Qualitätsschub für Fußball-TV

Sky Deutschland war Ende Mai/Anfang Juni in Berlin viel beschäftigt. Gleich zwei Top-Events standen in der Bundeshauptstadt an, die fernsehtechnisch auf höchstem Niveau präsentiert werden sollten – die Endspiele im DFB-Pokal und in der Champions League. Neben der Ultra HD-Übertragung kam mit „Free D“ eine neue interessante Technik zum Einsatz. Darüber und über andere künftige Produktionsmittel diskutiert wurde auch beim Sky Champions Summit und beim Innovationsspiel von Sportcast.

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Qualitätsschub für Fußball-TV

Fußball ist in fast allen Ländern der Welt die mit Abstand beliebteste Sportart. Entsprechend hoch ist auch das Interesse der Fans an den TV-Übertragungen der Spiele. Fußball-Ligen und TV-Sender versuchen daher permanent, die Qualität der Produktionen mit Hilfe neuer Technologien zu optimieren und dabei Mehrwert für alle zu generieren. Das gilt insbesondere auch für den Pay-TV-Sender Sky Deutschland. Der nutzte unter anderem die beiden Berliner Endspiele im DFB-Pokal und in der Champions League dazu, gemeinsam mit Technologiepartnern und Dienstleistern die Möglichkeiten des ultrahochauflösenden Fernsehens und des 360-Grad-Kamerasystems FreeD zu sondieren. Letzteres wurde in den beiden Berliner Endspielen erstmals in Europa beim Fußball-TV eingesetzt.

Das FreeD-System von Replay Technologies aus Tel Aviv bestand in Berlin aus 32 5k-Kameras des Herstellers JAI, die an der Oberkante des Stadionovals angebracht waren. Hochleistungscomputer mit Intel CPUs sorgten für die nötige Rechenpower, um die Bilder und die enorme Menge an dreidimensionalen Daten zu rendern und in nur wenigen Sekunden wiederzugeben. Mit FreeD können Spielzüge quasi „eingefroren“ werden. Eine virtuelle Kamera bewegt sich dann in dem dreidimensionalen Bild und zeigt eine Spielsituation aus verschiedenen Perspektiven. Besonders schöne Aktionen oder fiese Fouls lassen sich so nachträglich in Ruhe betrachten. Mit dem System sind auch Zeitlupe und Fahrten über mehrere Kameras hinweg möglich. Die gesamte Technik passt in zwei Überseecontainer und wurde für die Übertragungen von Israel noch Berlin verschifft.

Die mit FreeD mögliche Art von „Kamerafahrt“ wurde erstmalig in dem Film „Matrix“ der Wachowski-Geschwister verwendet und später in einem Spot eines Mineralwasseranbieters exzessiv genutzt. Hier handelte es sich in Wirklichkeit um eine Anordnung von Fotokameras, die alle zugleich auslösten. Lässt man die Bilder als Film ablaufen, entsteht der Eindruck, eine Kamera bewegt sich um ein in der Bewegung eingefrorenes Objekt. In beiden Fällen war es jedoch nur möglich einen vorab definierten Ablauf wiederzugeben. „FreeD erlaubt es 3D-Bilder des gesamten Felds zu erzeugen und hier in jede Position zu fahren, egal ob horizontal oder vertikal“, erklärte Ittai Arbel, VP Program Management Operations Unit von Replay Technologies aus Tel Aviv. „Das gibt dem Regisseur und Producer neue Wege an die Hand einen Live-Event zu erzählen indem er die Möglichkeit hat überall im Bild hinzu gehen.“ Von dieser Möglichkeit wurde bei den Berliner Finalspielen mehrmals eindrucksvoll Gebrauch gemacht. Selbst auf UHD machten die errechneten Bilder, auf den die Spieler zwar eher an Tip-Kick-Figuren, als an sich selbst erinnerten, einen überzeugenden Eindruck. Das lag auch mit daran, dass die Regie die große Geste liebte. Sie ließ die „Kamera“ in Richtung Geschehen schießen, es dann in großem Bogen umrunden, den Bildmittelpunkt ins Visier nehmen – etwa den am Kopf des Wolfsburg-Stürmers Bas Dost klebenden Ball – sie anschließend in Position bringen, so dass man den Abschluss aus dem erdenklich besten Winkel noch einmal genießen konnte.

