Smart und innovativ

Sky Deutschland hat in diesem Sommer sein neues Sportproduktions- und Sendezentrum „Sky Sport HQ“ in Betrieb genommen. Die technologische Beratung in der Entwicklungs- und Planungsphase, das Design der Systemarchitektur sowie die Systemintegration, Lieferung und Inbetriebnahme der Broadcast-, Produktions- und IT-Infrastruktur erfolgten durch Qvest Media. Riedel Communications lieferte ein weltweit bislang einzigartiges MediorNet-Netzwerk nach Unterföhring.

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Smart und innovativ

Das neue Produktions- und Sendezentrum von Sky Deutschland am Medienstandort Unterföhring verfügt über eine der derzeit modernsten und größten Broadcast-IT-Infrastrukturen für Live-Sport in Europa. Es versetzt den Sender in die Lage, sämtliche Sportinhalte in Eigenregie zu produzieren und seinem Publikum auf verschiedensten Verbreitungswegen, wie lineares TV, OTT-Streaming oder via Social Media- und Web-Portale zugänglich zu machen. Das neue Sky Sport Headquarter (HQ) wurde in einem aus dem Jahr 1963 stammenden Gebäude errichtet und verfügt über eine Gesamtfläche von 4.600 Quadratmetern. Auf 1.700 Quadratmetern davon befinden sich vier Studios. 50 Kilometer Kabel wurden neu verlegt, 1.000 Terabyte Speicherplatz stehen zur Verfügung und bis zu 76 Live-Signale können hier gleichzeitig verarbeitet werden.

Blickfang der neuen Räumlichkeiten ist die LED-Wand im Hauptstudio: Als Sonderanfertigung mit einer Länge von 35 Metern und einer Höhe von 2,40 Meter erstrahlen auf 84 Quadratmetern Millionen LEDs, die Analysen, Grafiken und Spielszenen zeigen. Aufgeteilt ist die LED-Wand in vier Bereiche, die separat bespielt werden können. In der Mitte des Studios ist passend dazu ein LED-Boden eingelassen und ein sogenannter „LED Brunnen“, aus dem Augmented Reality Elemente erscheinen können. Im großen Studio wird auch eine Spidercam eingesetzt, mit der man ganz neue Studio-Perspektiven generieren kann. Das Design des Studios stammt von Florian Wieder, der auch schon viel Stagedesign für den ESC und MTV gemacht hat. Das Mobiliar kommt von der Firma Interstuhl.

Nach nur zehn Monaten Bauzeit, einem intensiven Staging-Prozess und mehreren Live-Testproduktionen konnte die hochmoderne HQ-Systeminfrastruktur, in enger Zusammenarbeit von Sky und Qvest Media, rechtzeitig zum Start der Bundesliga-Saison 2017/2018 in Betrieb genommen werden. Seit dem Sommer 2017 produziert Sky Deutschland hier Live-Sport-Inhalte, unter anderem für die Sky Bundesliga-Konferenz, die UEFA Champions League, für Golf, Tennis und Formel 1 sowie Nachrichten für den Digitalbereich und für Sky Sport News HD.

Neben der audio-visuellen Gesamtausrüstung von zwei Live-Studios (Studio A und B), den angeschlossenen Regien, diversen Editing-Suites, zehn dedizierten Voice-Over-Kabinen und 16 zusätzlichen Voice-Over-Plätzen verfügt die Infrastruktur außerdem über acht Production Control Rooms (PCRs) und einen Occasional Channel Playout Room (OCPCR) mit angeschlossenem Audio Control Room (ACR) sowie zwei TX Control Rooms zur Steuerung der vier 24/7 Hauptkanäle sowie zehn Occasional Channels. Neben dem Ingest mit bis zu 60 EVS-Aufzeichnungskanälen sowie dem Aufbau einer 84 Quadratmeter großen Studio-LED-Wand für Analysen, Grafiken und Spielszenen, hält die neue Systemlandschaft zudem zahlreiche technologische Neuheiten bereit, die in dieser Form und Dimension bislang einzigartig in der Live-Sportproduktion von Sky sind. So markieren etwa Besonderheiten im Bereich des IP-Backbones, des Studio- und Grafik-Workflows für Augmented Reality sowie der Berichterstattung bei Konferenzproduktionen eine neue Ära in der Live-Produktion bei Sky Deutschland.

