insgesamt 18 Kameras im Einsatz, mit denen wir den ganzen Kurs bedienen können. Die interessanten Spieler verfolgen wir hauptsächlich mit den Drahtlos-Kameras. Und die Kameraposition für drahtgebundene Kameras bauen wir um, je nachdem, wo das Geschehen gerade am Spannendsten ist“, berichtete Gary Boultwood, Manager Production Operations bei der European Tour Production beim mebulive-Besuch auf dem TV Compound.
Die Signale der Drahtlos-Kameras wurden mit Gigawave-Technik übertragen. Die Herausforderungen bei Drahtlos-Übertragungen sind auf jedem Golfplatz andere. „Der Golfplatz in Eichenried ist ziemlich flach, hat aber viele Bäume. Das macht es etwas schwieriger für die Drahtlos-Übertragung der TV-Signale. Wir brauchen also mehr Sendeantennen und Verstärker auf dem Platz“, sagt Boultwood. Man arbeite mit drei Haupt-Transmitter-Plätzen und zwei kleineren Füll-Transmitterplätzen, die nur bei Bedarf eingesetzt würden, zum Beispiel wenn es zu regnen beginnt und sich dadurch die ganze Dynamik der Drahtlos-Übertragung ändere. Die Drahtlos-Übertragung sei ein sich konstant ändernder Prozess.
Unter den Drahtlos-Kameras der ETP war auch eine Phantom Super Slow Motion Kamera, mit der interessante Schläge der Top-Spieler eingefangen wurden. Mit ihr war ein Drei-Mann/Frau-Team permanent auf dem Platz unterwegs. Sie lieferte laut Boultwood Aufnahmen mit circa 2.500 Bildern pro Sekunde (5.000 waren möglich).
Eines der Produktionshighlights auf der Tour ist das sogenannte Virtual Eye, das eine virtuelle Darstellung des gesamten Golfplatzes liefert. Mit diesem Tool ist es möglich, ähnlich wie mit einem Helikopter, jeden Punkt auf dem Golfplatz aus der Vogelperspektive anzusteuern. Um die Animation zu erstellen, ist es nötig, eine stereoskopische Kamera über den Golfplatz fliegen zu lassen. Aus diesen Bildern wird dann ein Modell erstellt und im letzten Schritt Details, wie neue Bunkerpositionen, angepasst und Häuser und Tribünen hinzugefügt.
An sechs Löchern wurde in Eichenried zudem der sogenannte Toptracer eingesetzt. Damit ist es möglich den Ballflug nach dem Abschlag grafisch darzustellen. Dieses System, bislang als Protracer bekannt, wird unter anderem auch vom Golf Channel und von NBC genutzt, auch auf der PGA Tour und der LPGA. Protracer und sein schwedisches Entwicklerteam waren im Mai 2016 von der Topgolf Entertainment Group (TEG) in Dallas, USA, übernommen worden. Das System wurde anschließend in Toptracer umbenannt.
Der Vertrag zwischen der ETP und CTV ist im vergangenen Jahr ausgelaufen und wurde um weitere fünf Jahre verlängert. Dabei hatte man eigentlich in Erwägung gezogen, die sehr aufwändige Produktionsform, bei der man mit großem Fahrzeugtross durch die Lande zieht, gegen eine zentralisierte Remote-Produktion auszutauschen und mit neuen Partnern und neuer Technik an den Start zu gehen. Den Mut zu Innovationen hatte man dann aber wohl nicht. Zunächst bleibt also erst einmal alles wie es war.