UHD-Übertragung

Gemeinsam mit Gerätehersteller Samsung präsentierte Sky am 30. Mai anlässlich des DFB-Pokalendspiels zwischen Borussia Dortmund und VFL Wolfsburg auch Bilder der UHD-Produktion unter anderem in der Sky Lounge in Berlin. Dort war das Spiel auf je einem 65“ und 78“ großen Samsung Curved UHD-Fernseher zu sehen, deren integrierte Tuner den Empfang der per Satellit ausgestrahlten UHD-Signale bereits unterstützen. Auf den in der Sky Lounge fest installierten HD-Displays konnte man die normale Sky-Übertragung aus dem Berliner Olympiastadion verfolgen. Das gab Gelegenheit, die Bildqualität der beiden unabhängig voneinander realisierten Übertragungen zu vergleichen. Und ja, das UHD-Bild überzeugte auch den ungeübten Betrachter sofort.

Die UHD-Version des DFB-Pokalfinales wurde in 13 Sky-Sportbars übertragen. Dies stieß auf ein so großes und positives Echo, dass Sky die UHD-Übertragung gleich auch am Wochenende darauf beim Champions League-Endspiel beschloss. Für Sky ist UHD noch immer in der Testphase obwohl man hier schon sehr weit ist, denn die prinzipiellen Verbreitungswege stehen inzwischen. Jetzt geht es darum die Übertragung effizienter zu gestalten, erklärte Stefan B. Kunz, Vice President Business [&] Distribution Services Technology bei Sky. „Die modernen Fernseher können alle sehr viel“, sagte er. „Aber es bedeutet nach wie vor einen enormen Kraftaufwand, um ein gutes Bild – und inzwischen auch einen super Ton – zu produzieren und zu verbreiten.“ Die Berliner Endspiele wurden bei UHD in Echtzeit mit 35Mbit/s HEVC und 50 Bildern/Sekunde encodiert und verschlüsselt ausgestrahlt. Dazu ging man mit den Signalen in 12 GBit über vier 3 GBit-Leitungen unkomprimiert aus dem Stadion raus, um sie dann auf Rhode [&] Schwarz HEVC-Encodern zu komprimieren und auf den Satelliten zu schicken.

Auf dem Satelliten-Transponder stehen 40 MBit Bandbreite zur Verfügung. Zwar ist es schon möglich, bei der UHD-Übertragung unter 30 MBit zu bleiben, doch ist damit nicht viel gewonnen. Gewonnen sei etwas, wenn nur die Hälfte des Transponders belegt würde, damit noch ein zweiter Kanal Platz hätte, meinte Kunz. Er hält es für realistisch, dass man in 20 bis 24 Monaten mit der Weiterentwicklung der Komprimierungstechnologie so weit ist, dass ein Fußballspiel mit 20 bis 25 MBit übertragen werden kann. „Das ist nicht utopisch“, sagte er und fügt hinzu: „Damit ist dann auch das Zeitfenster bis Ende 2017 genutzt, wenn die Spezifikation der UHD-Phase 2 abgeschlossen ist – denn dann geht es richtig los!“

Mit Phase 2 wird UHD seine vollen Stärken ausspielen können. Denn wenn man es sich bewusst macht, erscheinen die Farben des UHD-Bilds etwas entsättigt. Mit Phase 2 steht jedoch der volle Rahmen von HDR (High Dynamic Range) zur Verfügung, der einen erweiterten Farbraum, tiefstes Schwarz, höhere Kontraste und mehr innere Leuchtkraft der Bilder ermöglicht, also ein insgesamt satteres, farbigeres Bild. Auch die Bildrate soll im Zuge dieser Entwicklung von 50 auf 100 fps steigen. Für Kunz besteht kein Zweifel, dass UHD mit seinem scharfen Bild, dem Detailreichtum, dem erweiterten Farbraum und der Möglichkeit nah am großen Bild zu sitzen dem Zuschauer einen deutlichen Mehrwert gibt, den er zu schätzen weiß. „Es geht ja letztendlich darum, dass sich das Angebot verkaufen muss“, merkte er mit nüchternem Realismus an. Dies umso mehr, als eine andere Technik bei Sportübertragungen vom Verbraucher nicht angenommen wurde: 3D. Zwar hält Sky daran fest und ist mittlerweile der einzige Sender weltweit, der noch einen eigenen 3D-Kanal hat, auf dem er auch einmal im Monat ein Live-Fußballspiel zeigt, doch dient dieser Kanal eher dazu, ein gesamtheitliches Angebot vorzuhalten, da an dieser Stelle ja auch 3D-Spielfilme gezeigt werden.

