Neue Perspektiven

Die BMW International Open fanden in diesem Jahr wieder im Golfclub München-Eichenried statt. Übertragen wurde das zur European Tour zählende Top-Golf-Turnier von Sport1 und Sky. Produziert wurde es von der European Tour Productions (ETP). Sie überlegt, wie sie große internationale Golfturnier-Serien künftig effizienter für die Übertragung in TV und Internet aufbereiten kann. Neue Technik wäre dazu nötig.

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Neue Perspektiven

Die BMW International Open sind ein seit 1989 ununterbrochen ausgetragenes Golfturnier der European Tour. Mittlerweile wird es im jährlichen Wechsel auf den Plätzen in Pulheim bei Köln und München Eichenried ausgetragen. Mit etwa 60.000 Zuschauern über die gesamte Woche hinweg sind die BMW International Open das größte professionellste Golfturnier Deutschlands.

In diesem Jahr (22. – 25. Juni) war Andres Gomero aus Argentinien der Überraschungssieger des Turniers. Er siegte mit einem Schlag Vorsprung vor dem Spanier Sergio Garcia, dem Engländer Richard Bland und dem Belgier Thomas Detry (alle -16). Der zweimalige Majorsieger Martin Kaymer hatte, wie schon vor zwei Jahren, wieder knapp den Cut in München Eichenried verpasst und war am Wochenende nicht mehr dabei. Das tat dem großen Besucherandrang bei den BMW Open keinen Abbruch. Das exzellente Spielerfeld auf dem Championship Course in Eichenried sorgte für enormes Interesse am Golfsport. Dem versucht auch das Fernsehen Rechnung zu tragen. Live-Übertragungen vom Golf Club Eichenried gab es auf Sport1 im Free-TV und bei Sky im Pay-TV. Sky Deutschland hatte im März 2015 die Laufzeit für seine Übertragungsrechte an der European Tour verlängert. Sie beinhalten den Ryder Cup 2016 und 2018, die vier Turniere der World Golf Championships, die Asian Tour und die Sunshine Tour sowie die Höhepunkte der European Seniors Tour und der Challenge Tour. Neben den exklusiven Live-Übertragungsrechten via Satellit und Kabel umfasst der Vertrag die exklusiven Internet-, IPTV- und Mobile-Rechte für Deutschland und Österreich. Sky sendete vom Turnier nicht nur täglich am Nachmittag, sondern auch via Sky Go als Online-Stream. Auch Sport1 war mit einem Internet-Stream (sport1.de und Facebook Live) am Start. Der war kostenlos zu nutzen. Tageszusammenfassungen gab es auf Sport1 und n-tv. Und wer keine Bilder empfangen konnte, der hatte die Möglichkeit über Meinsportradio.de das Turniergeschehen als Audiostream zu hören. Über die offizielle App lief das Turnierradio ebenfalls.

Die Golf-Turniere der European Tour werden von der European Tour Productions (ETP) für die TV-Übertragung produziert. Dabei handelt es sich um ein 1992 gegründetes Joint Venture zwischen der PGA European Tour und der internationalen Sport- und Medienbusiness-Firma IMG Media in London. Bei der Außenübertragung arbeitet das Unternehmen mit dem britischen Dienstleister CTV zusammen, hat allerdings auch eine eigene Ü-Wagen-Flotte ganz nach den spezifischen Golf-Turnier-Anforderungen entwickelt. Sie lassen sich sowohl bei normalen Tour-Events einsetzen ebenso wie bei Major Championships oder Ryder Cups. Zudem verfügt ETP über eigenes Produktionspersonal mit besonderer Affinität zum Golfsport. Dieses arbeitet eng mit CTVs Technik-Team und einem Pool aus Freelance-Kameraleuten und anderen Spezialisten, die auf der European Tour mit dabei sind, zusammen. Die ETP reist mit jeweils 13 Trucks auf der European Tour von Golf-Event zu Golf-Event. Wenn ein Turnier noch läuft wird bereits die technische Infrastruktur und Verkabelung für das nächste vorbereitet. So war man am Wochenende nach München Eichenried bereits bei der HNA Open de France in Paris (29.6. bis 2.7.2017). Die Produktionswagen fuhren dort auf den Technik-Compound und konnten sogleich verkabelt werden. „Die ersten Trucks sind bereits zwei Stunden nach Ende eines Turniers gepackt und auf der Straße“, erklärt Gary Boultwood, Manager Production Operations bei der European Tour Production beim MEDIEN BULLETIN-Besuch auf dem TV Compound.

