Anspruchsvolle Produktionsumgebung

Wenn Mostar in Bosnien und Herzegowina aus allen Nähten platzt ist vermutlich das Red Bull Cliff Diving Event wieder zu Gast in der Stadt mit der Stari Most, der alten Brücke. Aus bis zu 27 Metern Höhe springen die internationalen Athleten in den eiskalten Fluß Neretva – für die Dienstleister eine spannende Produktion auf engstem Raum. mebulive sprach mit dem federführenden Produktionsdienstleister Euro TV und dem Spezialkameradienstleister Airtime Unlimited über die Produktion.

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Anspruchsvolle Produktionsumgebung

Die Stari Most, die alte Brücke, das Wahrzeichen und Unesco Weltkulturerbe von Mostar war am 24. August 2019 zum fünften Mal Austragungsort der Red Bull Cliff Diving Tour. Ein Turm aus Holz wurde extra auf der Brücke errichtet, um eine Sprunghöhe von 27 Metern zu erreichen.

An zwei Wettkampftagen müssen die Athleten je vier Sprünge absolvieren. Fünf Judges urteilen mit Scores von null bis zehn. Ein Sprung dauert drei Sekunden. In der Zeit erreichen die Extremsportler eine Fallgeschwindigkeit von 85 Km/h. Dabei müssen sie physikalische Kräfte von bis zu 10G verkraften und beim Eintauchen in das Wasser extreme Körperspannung aufbauen, um sich nicht zu verletzen. Das setzt viel Erfahrung und Training voraus. Kein Wunder, dass zur Weltelite gerade mal 60 Cliff Diving-Springer und -Springerinnen zählen. Um ihnen ein Mindestmaß an Sicherheit zu gewährleisten, treiben die Veranstalter einigen Aufwand. So sind am Eintauchpunkt immer drei Rettungstaucher präsent, die bei Problemen sofort eingreifen können und am Ufer wartet medizinische Betreuung. Der Eintauchpunkt wird zudem mit einem starken Wasserstrahl besprüht. Das ist nicht nur ein wichtiger Markierungspunkt für die Springer, sondern soll auch die Wasseroberfläche brechen, um die Härte beim Eintauchen etwas zu reduzieren. Dennoch ist das Auftreffen auf die Wasseroberfläche beim Cliff Diving etwa neunmal härter als bei einem Sprung vom 10-Meter-Brett. Die Tatsache, dass auf die Athleten in Mostar auch noch das eiskalte Wasser der Neretva wartete, fiel da kaum ins Gewicht.

Stark gefordert waren in Mostar auch die an der Bewegtbildproduktion des Events beteiligten Dienstleister. Schon seit 2005 arbeitet das Red Bull Media House als Rechteinhaber mit dem Produktionsunternehmen Euro TV aus dem österreichischen St.Veit an der Gölsen bei diversen Red Bull Produktionen, wie etwa dem Red Bull Air Race oder dem X-Fighters-Event, zusammen. Insgesamt vier Stopps der Cliff Diving Tour 2019 wurden von dem Dienstleister produziert.

Gegründet 1980 wird Euro TV mittlerweile in der dritten Generation geführt. Als Full-Service-Produktionsdienstleister konzentriert sich das Unternehmen auf Produktionen, bei denen große Kabelstrecken überbrückt werden müssen. „Wir können Produktionen stemmen, bei denen 30 bis 35 Kilometer Fiber-Kabel verlegt werden müssen“, erklärt Günther Polder, Geschäftsführer von Euro TV.

Dass Euro TV in der Lage ist, das Cliff Diving Event in Mostar zu produzieren ist auch der seit Jahren andauernden Partnerschaft mit dem Hannoveraner Dienstleister TVN zu verdanken. Sie erlaubt es beiden Unternehmen, sich gegenseitig Technik auszuleihen. So auch geschehen in Mostar, wo Euro TV den großen TVN Ü-Wagen HD 4 nutzte. „TVN stellt generell die etwas größeren Fahrzeuge. Wir haben dagegen die Trucks mit maximal 14 Kameras”, erklärt Polder die Aufteilung der Technik.

Cliff Diving Tour Live-Produktion

Während die Serie in den vergangenen Jahren vielmehr eine Produktion für kleinere ENGs (Electronic News-Gathering) war, war es dem Red Bull Media House in diesem Jahr ein Anliegen, möglichst viele Stopps der Cliff Diving Tour live zu produzieren. Das Event in Mostar wurde live auf Red Bull TV übertragen. Aber auch ein bosnischer Sender griff das Signal mit einer eigenen SNG ab.

Auch im nächsten Jahr ist schon sicher, dass bis auf einen Stopp in Bali alle Events live produziert werden. „Der Vorteil live zu produzieren ist natürlich, dass man alle anderen Felder der Inhalte-Wiederverwertung mit abdecken kann“, erklärt Polder die Strategie.

Euro TV stellte für das Event in Mostar ausschließlich das technische Personal, sowie die EVS-Operatoren. Mit insgesamt 18 Mitarbeitern wurde sichergestellt, dass die Infrastruktur fehlerfrei funktionierte. Das kreative Personal, sprich die Redaktion und die Kameraleute, kam unterdessen vom Red Bull Media House. „In kleinen ENG-Teams fängt das Personal vom Red Bull Media House schon im Vorfeld des Events Zuspieler für das Live-Programm ein. Dieselben Mitarbeiter stehen an den Tagen des Springens dann auch hinter den Live-Kameras. Das führt zu einer schlanken Produktion”, erklärt Polder und führt weiter aus: „Daher mussten wir für diese Produktion auch keine Kameraleute stellen.” Die Herausforderung der Produktion lag laut Polder in der anspruchsvollen Location und den angespannten Platzverhältnissen. So musste das Produktionsteam die technische Infrastruktur auf beiden Seiten des Flusses aufbauen und miteinander verkabeln.