„Bei UHD sind wir mittlerweile so weit, dass einer seriellen Produktion nichts mehr im Wege steht“, erklärte in Berlin auch Alessandro Reitano, Director Sports Production Sky Deutschland. Nach wie vor seien aber einige Probleme in der Distribution noch ungelöst.

Bei den Berliner UHD-Produktionen waren insgesamt elf native 4k-Kameras im Einsatz, darunter Sonys PMW-F55 und erstmals bei Fußballproduktionen auch die auf der NAB 2015 präsentierte neue Sony HDC-4300 Kamera mit 2/3“ 4k-Bildsensor und bis zu 8-facher Super Slow Motion in HD. Dazu wurden auch die Signale von zwei Kameras aus dem HD-Hauptfeed genommen und auf UHD hoch konvertiert. „Wir hatten ein sehr gutes Feedback von den Zuschauern in den Sky Bars, die UHD absolut als Mehrwert sehen. Und auch den Unterschied zwischen HD und UHD haben sie klar erkannt. Das ist uns wichtig. Auch wenn wir das HD-Signal upconvertiert in die UHD-Übertragung eingefügt haben war der Unterschied massiv sichtbar“, betonte Reitano. Das sei ein Zeichen für Sky an UHD weiter zu arbeiten, die Produktion zu stabilisieren und am Ende auch über das damit verbundene Geschäftsmodell zu sprechen – auch mit der Liga. „Hierbei gehe es vor allem um die Frage: Wann sind wir soweit, dass UHD eine Masterproduktion ist und es keine Parallelproduktion dazu mehr braucht? Die enormen Kosten, die damit verbunden sind, können wir uns nicht leisten. Besser wäre UHD als Mastereinheit von der wir alle Qualitäten für alle Ausspielungen bis zum Webstream generieren können. Und dafür haben wir am Ende nur noch eine Produktionseinheit vor Ort“, betonte Reitano. Sky werde sich auch weiter mit dem Thema Augmented Reality befassen. „Wir haben ein NCAM-System gekauft, mit dem wir noch etwas rumprobieren werden, um die grafischen Templates noch etwas lauffähiger zu machen“, berichtet er. Am Ende machten sie den Unterschied zu den entsprechenden Angeboten anderer Sender, die bereits mit NCAM arbeiten aus. Zudem mache man sich bei Sky auch Gedanken darüber, was man mit all den Daten anstellen könne, die jedes Wochenende bei den Liga-Spielen generiert würden. Beim künftigen Einsatz von FreeD seien ebenfalls noch ein paar Fragen zu klären. „Wie sieht das die Liga, wie der Verein, wie geht man mit den Clip-Rechten um? Darüber müssen wir im Rahmen der neuen Ausschreibungen reden. Trotzdem glauben wir weiter an so ein System. Wir sehen da sehr viel Entwicklungspotential, nicht nur in der linearen Berichterstattung“, meinte Reitano. Schließlich würden pro Spiel um die 70 FreeD-Clips produziert. Das sei auch interessant für Second Screen Applikationen, bei denen sich der Zuschauer Situationen nochmal nachspielen oder aktiv die Spieler auswählen könne, die er mit FreeD verfolgen wolle. „Das sind Möglichkeiten, die den Zuschauern echten Mehrwert bieten und wo man auch über Monetarisierung nachdenken kann – im Bereich Second Screen aber auch bei der linearen Berichterstattung“, sagte Reitano. Sky prüfe noch, ob man ein FreeD-System in Deutschland behalten und gegebenenfalls auch zur neuen Bundesliga-Saison einsetzen könne.