„Wir haben gemeinsam mit Qvest Media eine detaillierte Planung für die gesamte Infrastruktur ausgearbeitet und umgesetzt – angefangen bei den nötigen Kernsystemen und Workflows bis hin zur generellen technischen Ausstattung und der Implementierung in den räumlichen Gegebenheiten. Diese maßgeschneiderte Lösung hat uns geholfen, unseren Produktionsalltag enorm zu erleichtern“, sagt Alessandro Reitano, Vice President Sports Production bei Sky Deutschland.

Einer der zentralen und bedeutendsten Workflows ist bei Sky naturgemäß die Live-Sportproduktion und die damit einhergehende Anreicherung der Live-Übertragungen mit Zusatzinformationen und On-Air-Grafiken. Qvest analysierte und definierte deshalb auf Basis der Sky-Anforderungen die nötigen Spezifikationen. Um einen schnellen, übergreifenden und robusten Studio-Workflow der acht PCRs sicherzustellen, kommen dazu diverse Systeme und Anwendungen von Vizrt zum Einsatz. Live-Signale, wie im Fall von Sky bei Live-Ausstrahlungen im Fußball, beim Tennis oder in der Formel 1, werden dabei mittels einer Touch-Bedienoberfläche des Studioautomationssystems Viz Mosart gesteuert. Die Applikationen Viz Pilot und Viz Opus ermöglichen zudem umfangreiche Einsatzmöglichkeiten für die Grafik bei Live-Produktionen. Eine enge Integration mit den übrigen Grafiksystemen und -anwendungen, wie Libero, Arena und Multichannel von Vizrt, sorgt außerdem für einen hohen Automatisierungsgrad für die Grafik-unterstützten Analyse-Räume sowie in der On-Air-Einbindung von Grafikelementen. Mit dem Einsatz von Augmented Reality eröffnet sich Sky zudem eine neue Dimension durch die Integration grafischer virtueller Elemente wie zum Beispiel eines „Virtual Windows“ für die LED-Wände. Die neue Technologie nutzt getrackte Kameradaten, um perspektivische Animationen zu realisieren.

Im Zuge der künftigen In-House-Produktion und dem damit erhöhten Aufkommen an Daten setzt Sky erstmals auf ein originäres Media Asset Management System (MAM). Sämtliche Workflows bauen sich demnach um das zentrale MAM-System auf, wie beispielsweise der File- und Feed-Ingest, Exportfunktionalitäten, Quality Control sowie Transcoding. Eine Installation von Live-Produktionsservern des Typs XT und XS von EVS sorgt hier mit bis zu 60 Ingestkanälen und 76 Live-Signalen für die erforderliche Kapazität, um ein- und ausgehende Inhalte zu verwalten. „Von besonderer Bedeutung war es in diesem Entwicklungsprozess, die bereits vorhandene Infrastruktur bei Sky Deutschland zu berücksichtigen und in das neue übergeordnete Gesamtkonzept einzubetten“, erklärt Markus Heinen, Head of Systems Integration bei Qvest Media. „Die Wahl im Bereich des Media Asset Managements fiel daher auf ein System von Vizrt, nicht zuletzt um dieses an die bestehende Avid-Infrastruktrur anzubinden“, erläutert Heinen weiter.

