Technik schafft deutlichen Mehrwert

Im September ging im Golf Club Sankt Leon-Rot der Solheim Cup 2015 über die Bühne. Die besten europäischen und US-amerikanischen Golf-Proetten standen sich hier im Team-Wettbewerb gegenüber. MEDIEN BULLETIN besuchte die mit hohem Technikaufwand und viel Engagement betriebene TV-Produktion des Events. Für das Weltbild zeichnete U.COM Media verantwortlich.

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Technik schafft deutlichen Mehrwert

Dauerregen begleitete die Vorbereitungen der TV-Produktionsteams beim Solheim Cup 2015 in Sankt Leon-Rot. Der Aufbau der Technik inklusive Einrichtung der TV-Compounds, Aufbau der Kamerapositionen und Verlegung von 45 Kilometer Kabel geschah bei Nässe und Matsch. Immer wieder erstaunlich ist da, wie professionell und auf den Punkt genau die Technik-Crews selbst bei solch widrigen Umständen ihren Job machen. In der Außenübertragung ist ein hohes Maß an Flexibilität gefragt. Man weiß ja nie, wie das Wetter mitspielt. In Sankt Leon-Rot hatte man am Ende noch Glück. Pünktlich zum Start des Frauen-Golf-Turniers am Freitag ließ der Regen nach.

Auf dem Gelände des Golfplatzes GC Sankt Leon-Rot hatte man zwei TV-Compounds eingerichtet. Auf dem ersten, ganz in der Nähe des Clubhauses, waren Ü-Wagen für den unilateralen Einsatz geparkt. Mit Übertragungstechnik vertreten waren hier der Südwestrundfunk (SWR), BSkyB aus England und der Golf Channel aus den USA. BSkyB hatte den neuen topmodernen Ü-Wagen Ü8 von TV Skyline (siehe Beitrag in dieser Ausgabe) angemietet, der Golf Channel einen HD-Ü-Wagen von NEP TV. Der SWR war mit einem eigenen HD-Ü-Wagen vor Ort.

Auf dem rund 1,5 Kilometer entfernten zweiten Compound hatte sich U.COM Media als Produzent des Weltbildes mit Büro-Containern, zwei großen Ü-Wagen von Mediatec und weiteren Fahrzeugen von Dienstleistern wie LMC Live Motion Concept und Die Fernsehwerft eingerichtet. U.COM produziert als offizieller Ladies European Tour Production Partner über das ganze Jahr hinweg die Turniere der Ladies European Tour und auch viele andere Golfturniere und zählt somit zu den im Golfsport besonders erfahrenen Produktionsunternehmen.

„Die Nutzung von zwei Ü-Wagen-Compounds hat rein logistische Gründe“, erklärt U.COM-Geschäftsführer Dirk Glittenberg. „Wir haben uns für die Weltbild-Produktion einen Platz suchen müssen, der möglichst zentral liegt und von dem aus wir die Verkabelung der Kamerapositionen an den einzelnen Spielbahnen am einfachsten bewerkstelligen können. Und das ist hier in der Nähe des ersten Abschlags.“ Den unilateralen Sendern auf dem anderen Compound würde das in den Mediatec-Ü-Wagen produzierte Weltbild und auch einzelne Kamera- und Audiosignale per Glasfaserkabel über einen extra für den Solheim Cup eingerichteten Schaltraum übergeben. Auch andere unilaterale Sender waren vor Ort, allerdings nicht mit Ü-Wagen, sondern nur mit EB-Teams oder wie NBC News mit einem SNG. „U.COM hilft denen in allen Fragen. Wir sind auch für die unilateralen Services zuständig. Alles, was die TV-Teams der Rechtehalter brauchen, bekommen sie von uns, angefangen von den Signalen bis hin zu Funk- oder Spezialkameras“, sagt Glittenberg.

Technikeinsatz

Allein für die Produktion des Worldfeeds hatte U.COM 150 Mitarbeiter am Start. Regie führte Felix Marggraff, als Worldfeed-Producer war Robin Hewer verantwortlich und als Produktionsleiter bei U.COM Stefan Kerkmann. Das selbe Team ist auch für die Contenterstellung der Weltbildproduktion der Ladies European Tour verantwortlich.