Luftaufnahmen

Waren FreeD- und UHD-Bilder bei den Berliner Finalspielen für Sky-Kunden beziehungsweise für Sky-Sportsbar-Besucher reserviert, so boten Luftaufnahmen auch einen Mehrwert für Free-TV-Zuschauer. Das galt insbesondere für die Eröffnungsveranstaltung des UEFA Champions League-Finales.

Die Luftaufnahmen wurden von Patrick Nüske und Dieter Goerke von Cineflight mit einer Cineflex V14 gemacht. Das am Hubschrauber angebrachte Full-HD-Kamerasystem besteht aus einer Sony HDC-1500 Kamera mit einem Fujinon-Objektiv. Aufgenommen wurden Beautyshots von Berlin vor dem Spiel und in der Halbzeitpause sowie der Fanmeile auf der Straße des 17. Juni vor dem Brandenburger Tor, die allerdings schwach besucht war, da es dort kein Public Viewing gab, die Begleitung der Mannschaftsbusse aus den Hotels zum Stadion und nicht zuletzt die Aufnahmen der Choreografie der Eröffnungszeremonie aus der Vogelperspektive. „Dafür haben wir von der UEFA, die die Aufnahmen, als die besten Luftaufnahmen bezeichnet hat, die sie bisher gesehen haben, sogar ein extra Lob bekommen“, sagt Pilot und Cineflight-Geschäftsführer Patrick Nüske stolz. „Und wenn man bedenkt, dass das Weltbild von circa 250 Millionen Menschen weltweit gesehen wurde, ist das auch noch eine der höchsten Quoten für Luftaufnahmen überhaupt.“ Das Signal der Kamera wurde per Funkstrecke direkt in den Übertragungswagen des ZDF geschickt. Noch ist eine Funkübertragung nur bis Full-HD möglich. Da es sich hierbei um eine kleine Nische der Übertragungstechnik handelt, dürften entsprechende Kompressions- und Übertragungsmöglichkeiten wohl erst entwickelt werden, wenn UHD zu einer etablierten Größe in der Sportübertragung geworden ist.

Als Ü-Wagen-Dienstleister für UHD war in Berlin TopVision im Einsatz, die HD-Übertragung wurde von TVN aus Hannover realisiert. Das Unternehmen war dazu gleich mit vier Ü-Wagen angereist. Beim Champions League-Finale, das weltweit in 180 Länder übertragen wurde, dienten zwei davon der Produktion des internationalen Signals durch Hostbroadcaster ZDF, einer der Produktion des unilateralen ZDF-Signals und dem Entertainmentprogramm, beziehungsweise dem Stadion-TV. Auch die Installation der FreeD-Kameras von Sky, ihrer Verkabelung sowie die Koordination aller damit zusammen hängender Gewerke besorgte TVN in enger Kooperation mit Sky und Replay Systems. Insgesamt kamen beim Champions League Finale laut TVN-Geschäftsführer Markus Osthaus 55 Kameras zum Einsatz (plus die 32 FreeD-Kameras). Zu den Kameras zählten auch vier Superslomos und eine LDX Sechsfach-Kamera von Grass Valley sowie Krankameratechnik von PMT. PLAZAMEDIA zeichnete als Produktionsdienstleister für den Champions League Sender ZDF verantwortlich und hatte TVN mit der Bereitstellung der AÜ-Technik beauftragt. Wie kürzlich bekannt wurde hat das ZDF den Champions League-Vertrag mit PLAZAMEDIA um weitere drei Jahre bis einschließlich Saison 2017/18 verlängert.