Eine weitere Besonderheit, die Qvest Media gemeinsam mit Sky entwickelte, liegt in der Kollaboration der Produktionsteams bei der Live-Berichterstattung von Sport-Events. So wurde auf einer eigens dafür vorgesehenen, offenen Fläche die sogenannte Conference Area mit Newsroom-Charakter geschaffen. Sie verfügt über insgesamt zwölf identisch ausgestattete Produktionsinseln, an denen jeweils Dreier-Teams Live-Konferenzen produzieren können. Dies eignet sich insbesondere für die Produktion von Sport-Events, die zeitgleich an mehreren Austragungsorten stattfinden, wie etwa im Fall der Fußball Bundesliga oder UEFA Champions League. So werden über die Zentralregie die Live-Feeds der verschiedenen Dreier-Teams bedarfsabhängig in das laufende Konferenzprogramm geschaltet. Zusätzlich zur Konferenz im Hauptprogramm wird dem Zuschauer durch den Einsatz eines Occasional Channel Playout Rooms (OCPCR) die Auswahl von bis zu zehn weiteren Sport-Begegnungen über die Occasional Channels als Event-basierte Sendekanäle angeboten. Neben den zehn Occasional Channels verfügt Sky außerdem über vier 24/7-Hauptkanäle, namentlich Sky Sport 1 HD, Sky Sport 2 HD, Sky Sport Bundesliga 1 HD sowie Sky Sport Austria HD. Für die vier Hauptkanäle kommen Imagine Playout Server zum Einsatz, die mittels einer Imagine ADC Automation gesteuert werden.

Außergewöhnlich im Rahmen des Projekts ist die Integration der Audio-Over-IP-Netzwerke auf Basis von Dante mit den Audioprodukten von Lawo. Qvest Media stellte nach eigenen Angaben sicher, dass sich der Hersteller für die Integration des Dante-Protokolls öffnet und auf die Verwendung seines standardmäßig unterstützten Protokolls verzichtet.

Für das zentrale IT-Backbone kommen Core Switches des Typs Nexus 7710 von Cisco mit 10 und 40 Gbit zum Einsatz, die mit Nexus FEX2248TP-E und Catalyst 4948 Access Switchen ergänzt werden. Die Infrastruktur verfügt zudem über einem 735 Terrabyte großen zentralen Isilon Speicher sowie virtualisierte Server auf Basis von HP BL460c Blade Servern und VMWare vSphere6 mit einem Block Storage auf Basis eines EMC Unity 300F für den Einsatz von virtuellen Maschinen und Datenbanken. Die Archivierung von Inhalten erfolgt auf einer mittels SGL Flashnet angesteuerten Quantum LTO7 Library.

MediorNet von Riedel

Ein ganz besonderes Highlight auf technologischer Ebene ist im Sky HQ der Einsatz eines Echtzeitnetzwerks auf Basis einer dezentralen Kreuzschiene für mehr als 1.250 Quellen und Senken des Typs MediorNet von Riedel, das durch ein VSM Broadcast Steuerungssystem von Lawo kontrolliert wird. Das fiber-basierte IP-Backbone und zugleich das Herzstück von Sky Sport HQ verfügt über annähernd 150 einzelne Router-Nodes (MetroN Core Router, MicroN und MicroN MultiViewer) und ist in dieser Ausbaustufe laut Riedel weltweit bislang einzigartig. Die komplette MediorNet-Infrastruktur vereint dezentrales Routing, Signaltransport und Processing inklusive integriertem Multiviewer. Somit gewinnt Sky ein Höchstmaß an Flexibilität und Redundanzmöglichkeiten beim Transport von Audio- und Videodaten sowie bei Processing-Aufgaben wie beispielweise Embedding und De-Embedding in seinem gesamten Produktionsnetzwerk.

