Alleinstellung durch integrierte Lösung

Front Porch Digital, Anbieter von Content-Storage-Management-(CSM)-Systemen für die Broadcast-, Medien-, und Entertainment-Industrie, hat Ende Oktober SAMMA Systems Inc. übernommen. Das New Yorker Unternehmen ist Spezialist für die Transformation von Bandmaterial in digitale Fileformate. MEDIEN BULLETIN sprach mit Rino Petricola, Senior Vice President von Front Porch Digital, über die Hintergründe der Akquisition und die Zukunftspläne für die beiden Unternehmen.

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Alleinstellung durch integrierte Lösung

Was hat Front Porch zur Akquisition von SAMMA bewogen?
Die Akquisition ist für uns sehr wichtig, weil sich die beiden Firmen sehr gut ergänzen. Deshalb haben wir auch schon länger die SAMMA-Übernahme angestrebt, die dann schließlich am 27. Oktober 2008 realisiert werden konnte. Front Porch Digital ist ja bekanntlich im Bereich Content-Storage-Management – CSM – unterwegs. Unsere Stärke liegt in der Verwaltung, Organisation, Speicherung, Suche und Abruf von filebasiertem Videoinhalten. SAMMA Systems wiederum ist Experte in Sachen Migration von Videobandmaterial auf digitale Files. Durch das Zusammengehen der beiden Firmen können wir nun eine End-to-End-Lösung zur Umwandlung großer Videoarchive in die filebasierte Welt, zur Speicherung und Archivierung anbieten. Wir haben damit eine Alleinstellung auf dem Markt. Front Porch hat sich dadurch deutlich von seinen bisherigen Mitbewerbern absetzen können. Niemand hat eine so umfassende Lösung. Wir können damit nun viel besser die Anforderungen der Broadcast-Industrie erfüllen. Unter den Bestandskunden von Front Porch sind viele mit altem Archivmaterial, dass vor dem Verfall geschützt und in die digitale Welt transformiert werden muss. Zurzeit machen die meisten Sender einen digitalen Ingest nur bei dem Archivmaterial, das sie gerade für ihr Tagesgeschäft benötigen. Viele suchen aber eben auch nach effizienten Lösungen, um ihre kompletten Archive vor dem Verfall zu schützen und um große Mengen Material zu digitalisieren.
Planen Sie neue Produkte, die die bestehenden Systeme von Front Porch und SAMMA integrieren? Eine solche Integration streben wir in der Tat an.

Wird es künftig nur eine gemeinsame Lösung geben?
Nein. Wir bieten weiterhin einzelne Produktkomponenten beider Firmen an. Die integrierte Lösung ist nur eine zusätzliche Option. Unsere Kunden haben schließlich sehr unterschiedliche Präferenzen und möglicherweise schon eigene In-House-Lösungen für den Ingest-Bereich, die sie um Management-Lösungen für gespeicherte Inhalten ergänzen wollen. Die sind dann nur an den traditionellen Front Porch-Lösungen interessiert.

Wie wird die Firmen-Zusammenführung aussehen?
Wir übernehmen die gesamte Mannschaft von SAMMA und integrieren sie in die Front Porch-Organisation. Am Ende des Prozesses wird SAMMA als Firmenname nicht mehr existieren. Wir behalten lediglich die Produktbezeichnungen bei. SAMMA wird also auch nicht als eigenständige Abteilung von Front Porch weiterleben. Wir wollen möglichst gut die Synergien beider Unternehmen nutzen und das geht am besten durch eine vollständige Integration. Die ist übrigens schon weitgehend abgeschlossen, weil wir daran schon früh während des Übernahmeprozesses intensiv gearbeitet haben.