Champions Summit

Zwei Tage vor dem UEFA Champions League-Finale 2015 wurde beim Champions Summit in der Berliner Sky Lounge unter der Moderation von Gert Zimmermann über neue Technologien in der Fußball-TV-Produktion diskutiert. Eingeladen hierzu hatte Sky gemeinsam mit der Sports Video Group Europe (SVG). Auf dem Programm standen unter anderem die Themen „Broadcast goes IP – Herausforderungen und Chancen des Technologiewandel“ und „Remote Production Wunsch und Wirklichkeit?“ Hierbei wurden sehr unterschiedliche Positionen deutlich. Während Hersteller-Vertreter wie Thomas Riedel und Phillip Lawo den Standpunkt vertraten, dass die verfügbaren Systeme heute schon in der Lage seien, – und das auch schon mehrfach in verschiedenen Anwendungsfällen unter Beweis gestellt hätten, – IP-basierte Netzwerke und Workflows oder Remote-Produktionen zuverlässig, effizient und kostengünstig zu nutzen, zeigten Vertreter von Produktionshäusern deutliche Zurückhaltung. Alexander Günther, Geschäftsführer von Sportcast, der Produktionstochter der Deutschen Fußball Liga (DFL) und verantwortlich für die Produktion der Ersten und Zweiten Fußball-Bundesliga, erklärte: „Wir haben die Remote-Produktion schon getestet. Ich kann nur bestätigen: Ja das funktioniert, auch mit dem uns jetzt zur Verfügung stehenden Kontributionsnetz. Solange wir aber nicht den notwendigen Druck verspüren, den Produktionsprozess grundsätzlich umzustellen, werden wir das auch nicht tun. Man darf nicht vergessen, dass wir 617 mal im Jahr, davon 306 mal in der Ersten Bundesliga ein Premiumprodukt herstellen müssen. Und wenn hierbei eine andere Produktionsweise ins Spiel kommt, dann muss das Ergebnis mindestens genauso gut wenn nicht gar besser sein. Wie wollen wir das gewährleisten? Natürlich sind wir technologisch mit allen Partnern immer dabei zu schauen, was an Verbesserungen machbar ist und wo noch Hürden sind.“ Derzeit würde man aber trotzdem lieber an den bewährten Produktionsweisen festhalten. Neben der IP- und Remote-Produktion befasse man sich bei Sportcast auch mit Themen wie Trackingdaten-Nutzung oder Audio-Optimierung. Mit Blick auf den Vertrag mit Fox zur internationalen Vermarktung der Fußball-Bundesliga erklärte Günther: „Ab der neuen Saison werden wir als Bundesliga-Produzent auch international immer mehr gefordert. Da kommen neue Anforderungen auf uns zu. Zusatzleistungen und -Produkte sowie internationale Feeds rechtfertigen teilweise durchaus eine Remote- oder zentralisierte Produktion. Das stellen wir gerade fest. Solange wir aber das Premium-Produkt nicht ablösen können, werden wir auch unseren Premium-Partner Sky Gutes tun, indem wir es so lassen wie es ist.“ Bei Sky selbst befürchtet man indes, dass das internationale Engagement der DFL, dazu führen könnte, dass die eigenen produktionstechnischen Vorstellungen von Sportcast weniger berücksichtigt werden klönnten.

TVN-Geschäftsführer Markus Osthaus, der nach eigenen Angaben „als Partner von Sportcast nicht unwesentlich für die Bundesliga produzieren darf“, meinte: „Am Ende des Tages ist das alles auch eine Frage des Geldes. Natürlich hat Alexander Günther Recht, dass eine neue Produktionsform erst einmal Mehrwert bieten muss wenn ich eine alte ablösen will. Das habe ich bei Remote Production, was die Bildqualität angeht, erst einmal nicht.“ Remote mache nur Sinn, wenn man teure Kerntechnologie mehrfach nutzen könne und bei einer Bundesliga-Produktion die Hauptregie an einem Standort habe. Dies sei auch in einem Showcase beim Innovationsspiel in Wolfsburg mit der Hauptregie bei CBC in Köln getestet worden. Obwohl in Deutschland eine gute Infrastruktur für Remote-Produktionen vorhanden sei, mache sie wirtschaftlich keinen Sinn, weil man die Kernkomponenten auf dem Ü-Wagen derzeit nicht nur zwei- oder dreimal am Wochenende beim Fußball nutze, sondern im besten Fall an allen anderen Wochentagen auch – und zwar auch dort, wo keine perfekte Infrastruktur vorhanden sei. „Dadurch, dass ich mit dem Ü-Wagen mobil bin, habe ich eine bessere Auslastung der teueren Technik, als wenn sie irgendwo zentralisiert ist“, konstatierte er. Osthaus räumte jedoch auch ein: „Das wird sich wandeln. Deshalb wird Remote-Produktion genauso kommen wie die IP-basierte Produktion. Dafür müssen aber erst noch ein paar Voraussetzungen geschaffen werden.“