Nicht nur beim Golf, sondern auch bei anderen Sportarten wie Basketball (siehe MEDIEN BULLETIN 4/2015) oder Eishockey arbeitet U.COM gerne mit Ü-Wagen-Dienstleister Mediatec zusammen, der unlängst von NEP TV übernommen wurde. Mediatec bezeichnet Glittenberg als einen „sehr guten, verlässlicher Partner“. In Sankt Leon-Rot hatte man mit dem HD 1 und dem HD12 zwei große Mediatec-Ü-Wagen aufgebaut. „Wir brauchen auf Grund der Größe der Produktion und der Zahl der eingesetzten Kameras sehr viel Platz und technische Kapazität“, meint der U.COM-Geschäftsführer. Und Produktionsleiter Kerkmann erklärt: „Die Hauptregie, wo alle Kamerasignale auflaufen und wo wir mit drei EVS-Servern arbeiten, ist im HD1. Dann haben wir noch zwei Submix-Regien, eine im HD1 und die andere im HD12. Diese Regien sind nochmal mit je zwei EVSen ausgestattet. Da kann man also mitproduzieren und all das nachreichen, was die Hauptregie nicht abgebildet bekommt. Zusätzlich haben wir noch die sogenannte ‘unsaubere Nachreich-Lösung’ mit zwei weiteren mitproduzierenden EVSen, falls etwas in allen drei Regien nicht realisiert werden kann.“ Als Grafik-Dienstleister hatte man wieder Keytoq aus Leipzig an Bord. „Mit denen arbeiten wir ebenso eng und kollegial zusammen wie mit Mediatec“, betont Kerkmann.

Am Finaltag waren nach seinen Angaben 25 kabelgebundene Kameras an 43 Positionen, sechs drahtlose sowie eine drahtlose UltraSlomotion Antelope Air-Kamera von LMC im Einsatz. Dazu kam eine kabelgebundene Jimmy Jib Krankamera und an der 15. Bahn noch eine spezielle Seilzug-Kamera. Dabei handelte es sich um die BowCam der Spidercam GmbH. Dazu gab es auf Grün 4 noch eine Kamera mit kalibriertem Stativkopf. „Sie erlaubt, virtuelle Grafiken einzubinden. Selbst wenn sich die Kamera bewegt bleiben die Grafiken so, als seien sie aufs Grün gemalt,“ erklärt Kerkmann. U.COM hatte bei der Solheim Cup-Produktion auch zwei Steiger angemietet. Die hatten eine Doppelfunktion. Einer war mit Kameramann und großer 86fach Optik besetzt sowie mit einer BeautyCam mit Fishey-Optik, um den kompletten Golfplatz von oben zu zeigen. „Der zweite Kran dient dazu, unsere Funktechnologie über den gesamten Golfplatz zu spannen. Bei allen Golf-Turnieren arbeiten wir dabei mit den Berliner Funktechnik-Spezialisten von rentEvent zusammen. Die machen immer einen hervorragenden Job und haben uns noch nie im Stich gelassen, egal ob in Dubai oder China, wo es oft große Probleme bei der Funkübertragung gibt. Wir konnten auch dort immer ohne Drop Outs senden“, berichtet Glittenberg. Die Funkantennen an dem Steiger nehmen die Signale der Funkkameras auf und senden sie dann in den Ü-Wagen, wo sie weiter verarbeitet werden.