„Auf der einen Seite der Neretva steht der OB-Van und das FOH (Front of House) – auf der anderen Seite die Event-Regie. Wir mussten also in den frühen Morgenstunden die Kabel über die Brücke legen. Und auch sonst gibt es in Mostar keine Produktionsmittel. Jede Kamerakiste musste über den mit Pflastersteinen gesäumten mittelalterlichen Fußweg und durch enge Gassen geschleppt werden”, erzählt Polder. Und auch zu den technischen Operationszeiten war der Platz zum Arbeiten beschränkt. Die Brücke selbst war nur zum Wettbewerb eine für kurze Zeit gesperrt, ansonsten blockierten tausende Besucher das Wahrzeichen der Stadt. Eine weitere Herausforderung beim Red Bull Cliff Diving ist, dass generell immer neue und innovative Kamerapositionen gesucht und gefunden werden müssen. „Jede Location ist anders und erlaubt eine andere Bildsprache”, erklärt Polder und führt aus: „Das bestmöglich hinzubekommen ist die große Herausforderung. Gerade in Mostar war es sehr schwer, überhaupt Kamerapositionen zu finden und eine schöne mediale Berichterstattung zu gewährleisten.“

Spezialkameratechnik

Neben der speziellen Produktionsumgebung war auch ein Blick auf die eingesetzte Technik spannend. Insgesamt wurden 13 Kameras von Sony und Ikegami eingesetzt.Für die regulären Bilder setzte man bei Euro TV auf HDC-1500 Kameras mit Canon Optiken. Eine Sony HDC-4300 Super-Motion Kamera und eine Ikegami Hi-Motion II High-Speed mit 1000fps ergänzten das Line-Up.

Die spannendste Kamera war jedoch eine Unterwasserkamera, die vom Bad Tölzer Dienstleister Airtime Unlimited bereitgestellt worden ist und durch ein ausgeklügeltes Funkkonzept, die Bilder an den Ü-Wagen übermitteln konnte.

„Die Unterwasser-Kameraperspektive ist toll. Aus dem Wasser heraus gefilmt wird erst klar, wie hoch die Absprungplattform ist. Dringt der Athlet dann ins Wasser ein, kann der Kameramann mittauchen und liefert tolle Aufnahmen aus dem kristallklaren Fluss“, erklärt Polder.

Holger Herfurth, Geschäftsführer bei Airtime Unlimited, war mit seinem Unternehmen bisher auf jedem Stopp der Red Bull Cliff Diving Reihe in 2019 am Start. Sein Spezialgebiet sind eigentlich extreme Shots mit Kameraseilsystemen. Beim Cliff Diving kam jedoch ein eigens entwickeltes Unterwassergehäuse für eine Broadcast-Kamera zum Einsatz, die spektakuläre Perspektiven ermöglichte. „Wir wollten eine Broadcast-Kamera – etwa eine HDC-P1 von Sony oder eine Grass Valley LDX C80 Compact mit einem Canon Weitwinkelobjektiv mit digitaler Steuerung – in einem Unterwassergehäuse unterbringen. Leider mussten wir feststellen, dass es für derartige Kamera-Set-Ups keine Gehäuse gibt. Und so haben wir uns entschieden selbst ein tauchfähiges Gehäuse zu entwickeln und zu bauen”, erzählt Herfurth.

Das Aluminiumgehäuse hat einen etwa 25 Zentimeter Durchmesser und ist 60 Zentimeter lang. Zwei Griffe am Gehäuse beherbergen Fokusrad und Zoom. Eine Einstellung für Iris ist ebenfalls verbaut, wobei die Blendeneinstellung meist über das RCP im Ü-Wagen bedient wird. Als Sucher dient ein wasserdichter fünf Zoll HD-Monitor. „Das Interessante an dem System ist, dass wir die Kamera- und Funkeinheit voneinander getrennt haben. Damit stellen wir sicher, dass wir mit der Kamera tauchen gehen können und die Funkverbindung nicht verlieren. Die Funktechnik haben wir auf einer Boje, die durch eine Art Kiteleash mit dem Kameramann verbunden ist, untergebracht”, erklärt Herfurth das Konzept. In der Boje sind zwei Funkeinheiten untergebracht, die über ein Kabel mit der Kamera verbunden sind. Der Datenfunk der Boje wird meist über eine 5 Gigahertz Verbindung an ein Operator-Rack, das in Flussnähe stand, angebunden und war für Tally, Kamera- und Blendensteuerung, Farben oder Intercom zuständig.

Der zweite Datenweg ist unterdes für die Übertragung der Videodaten zuständig. „Dafür nutzen wir ein Vislink-System, das ein HD-SDI Signal über einen „Super-Low-Delay“ H.246 -Encoder an das Operator-Rack schickt. Von dort holt der Ü-Wagen das Signal dann ab”, erklärt Herfurth. Damit das Unterwasser-Kamera-System den Springern leicht auf ihrer Tour folgen kann, ist das Operator-Rack kompakt aufgebaut und für die Reise um die Welt konzipiert. So konnte das Produktionsteam sicher sein, dass auch der letzte Stopp der Cliff Diving Serie am 14. September in Bilbao ein Erfolg wird. Auch für diese Produktion zeichnete Euro TV wieder verantwortlich.

Niklas Eckstein

MB 4/2019

© Romina Amato / Red Bull Content Pool