In Eichenried hatte man im Vergleich zur letzten Veranstaltung auf dem Golfplatz vor zwei Jahren eine umfangreiche Glasfaserverkabelung im Einsatz. „Dadurch konnte der Bedarf an Triax und anderen Kabel um die Hälfte reduziert werden“, berichtete Boultwood. „Die Glasfaseranbindung der Kamerapositionen brauchen wir auch, wenn wir künftig in 4K/UHD produzieren wollen“, meinte er. Im Moment sei das noch nicht der Fall, weil noch keine Broadcaster die TV-Signale von der European Tour in 4K/UHD angefragt hätten. Aber man wolle darauf vorbereitet sein. Das gelte auch für die Ü-Wagen-Technik. In diesem Jahr sind mit OB12 und OB12B zwei neue Ü-Wagen für CTV gebaut worden. Beide sind 4K-tauglich und mit IP-Infrastruktur ausgerüstet. Sie sollen in der kommenden Golfsaison ab April 2020 von der ETP eingesetzt werden.
Pläne für 4K/UHD-Produktion
Auch die alten Ü-Wagen von CTV sollen sukzessive für den 4k/UHD-Einsatz umgebaut werden. „HDR spielt für CTV eine nicht so große Rolle“, meinte Boultwood. Bei den in München-Eichenried genutzten Produktionsfahrzeugen dagegen gab es kaum Veränderungen. Dazu wurde die Zahl der produzierten Signale reduziert. „Vor zwei Jahren haben wir hier drei Feeds für die Broadcaster produziert, heute nur noch ein Feed, weil das gut genug ist, um damit alle Broadcaster zu bedienen“, sagte Boultwood. Lediglich die ARD bekam noch ein Extra-Grafik-Signal geliefert. Hiermit wurde sichergestellt, dass bei Grafikeinblendungen keine Werbetafeln oder Firmenlogos, außer die von Hauptsponsor und Namensgeber BMW, zu sehen waren.
In Eichenried hatte man zwar zwei Ü-Wagen dabei, genutzt wurde von ihnen aber nur eine Regie. Beim letzten Event wurde die zweite Regie noch von Sky Deutschland genutzt. „Wir haben weniger Produktionsleute von den Sendern hier als früher. Die nehmen bei den Live-Übertragungen unser Weltsignal und den Kommentar vom Golf Channel“, erzählte Boultwood.
Auch Sport1 nutzte wie Sky für die Live-Übertragung das von ETP gelieferte internationale Signal, ebenso wie ein Newsfeed mit den Interviews der Player nach einer gespielten Runde. Sport1 hatte lediglich einen Producer vor Ort, aber kein Kamera-Team. Auch für Streaming wurde das ETP-Worldfeed genutzt. Extra-Streams wurden keine produziert. Allerdings war in Eichenried der Bayerische Rundfunk mit einem Dreier-Team unterwegs. Neben dem Redakteur zählten dazu ein Kameramann und ein LiveU-Operator mit Sende-Rucksack. Am-Ü-Wagen-Compound standen dazu zwei SNGs des BR.
Auch Produktionsdienstleister UCom war im Auftrag von BMW Golf Sports in Eichenried wieder unterwegs und machte Interviews mit eigenem Kamerateam.
Die ursprünglich einmal angedachte Remote-Produktion hat ETP erst einmal nicht mehr auf der Prioritätenliste. „Wir untersuchen weiterhin die Möglichkeiten, die uns die Remote-Produktion bieten könnte, wissen aber auch, dass wir damit die nötige Teamgröße nur unwesentlich reduzieren können. Wir brauchen weiter Kameraleute und Techniker vor Ort, sowie Leute, die die Signalübertragung sicherstellen“, meinte Boultwood. Erschwerend für die Remote-Produktion sei, dass nicht alle Golfplätze über ausreichende Glasfaserverbindungen verfügen würden. Das sei meist nur in den Ballungszentren der Fall.
Kameratechnisch hatte ETP den Einsatz von Minikameras verstärkt. Die wurden beispielweise an Tee 1 und Tee 18 vor dem Abschlag unten und hinter dem Abschlag oben eingesetzt. Boultwood: „Die Qualität der Minicams hat sich in den letzten Jahren stark verbessert. Sie liefern uns neue interessante Perspektiven.“
Eckhard Eckstein
MB 3/2019