Protracer-Systeme

Ebenfalls eingesetzt wurden an den Abschlägen von drei Spielbahnen (1, 13 und 15) das Golfball-Tracking-System Protracer der schwedischen Firma Pro Tracer AB. Mit ihnen kann man Ballfluganalysen machen und den Ballflug als Grafik-Overlay auf Live-Bildern zeigen. Die Protracer-Systeme waren jeweils mit einer kleinen Antelope Pico-Kamera von LMC gekoppelt, so dass man auch Ultra-Slomotion-Replays mit bis zu 350 Bildern pro Sekunde von der Protracer-Position machen konnte. Das Protracer-System arbeitet mit Spezialkameras. Sie verfügen nur über die Eigenschaften, die es braucht, um den Ballflug zu tracken. Ihr Bildoutput ist von der Qualität her nicht sendefähig. „Das Bild der Protracer-Kamera wird mit dem der Pico gematcht, die im gleichen Stativ direkt darüber sitzt. Gezeigt wird deren Bild dann mit den Informationen der Protracer-Kamera, um die Flugkurve live zu animieren“, erklärt Nikolai Bonstedt, Produkt Manager von Antelope Camera Systems. „Hier beim Solheim Cup haben wir noch mal eine Schippe drauf gelegt. Wir zeigen nicht nur die Flugkurve im Live-Feed, sondern auch in der Ultraslomotion- beziehungsweise in der Highspeed-Version. Dazu haben wir uns mit Pro Tracer zusammen getan und die Antelope Pico Protracer gebaut“, sagt er. Der Regisseur könne jetzt die Feeds der POV Pico-Kameras zu rAnalyse live schneiden und zusätzlich im EVS-Replay nochmal verlangsamt zeigen. Bonstedt: „Da sieht man dann perfekt die Bewegungsabläufe der Spielerinnen, wie der Schlägerkopf im Treffmoment einsetzt wird und welche Flugkurve, Fade oder Draw, dabei zustande kommt.“ Die animierten Flugkurven der Golfbälle lassen sich verschieden farbig einfärben. Durch eine neue Variante von Protracer mit 3D-Kamera-Anordnung kann Protracer weitere Analysen zur Schwung- und Ballgeschwindigkeit oder zur Gesamtweite des Ballflugs machen, die grafisch ebenfalls dargestellt werden können. „Die Analysen und grafischen Informationen bieten Golf-Übertragungen im Fernsehen einen deutlichen Mehrwert“, meint Bonstedt. Von LMC gesponsert wurde in Sankt Leon-Rot auch eine drahtlose UltraSlowMotion-Kamera vom Typ Antelope Air eingesetzt. Deren Signale werden mit Hilfe eines von rentEvent aus Berlin in Kooperation mit LMC entwickelten Funk-Rucksacks übertragen. In einem eigenen Operatorplatz im LMC-Wagen werden dann Replays gefahren. Die Antelope liefert bis zu 2.560 Bilder pro Sekunde in HD 1.080 und ermöglicht damit sehr detailgetreue Aufnahmen, die auch gerne als Hintergrundbilder für Grafiken, zum Beispiel von Spielständen, genutzt werden. “Der große Ein-Zoll Sensor in der Kamera liefert eine Art Filmlook. „Was ich an der Antelope so schön finde ist die Doppelnutzungsoption. Auf der einen Seite kann man sehr schön Analysen machen und technische Details zeigen und auf der anderen Seite ist es ein wunderbares Tool, um Gesichter zu zeigen und um Emotionen zu transportieren“, sagt Bonstedt. Zudem würden alle Antelope-Kameras den großen Vorteil bieten, dass sie nicht nur im Ultraslomotion- beziehungsweise Highspeed-Modus eingesetzt werden können, sondern über einen zweiten Ausgang gleichzeitig auch als ganz normale Live-Kameras.

Luftaufnahmen

Aufnahmen vom Solheim Cup 2015 gab es auch aus der Luft. Der Golf Channel hatte ein Flugzeug mit einem Gyro-stabilisierten Kamerasystem und 40x Optik im Einsatz. Der konnte nicht nur Beautyshots machen, sondern auch Ballflüge aus dem Flugzeug zeigen. „Der Regisseur ist mit dem Kameramann im ständigen Kontakt und gibt Anweisungen, wo er hinfliegen und welchen Ballflug er zeigen soll. So können wir zum Beispiel bei einer Paar 5-Bahn den zweiten Schlag Richtung Grün theoretisch auch von der Seite aus dem Flugzeug heraus zeigen“, sagt Glittenberg. Um den Ton vom Geschehen auf dem Platz zu transportieren waren Mikrofone an jeder Tee Box und an jedem Grün platziert. Dazu waren sechs Mikrofon-Pointer mit Richtmikrofonen unterwegs, um den Ball-Impact auf dem Fairway aufzunehmen oder auch einmal die Konversation zwischen den Spielerinnen, ihren Cadies und Kapitäninnen. „Natürlich haben wir vorher gefragt, ob das in Ordnung ist. Aber alle waren sich darüber im Klaren, dass sie der Attraktivität des Golfsports helfen, wenn der Zuschauer auch mal an ihren strategischen Überlegungen Anteil haben kann“, berichtet Glittenberg.