Die MediorNet-Installation erlaubt Sky wegen der Modularität des Systems auch, schnell Änderungen und Erweiterungen vorzunehmen. So können Frames auch für künftige Remote Produktionen einfach hinzugefügt werden. Zudem sind alle Frames redundant ausgelegt. „Damit ist auch die Produktionssicherheit gewährleistet“, betont Olivier Görts, Sales Manager Broadcast von Riedel Communications. Die Anforderung sei gewesen, unterschiedliche Geschosse und Räume auf Basis eines dezentralen Ansatzes, bei dem nicht alles monolithisch zu einem Raum hin verkabelt ist, miteinander zu vernetzen. Dazu sei die Anbindung von Sky News HD in der benachbarten Sky-Zentrale gefragt gewesen. „Mit MediorNet geht das leicht, weil es zwischen den beiden Sky-Gebäuden Glasfaser-Verbindungen gibt, ebenso wie hin zu MTI Teleport München, wo man auch Signale hin liefert. Das gesamte Netzwerk mit allen seinen Glasfaserstrecken lässt sich mit einem System überwachen, das gleichzeitig wie eine Kreuzschiene fungiert.“ Das komplette System war vor dem Einbau bei Sky als 1:1-Testaufbau bei Riedel in Wuppertal installiert worden, um zu prüfen, wie sich ein MediorNet-System dieser Größe verhält. Görts weist auch darauf hin, dass Riedel in dem Projekt auch mit seiner Artist-Interkom vertreten ist. Insgesamt wurden drei 128er Artist-Frames verbaut. Auch daraus ergeben sich einige Synergien in Richtung Sky-SNGs mit ihren SmartPanels und MediorNet Controll Apps. Sky ist einer der ersten, der diese auf der IBC 2016 präsentierte Technik in den neuen SNGs einsetzt. Die MediorNet Control App erlaubt, Intercom- und Routing-Funktionalitäten im SmartPanel User Interface zu verbinden. Routing und Kommunikation ist somit auf dem gleichen Panel möglich.

„Es freut uns sehr, dass wir Sky Deutschland bei diesem zukunftweisenden Projekt mit Know-how und nachhaltigen Lösungen wie der neuen Multiviewer-App unterstützen, seine Vision umzusetzen und zugleich ein zuverlässiges Fundament beim Schritt in Richtung IP-basierte Netzwerklösungen zu bieten. Sky Sport HQ beweist einmal mehr, dass man an MediorNet nicht vorbeikommt, wenn man sich Gedanken über die Zukunft von Live-Produktionen macht“, betont Jens Miedek, Director Sales bei Riedel Communications.

„Mit Sky Sport HQ realisieren wir unsere Vision von der Sportproduktion der Zukunft: qualitativ hochwertig, State-of-the-Art, smart und innovativ. Mit diesem skalierbaren MediorNet-Systemdesign sind wir für IP-basierte Workflows sowie 4k-Produktionen bestens gewappnet und erreichen maximale Vernetzung in einer neuen Dimension der Flexibilität. Wir genießen mit MediorNet den Vorteil der enormen Routingkapazitäten des Echtzeit-Netzwerks, was eine klassische Video-Kreuzschiene überflüssig macht. Zudem freuen wir uns über weitere entscheidende MediorNet-Vorteile: virtueller Multiviewer, Signaltransport und -verarbeitung – alles in einem System“, fasst Reitano zusammen. Und Roman Steuer, Executive Vice President Sports Sky Deutschland, erklärt: „Mit Sky Sport HQ schafft Sky beste Voraussetzungen für die Fortsetzung des dynamischen Unternehmenswachstums der vergangenen Jahre. Neben bester Qualität durch modernste Technik bietet uns das eigene Sendezentrum in Zukunft maximale Flexibilität und noch mehr Spielraum für redaktionelle und produktionstechnische Innovationen zum Vorteil unserer fünf Millionen Kunden.“ Steuer betont, dass man bei Sky sehr froh sei, nun mit eigenen Studios selbst gestalten und sich auf technische Neuerungen einlassen zu können. „Nach 18 Jahren, in denen wir gut vom Produktionsdienstleister Plazamedia bedient worden sind, haben wir nun die Freiheit, Ideen zur Realität werden zu lassen und diese Realität wiederum zu nutzen, um wieder neue Ideen zu generieren“, erklärt er. An einem Samstag würden zur Fußball-Bundesliga acht Stunden Sendung von über 125 Mitarbeitern im Sky HQ produziert. Und an einem Sonntag, an dem auch die Handball-Bundesliga mit 306 Spielen pro Saison von Sky gezeigt würde, seien es sogar bis zu 200 Mitarbeiter. Rund 100 Mitarbeiter wurden für Sky HQ neu eingestellt.

Eckhard Eckstein

MB 4/2017