Innovationsspiel

Großes Lob fand man auf dem Champions Summit auch für das „Innovationsspiel“, zu dem Sportcast am 20. Mai in die Wolfsburger Volkswagen-Arena geladen hatte. Auch hier hatte man zukunftsweisende Technologien für die Fußball-TV-Produktion vorgestellt. Das Ganze hatte Workshop-Charakter und zielte darauf ab, mögliche Entwicklungsszenarien vorzustellen und zu diskutieren. Die DFL ist seit Jahren bemüht, den hohen Stellenwert der Liga, auch im internationalen Kontext, durch qualitativ möglichst hochwertige TV-Produktionen zu untermauern. Dazu werden frühzeitig neue technische Konzepte und Lösungen ausprobiert.

Wie schon bei den beiden Finalspielen in Berlin waren auch in Wolfsburg die beiden AÜ-Dienstleister TopVision und TVN präsent. Mit ihrer Unterstützung wurden mit zwei kompletten Produktionsketten parallel in HD und in UHD produziert und auf zwei Monitorreihen in der Stadionloge übertragen. Auch hier war TVN für die HD-Produktion zuständig, die mit 28 HD-Kameras realisiert wurde. Darunter etwa eine Spidercam, die, an Drahtseilen fahrbar aufgehängt, das Spielfeld aus der Vogelperspektive zeigt. Neu war ihre Verknüpfung mit dem bereits erwähnten virtuellen NCAM-Grafiksystem, das animierte, an das jeweilige Bild angepasste Grafiken ins Spielgeschehen einfügen kann. Eingesetzt wurde das NCAM-System bereits in Kombination mit einer Steadycam von ARD und ZDF bei der Produktion der Fußballweltmeisterschaft 2015 auf der Moderationsplattform in Rio de Janeiro. In Wolfsburg als Neuheit in der Fußball-TV-Produktion vorgestellt wurde auch eine Steadycam mit beweglichem Kamerakopf. Zudem wurde die Schienenkamera PMT Cruiser getestet, mit der gleichzeitig horizontale und vertikale Kamera-Bewegungen realisiert werden können, ein leichter Birdy-Kran und diverse Chipkameras von TV Skyline, also besonders kompakte, leicht zu befestigende Modelle, die etwa Bilder aus dem Spielertunnel oder Beautyshots vom Stadiondach lieferten. Außerdem lief ein Spieler mit einer Trikotcam, also einer im Trikot integrierten Minikamera, auf. Es kam weiterhin eine Robotic-Kamera zum Einsatz, die von live erhobenen Trackingdaten gesteuert wurde und ihre Motive, zum Beispiel einzelne Spieler, selbstständig verfolgen konnte.

Die UHD-Produktionskette wurde von Topvision mit zehn 4k-Kameras der gleichen Typen wie bei den Berliner Endspielen abgedeckt. 84 Kameraleute und -operator waren im Stadion beschäftigt.

Ziel der getrennten Produktionsketten war es, herauszufinden, ob sich UHD- und HD-Übertragungen, wie von Reitano in Berlin gefordert, auch mit einer Produktionseinheit realisieren lassen. Schließlich müssen bei UHD, wie schon mehrfach berichtet, Schnittfolge und Kamerabewegungen für ein angenehmes TV-Erlebnis langsamer erfolgen als bei HD. Für die unterschiedlichen Bildsprachen bei HD und UHD waren immer zwei Regien nötig. Sportcast ist laut Geschäftsführer Günther noch dabei, die Ergebnisse der Tests auszuwerten. Das UHD-Signal wurde in Wolfsburg einmal in voller Auflösung und einmal herunterkonvertiert in 1080p50 und 1080i25 auf mehreren nebeneinander hängenden Monitoren gezeigt. Insgesamt arbeiteten mehr als 20 verschiedene Dienstleister für die Technik-Leistungsschau, rund 250 Personen waren laut Sportcast an der Vorbereitung beteiligt.