Die ETP sei jede Woche im Jahr unterwegs und habe lediglich zwei Unterbrechungen und zwar zu den Masters und den US Open. Das Unternehmen produziert neben der European Tour unter anderem auch die Asian Tour, die Sunshine Tour in Südafrika und die European Seniors Tour. Dazu gibt es auch ein Non Live Team bestehend aus einigen Kameramännern, die bei anderen Golfturnieren unterwegs sind, um dort Highlight-Packages zu produzieren. Zum Tour-Tross zählen unter anderem zwei Ü-Wagen, ein Uplink-Fahrzeug, Gerätefahrzeuge, 70 Meter und 30 Meter hohe Kräne, die als RF-Sendemasten mit Funkkamera-Antennen (18 Antennen von zwei bis fünf Meter Höhe) bestückt sind, und ein 46 Meter hoher Kamerakran. Dazu kommt noch ein Generator-Truck, mit dem die komplette Stromversorgung der Produktion autark und redundant gewährleistet werden kann. Die beiden dort eingesetzten Stromgeneratoren liefern jeweils rund 200 KW.

Die ETP-Produktionstrucks werden bei allen Turnieren in Europa und dem Mittleren Osten eingesetzt. Lediglich die Turniere der European Tour in China und Südafrika werden mit Ü-Wagen von externen Dienstleistern bedient. In China arbeitet ETP mit dem Staatssender CCTV zusammen und in Südafrika mit DTF (Dimension Television Facilities). Bei den einzelnen ETP-Produktionen sind jeweils rund 130 Mitarbeiter im Einsatz.

Produziert wird mit 14 kabelgebundenen HD-Kameras und vier Funk-Kameras, hauptsächlich von Sony. In Eichenried waren 18 Kamerapositionen vorverkabelt. Einige Kameras mussten deshalb immer wieder mal umziehen. „Alle Kamerapositionen werden wechselnd besetzt. Am ersten Tag vom sechsten bis zum 18. Loch. Wir haben insgesamt 18 Kameras im Einsatz, mit denen wir den ganzen Kurs bedienen können. Die interessanten Spieler verfolgen wir hauptsächlich mit den Drahtlos-Kameras. Und die Kameraposition für drahtgebundene Kameras bauen wir um, je nachdem, wo das Geschehen gerade am Spannendsten ist“, meint Boultwood. Die Signale der Drahtlos-Kameras wurden mit Gigawave-Technik übertragen. „Das ist die Wahl von CTV. Wir würden auch Link nehmen oder beide Systeme mixen“, meint Boultwood.

Die Herausforderungen bei Drahtlos-Übertragungen seien auf jedem Golfplatz andere. „Der Golfplatz in Eichenried ist ziemlich flach, hat aber viele Bäume. Das macht es etwas schwieriger für die Drahtlos-Übertragung der TV-Signale. Wir brauchen also mehr Sendeantennen und Verstärker auf dem Platz“, sagt Boultwood. Man arbeite mit drei Haupt-Transmitter-Plätzen und zwei kleineren Füll-Transmitterplätzen, die nur bei Bedarf eingesetzt würden, zum Beispiel wenn es zu regnen beginnt und sich dadurch die ganze Dynamik der Drahtlos-Übertragung ändere. Die Drahtlos-Übertragung sei sich konstant ändernder Prozess. Unter den Drahtlos-Kameras der ETP war auch eine Phantom Super Slow Motion Kamera, mit der interessante Schläge der Top-Spieler eingefangen wurden. Mit ihr war ein Zwei-Mann-Team permanent auf dem Platz unterwegs.

Eines der Produktionshighlights auf der Tour ist das sogenannte Virtual Eye, das eine virtuelle Darstellung des gesamten Golfplatzes liefert. Mit diesem Tool ist es möglich, ähnlich wie mit einem Helikopter, jeden Punkt auf dem Golfplatz aus der Vogelperspektive anzusteuern. Um die Animation zu erstellen, ist es nötig, eine stereoskopische Kamera über den Golfplatz fliegen zu lassen. Aus diesen Bildern wird dann ein Modell erstellt und im letzten Schritt Details, wie neue Bunkerpositionen angepasst und Häuser und Tribünen hinzugefügt. An vier Löchern wurde in Eschenried zudem der sogenannte Toptracer eingesetzt. Damit ist es möglich den Ballflug nach dem Abschlag grafisch darzustellen. Dieses System, bislang als Protracer bekannt, wird unter anderem auch vom Golf Channel und von NBC genutzt, auch auf der PGA Tour und der LPGA. Protracer und sein schwedisches Entwicklerteam waren im Mai 2016 von der Topgolf Entertainment Group (TEG) in Dallas, USA, übernommen worden. Das System wurde anschließend in Toptracer umbenannt.