Wie sind die Führungsaufgaben verteilt?
Präsident und Hauptgeschäftsführer von Front Porch ist Mike Knaitsch. An ihn wird Mark Gray, ehemals CEO von SAMMA, als Executive Vice President und General Manager zuständig für Amerika berichten. Ich selbst bin ebenfalls Executive Vice President und General Manager allerdings zuständig für das internationale Geschäft, das heißt insbesondere für die Märkte in Europa, dem Mittleren Osten, in Afrika, Asien und dem Pazifischen Raum. Die Aufgabe Chef-Techniker des neuen Gemeinschaftsunternehmens übernimmt Front Porch-CTO Brian Campanotti. Chris Golson, der Chief Marketing Officer von SAMMA, übernimmt diese Position auch bei Front Porch.

Was passiert mit den Entwicklern?
Im Moment ist es so, dass es weiterhin zwei Entwickler-Teams geben wird, die sich jeweils um SAMMA- und Front Porch-Entwicklungen kümmern. Beide werden von unserem CTO geführt und treiben gemeinsam die Integration der beiden Produktbereiche voran.

Wie groß ist die Mitarbeiterzahl insgesamt?
SAMA hat etwa 20 Mitarbeiter, Front Porch 50. Die Integration der Firmen ist deshalb auch nicht so schwer. Wir reden hier nicht über riesige Firmen.

Welche Ihrer Kunden sind dabei, ihre großen Bandarchive zu digitalisieren?
Für uns ist interessant zu sehen, dass die Kunden, die sich für SAMA-Produkte interessieren, gegenwärtig bereits Kunden von Front Porch sind. Insgesamt hat Front Porch bereits über 200 DIVArchive-Installationen in 40 Ländern weltweit. Zu unseren großen Kunden in Europa, die Digitalisierungspläne für ihre Bandarchive haben, gehören unter anderem TVE in Spanien, Archiva in UK, wie viele andere unserer großen Broadcast-Kunden. Auch kleine und mittlere Kunden sind interessiert. Allerdings haben die meist nicht genügend Content, dass sich die Investition in unsere Lösungen für sie lohnen würde. Die wenden sich besser an einen Service-Provider, der die Migration ihres Materials in die digitale Welt für sie erledigt. Wir zielen mit unserem Angebot eher auf große Medienhäuser mit umfangreichen Archiven oder auf Firmen, die Digitalisierungsservices aufsetzen wollen, um kleine und mittlere Broadcaster zu bedienen.

Interessieren sich auch die deutschen Kunden von Front Porch wie das ZDF oder der Bayerische Rundfunk für die SAMMA-Lösung?
Wir haben noch nicht mit denen gesprochen, planen das aber. Wir gehen davon aus, dass auch dort Interesse daran besteht.

Bislang waren viele TV-Sender bei der Einführung digitaler Archiven noch sehr zögerlich. Ist jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, um das Thema voranzutreiben?
Das hängt sehr stark von dem jeweiligen Markt ab. Wir haben schon bei einigen Sendern in Westeuropa vor gut fünf Jahren mit entsprechenden Digital-Archiv-Projekten angefangen. Im Vergleich zu den möglichen Installationen ist deren Zahl aber immer noch sehr gering. Wir haben bewiesen, dass digitale Archivlösungen eine ausgereifte Technologie darstellen und die Preise dafür mittlerweile auch deutlich günstiger geworden sind. Impulse für die Einführung digitaler Archive müssen nun von den Sendern selber kommen. Die Bereitschaft dazu muss noch wachsen. Das aber ist kein einfacher Prozess. Schließlich geht es auch darum, wie man in den Sendern grundsätzlich die Nutzung von Inhalten organisieren will. Das betrifft sehr viele Abteilungen und Mitarbeiter. Derzeit sind digitale Archive für viele Sender auch noch nicht unbedingt von zentraler Bedeutung, weil sie ihre Priorität auf dem Weg ins digitale Zeitalter zunächst auf die digitale Übertragung und die digitalen Playout-Systeme legen. Erst, wenn das alles läuft, beginnt man in der Regel darüber nachzudenken, wie der digitale Content am besten gespeichert und archiviert werden kann.