Highlight war auch hier wieder die FreeD-Technik von Replay Technolgies. Mitgründer und COO Aviv Shapira war vor Ort, um das Produkt vorzustellen. Die eingesetzten 32 Minikameras der JAI-Spark-Serie sind mit einem Nikon-F-Mount bestückt. Canon EF-Objektive lassen sich über einen entsprechenden Adapterring anbringen. Die Minicams liefern Bilder mit einer Auflösung von 5k via Glasfaser, jedes Kamerafeed wird auf einem Server aufgezeichnet.

Hawk-Eye-Technik

Auch die Torlinientechnik Hawk-Eye wurde vorgestellt. Hawk-Eye ist der Name eines englischen Unternehmens, das seit rund zwei Spielsaisons die Torlinientechnik für die englische Premier League betreibt. Die DFL hat Ende 2014 entschieden, die Torlinientechnologie ab der Saison 2015/16 in der Bundesliga einzuführen (ab 1. Juli 2015). Als FIFA-zertifizierter Anbieter fiel die Wahl auf Hawk-Eye. Laut Laurence Upshon, Head of Football Operations bei Hawk-Eye, würden die Dienste der Torlinientechnik in England rund zwanzig Mal je Saison in Anspruch genommen. Die Technik basiert auf insgesamt 14 Highspeed-Kameras, die unter dem Stadiondach angebracht werden. Je sieben der Kameras werden in den beiden Spielhälften um die Fußballtore positioniert. Mittels des Verfahrens der Triangulation erfasst das System die Ballposition, selbst wenn Spieler einzelne Kamerabilder verdecken. Eine parallel zur Torlinie ausgerichtete Kamera dient zur Wiederholung. Überschreitet ein Ball die Torlinie, erhält der Schiedsrichter innerhalb einer Sekunde eine Meldung auf seine Schiedsrichter-Smartwatch. Hawk-Eye-Technik würde bereits seit einigen Jahren bei Tennis- und Cricket-Wettbewerben eingesetzt, sagte Upshon.

Trackingdaten

Ein weiteres wichtiges Thema beim Innovationsspiel betraf den Einsatz von Trackingdaten. Als Partner im Boot war hier ChyronHego und Opta. ChyronHego hat im April 2013 mit der DFL einen Vierjahresvertrag zur Analyse und Datenauswertung von Bundesligaspielen der ersten und zweiten Liga geschlossen. Das Unternehmen setzt dafür das Auswertungssystem TRACAB ein. Für die zur Bundesliga-Auswertung eingesetzte Version kooperiert ChyronHego mit OptaSport wie auch bei vielen anderen internationalen Projekten. OptaSport steuert Match spezifische Daten bei wie Tor-, Vorlagen-, und Einwurfstatistik eines Spiels. ChyronHego fokussiert sich auf die Auswertung von Spielern, Ballkontakten und wertet Laufwege, Spielerpositionen oder auch die Geschwindigkeit von einzelnen Spielzügen aus. Ziel ist es laut ChyronHego mit diesen Daten vor allem die Clubs der Bundesliga bei ihrer Arbeit zu unterstützen, damit sie mit dem Datenpool noch mehr Auswertungsdaten an die Hand bekommen. Bei dem Bundesliga-Datenpool handele es sich laut ChyronHego um das bisher größte und umfangreichste Auswertungspaket weltweit. Gegen Gebühr seien weitere Auswertungen möglich. Die Veröffentlichungsrechte gegenüber Medien, Verbänden und Agenturen liegen bei ChyronHego.