Kooperation mit SAP

U.COM arbeitete beim Solheim Cup auch eng mit SAP zusammen, offizieller Technologie-Partner des Events. Hierbei ging es um Erstellung von Animationen, die auch ins Worldfeed integriert wurden. „Gezeigt wurde zum Beispiel die Ondulierung der Grüns, wo wir versuchen für den Zuschauer die Breaks des Grüns mit den jeweiligen Gefällesituationen grafisch darzustellen, ähnlich wie das der Golf Channel bei seinen PGA-Übertragungen macht,“ meint Glittenberg. Da auch die Windrichtung und -stärke beim Golf eine wichtige Rolle spielt wurden auch hierzu grafische Darstellungen angeboten. Da SAP stark im Segelsport engagiert ist hat das Unternehmen sich mit dem Thema auch schon dort befasst. Glittenberg: „Wir haben Windmesser auf der Anlage, die speziell von SAP ursprünglich für Übertragungen von Segelregatten entwickelt wurden und nun erstmals auch beim Golf zum Einsatz kommen.“ Der weitere Einsatz dieser Technologien beim Golf hänge künftig jedoch vom verfügbaren Produktionsbudget ab. „SAP hat sicher großes Interesse daran, im Golf stärker Flagge zu zeigen und hier seine Technologie zu präsentieren, wie auch schon beim Damentennis oder Segeln. Beim Golf bietet sich ihr Einsatz an, ebenso wie der von Protracer- und Ultraslomotion-Systemen, um den Sport für den normalen TV-Zuschauer erklärbarer und damit auch attraktiver zu machen. Das war letztlich nicht nur das Ziel der U.COM-Produktion, sondern auch der Veranstalter des Solheim Cups. Sie wollten das Event auch dazu nutzen, das Publikumsinteresse am Golfsport zu steigern. Und die sehr stark taktisch geprägte Matchplay-Situation bei Golf-Tunieren wie dem Solheim Cup mache es nocheinmal wichtiger, den Zuschauer am TV-Gerät die Feinheiten des Sports näher zu bringen. Glittenberg: „Wir müssen ihnen sagen, warum einzelne Spieler wohin spielen, warum einer im Team angreift und der andere defensiv spielt. Damit verbunden sind neue dramaturgische Möglichkeiten, die unser Team wiederum vor große Herausforderungen stellt. Aber es ist für uns als deutsches Unternehmen auch ein Anliegen, zu zeigen, dass wir auch ganz gut Golf produzieren können und nicht nur die Engländer oder die Amerikaner. Und unsere Kameraleute machen einen wirklich hervorragenden Job bei der Golf-Produktion.“ Er räumt zugleich aber auch ein, dass man immer sehr kollegial mit den Produktionsteams aus England und Amerika zusammen arbeitet. Allerdings verfolge man meist unterschiedliche Produktionsstrategien. Glittenberg: „Die Amerikaner versuchen eine maximale Zahl an Schlägen zu zeigen. Wir hingegen versuchen, eher eine Geschichte zu erzählen, bleiben deshalb länger bei einer Gruppe und zeigen wie die ein Loch zu Ende spielt. Bei der PGA Tour-Übertragung in den USA hingegen wir kontinuierlich umgeschnitten. Das wirkt etwas hektisch und mach die Sache unübersichtlich. Aus meiner Sicht ist das kontraproduktiv, weil das gerade die Leute, deren Interesse wir am Golfsport gewinnen wollen, wegschalten. Sie verstehen oft nicht, was da eigentlich passiert.“ In Europa hingegen sei man eher bemüht, einem breiten Publikum und nicht nur den eingefleischten Golf-Fans interessante Geschichten zu erzählen. Beim Solheim Cup wurden dazu von U.COM neben der Worldfeed-Übertragung auch viele Behind-the-Scene- und Nebengeschichten produziert, die auch über die von SAP angebotene Fan-App abgerufen werden konnten. „Alle News, die von der Anlage kommen, sind von uns, alle Videos und New-Media-Beiträge. Internet Plattformen können über unseren U.COM-Server auf all diese Dinge zugreifen. Es gibt sowohl deutsch als auch englisch vertonte Varianten dieser Filme. Dieser Service ist kostenfrei“, erklärt Glittenberg. Sehr viele Hintergrund-Informationen zum Golfsport wurden auch bei den Übertragungen von ARD und SWR vermittelt. Der SWR war von Freitag bis Sonntag über die ganze Übertragungsstrecke dabei, die ARD berichtete am Sonntag im Hauptprogramm live. U.COM-Geschäftsführer Glittenberg zeigte sich davon begeistert. „Wir sind stolz darauf, mit dem Damengolf erstmals auch im Free-TV präsent zu sein“, sagt er.

Eckhard Eckstein

MB 8/2015

© Solheim Cup 2015

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