Die ETP verkauft die von ihr produzierten Bilder an rund 60 Sender weltweit. Die meisten davon nutzen das von der ETP angebotene Gesamtpaket aus Bild und englischem Kommentar, ebenso wie die Highlight-Zusammenfassungen mit englischem Kommentar. Andere Sender wie Sky Deutschland und Sport1 in Eichenried kombinieren ihren eigenen Kommentar mit den ETP-Bildern. Sky Deutschland profitierte bei den BMW Open von der Präsenz der Sky-Gruppe mit Sky UK auf dem TV-Compound. Sie hatte dort zwei Drittel des Platzes im zweiten Ü-Wagen der ETP mit eigener Mannschaft unter Beschlag genommen und produzierte dort auf Basis des von der ETP im ersten Ü-Wagen erstellten Weltsignals ihr eigenes Programm. Ein Extra-Feed ging laut Boultwood an den Golf Channel in den USA. „Unsere Sender-Partner auch mit eigenen Trucks kommen und kriegen dann von uns Clean oder Dirty Feed, was immer sie wünschen. Das rechnet sich für die aber meist nicht“, sagt Boultwood. Die Produktion der BMW Open sei etwas größer als die der ETP-Standard-Events, weil hier zusätzliche Jobs für Sport.1 und BMW anfallen würden und alle damit zusammen hängenden Anforderungen abzudecken seien.

BMW als Organisator des Golfturniers, so Boultwood, erhalte neben dem Weltsignal auch die Bilder für das Tournament-Television und die von Sonderproduktionen. Eine solche war in Eichenried zum Beispiel die Produktion der Digital Golf Clinic. Sie wurde von U.Com auf Auftrag von BMW und SAP produziert. „Wir nehmen diese Bilder und setzen sie in die Cloud damit sie von diversen Plattformen genutzt werden können“, berichtet der Produktionsmanager. Bei der halbstündigen Liveproduktion erklärten der wohl weltweit bekannteste Golflehrer David Ledbetter, der auch SAP-Markenbotschafter ist, und Ryder-Cup Spieler Rafa Cabrera Bello die Feinheiten des Golfschwungs. Via Facebook hatten Zuschauer die Möglichkeit, Fragen zur Schwungtechnik zu stellen, die die beiden Golf-Experten dann auf der Driving Range in Eichenried zu klären versuchten. Von U.Com eingesetzt wurden bei dieser Produktion vier Kameras, darunter zwei Moderationskameras, sowie eine, die Schwung und Ballflugkurve von hinten zeigte und eine 6x Grass Valley Highspeed-Kamera. Zu sehen waren die Bilder auf diversen Internet-Plattformen, neben Facebook auch auf SAP-, BMW- und Golf.de-Webseiten.

Die ETP will laut Boultwood die Qualität ihrer Golf-Produktionen weiter verbessern. „Wir denken ständig über neue Produktionsstrategien nach und wie wir das Produkt weiter voran bringen können“, erklärt er. Auch Dinge wie VR und 360-Grad-Video habe man in der Pipeline. Wichtig sei dabei aber, möglichst konsistente Produktionen über alle Events hinweg zu garantieren. Dazu seien natürlich auch Investitionen in neue Technik nötig. So arbeitet die ETP immer noch mit XT2-Servern von EVS. „Wir wollen vielleicht im nächsten Jahr das technische Set-up weiter erneuern. Es ist auch an der Zeit, auf XT3-Maschinen zu wechseln“, meint Boultwood.

An anderer Stelle in Eichenried war zu hören, dass der Vertrag zwischen der ETP und CTV im nächsten Jahr ausläuft. Die Frage sei, ob man die bisherige ETP-Produktionsform, bei der man mit großem Fahrzeugtross durch die Lande zieht, noch zeitgemäß sei, hieß es. Gut möglich wäre, dass die European Tour künftig mit neuen Partnern und neuer Technik für TV und Internet produziert würde.

Eckhard Eckstein

MB 3/2017