ChyronHego erhebt die Daten mit zwei Kamerasystemen, die jeweils vier bis sechs Kameras umfassen. In jedem Spiel sind drei sogenannte Tracking-Operator von ChyronHego vor Ort. Zwei kümmern sich um die Erfassung der Daten je einer Mannschaft, einer um die des Balls. Die gesammelten Daten werden per Glasfaserkabel zum Quality Center von ChyronHego nach Köln geschickt, wo sie dann aufbereitet werden. ChyronHego ist nicht nur im Bereich Datenerfassung aktiv. Das Unternehmen bietet zugleich auch Broadcast-Grafiksysteme. In die Grafiken bindet das Unternehmen die Trackingdaten ein, um Live-Informationen zum laufenden Spielgeschehen zu liefern. Die Grafiken werden überdies perspektivisch in die Bilder eingepasst. „Dafür werden die Pan-, Tilt- und Zoom-Bewegungen der Kameras erfasst. Das gesamte System wird dazu millimetergenau auf die Spielfeldlinien kalibriert. Bei einer beliebigen Kameraeinstellung weiß das System so exakt, an welcher Stelle des Felds sich der Bildausschnitt befindet“, erläuterte Tobias Werner, Produktspezialist bei ChyronHego. Mit der Position und den Tiefeninformationen ließe sich eine Vielzahl unterschiedlicher Grafiken live ins Spiel einblenden. Diese könnten sich auch mit den Spielern mitbewegen, so Werner, und nannte als Beispiel einen sogenannten Top-Font über dem Kopf des Spielers, in dem sich wiederum aktuelle Spielerdaten wie die zurückgelegte Distanz einblenden ließen. Ein weiteres Beispiel sei eine grafische Linie, die mehrere Spieler verbindet und so Vierer- oder Fünferketten hervorhebt.

Mit Paint hat ChyronHego auch eine Lösung für die Spielanalyse in der Halbzeitpause oder die Nachberichterstattung im Angebot. Mittels eines Touchscreens können Experten Spielerpositionen grafisch hervorheben oder gar Spieler zur Analyse an eine andere Position verschieben. Vorteil des Paint-Systems, das seit Juli in der Version 6.0 für Mac OS X vorliegt, ist der direkte EVS-Import und -Export.

Mit deltatre war ein weiterer Dienstleister beim Innovationsspiel, der umfangreiche Services rund um Daten anbietet. Bekannt ist deltatre etwa bei Sportjournalisten, die das Unternehmen mit umfangreichen Informationen füttert. Vor Ort zeigte deltatre seinen Diva-Player für Web-Übertragungen, mit dem Zuschauer nicht nur den Fußball-Stream, sondern zugleich zahlreiche Spieledaten abrufen könne. Die Live-Informationen werden vom Dienstleister Opta zugeliefert und im Operation Center von deltatre in Turin aufbereitet. Die Spieleinformationen seien stets mit der Zeitleiste synchronisiert, wie Ant Hayward, Operations Manager bei deltatre, hervorhob. So könne der Zuschauer, auch wenn er eine Szene wiederhole, stets die zum Zeitpunkt aktuellen Daten abrufen. Die verfügbaren Daten sind äußerst umfangreich – Statistiken, zurückgelegte Distanzen der einzelnen Spieler und vieles mehr. Eine weitere deltatre-Anwendung demonstrierte Biagio Bartoli, Product Manager Media Solutions. Mittels eines Web-Multicasts können die Zuschauer das Spielgeschehen via Internet parallel auf mehreren verschiedenen Kamerapositionen etwa per Split-Screen oder Picture in Picture verfolgen. Deltatre ist unter anderem als Dienstleister für Sky Go und British Telecom aktiv. Second-Screen-Applikationen erstellt teils das französische Unternehmen Netcosports für deltatre . Auch dem Thema Audio wurde beim Innovationsspiel große Aufmerksamkeit geschenkt. Demonstriert wurde unter anderem eine Live-3D-Audio-Mischung. Eine praktische Anwendung der Tracking-Daten für die Close-Ball-Audiomischung zeigte Lawo. Die Tracking-Daten werden dabei an einen Lawo-Steuerrechner im Ü-Wagen übermittelt, der für die Mischpultautomation zuständig ist. So lassen sich die dem Ball nächstgelegenen Mikrofone am Spielfeldrand automatisch anheben, wie Philipp Lawo am Rande Champions Summits in Berlin berichtete. Dies entlaste den Toningenieur, der sich dann auf andere Aufgaben wie eine Surround-Mischung konzentrieren könne.

Jan Fleischmann, Thomas Steiger, Eckhard Eckstein

MB 4/2015

© Sky/sampics

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