Ganzheitlich planen


Wie sollte man bei der Einführung digitaler Archive vorgehen? Ist es sinnvoll, sie bei der Planung neuer digitaler Workflows möglichst von Beginn an mit zu berücksichtigen?
Natürlich sollte der gesamte Workflow von Beginn an möglichst ganzheitlich überdacht und geplant werden. Man muss auf die resultierenden Veränderungen möglichst früh vorbereitet sein. Am Ende kann man schließlich jedem Mitarbeiter den Zugang zum Archiv gewähren, und daraus resultieren nicht nur technische Implikationen, sondern oft auch massive Eingriffe in die Jobstrukturen. Ich befürworte deshalb einen pragmatischen Ansatz, indem die Einführung von digitalen Archiven schrittweise vollzogen wird. Anfangen kann man auf der Ebene der Archiv-Abteilung und dann den Zugang sukzessive auf andere Abteilungen ausbauen. Man muss oft den Menschen mehr Zeit geben, um zu verstehen, was man für Vorteile aus dieser Technologie heraus ziehen kann. Erst wenn man ein Tool in der Hand hat, kann man letztlich bewerten, wie man damit seine Arbeitsabläufe verbessern kann. Man kann das nicht umfassend von Anfang an alles planen. Deshalb ist es besser, den Technologieeinsatz vom Start weg etwas zu limitieren und dann den Ausbau innerhalb des Betriebes langsam voranzutreiben.

Was bedeutet die Akquisition für die Koperationen von SAMMA und IBM?
SAMMA arbeitet in der Tat mit IMB als Partner im Bereich der Media- und Entertainment-Industrie an einigen Großprojekten zusammen. IBM ist dabei vor allem an der Entwicklung von End-to-End-Lösungen interessiert, die aus IBM-Hardware und SAMMA-Software bestehen. Auch Front Porch arbeitet übrigens, auch wenn das bislang noch nicht so sichtbar war, bei verschiedenen Projekten mit IBM zusammen. Diese Kooperationen werden weiterhin Bestand haben. Die Partner ergänzen sich gut.

Front Porch pflegt viele weitere Kooperationen insbesondere in den Bereichen Servertechnik und Media Asset Management. Ändert sich da etwas durch die SAMA-Übernahme?
Nein. Wir arbeiten in Deutschland ja unter anderem mit S4M, Norcom und einigen anderen Unternehmen zusammen. Die meisten stehen in direktem Wettbewerb zueinander. Unsere Lösung ist jedoch Workflow embedded. Wir müssen Storage-Ressourcen managen. Darauf aufgesetzt sind in der Regel weitere Systeme, meist Applikationen für die Nutzer. Wir versuchen natürlich, möglichst viele dieser Applikationen mit unserem System zu integrieren, und sind weiterhin völlig offen für entsprechende Kooperationen.

Welche Erwartungen haben Sie nach der erfolgreichen Akquisition von SAMMA für die Zukunft?
Wir werden die traditionellen DIVA-Produkte von Front Porch weiter entwickeln. Es wird sicher demnächst neue Ankündigungen dazu geben. Auch die SAMMA-Produkte werden neue Funktionalitäten erhalten. Zur NAB 2009, vielleicht aber schon vorher, werden wir zudem eine Lösung zeigen, die beide Produktgruppen integriert. Das Solo-System von SAMMA übernimmt dabei Ingest und digitale File-Migration der Videobänder und DIVAworks von Front Porch konvertiert und speichert die Files dann auf einem Datenband-Speichersystem. Wir wollen die integrierten Produkte so schnell wie möglich anbieten, zunächst innerhalb unseres eigenen Kundekreises vermarkten und dann auch über den Broadcast-Markt hinaus auch in andere Geschäftsfelder anbieten, wo Migration und Speicherung von Videoinhalten gefragt sind. Wir denken da unter anderem an öffentliche Verwaltungen, Universitäten etc.
Eckhard Eckstein (12/08)