Brillanter als Kino

HD als Broadcast-Standard ist in der Timeline der Digitalisierung und der damit verbundenen Innovationsdynamisierung mittlerweile fast museal. Aber welcher Standard kommt danach? Ultra HD als 4K oder 8K? Für Ernst Feiler, Director Technology UFA, Produktionstochter der RTL Group, heißt die Zauberformel der Zukunft HDR, High-Dynamic-Range. Und tatsächlich zieht neben der RTL-Gruppe auch das ZDF in die HDR-Zukunft mit.

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Brillanter als Kino

›Ernst Feiler hat nicht nur eine Ausbildung als Bildtechniker absolviert, sondern auch Regie und Dramaturgie studiert. In Verbindung dieser zwei Pole versteht sich der technische Direktor der UFA als „Dolmetscher“ zwischen den Welten der Kreation, Produktion und Technologie von Bewegtbildinhalten. Also beschreibt Feiler Technik nicht allein mit kargen Kürzeln, sondern versucht auch die emotionalen Erlebniswelten ihrer Anwendungen rhetorisch auf den Punkt zu bringen. So ist HDR in Verbindung mit einer optimalen Bildauflösung für ihn „eine Technologie, die die Bilder von technischen Einschränkungen, die 100 Jahre für uns eine Gewohnheit waren, erstmalig befreit“.

HDR zaubere auf den großen TV-Monitor zu Hause „Bilder, die ganz dicht an der Realität sind“. Ein Gefühl als ob man „nicht auf den Monitor, sondern aus dem Fenster“ schaue. UHD, so erläutert Feiler, könne „hinsichtlich Helligkeit, Kontrast und Farbraum ungefähr zwei Drittel wiedergeben, was das menschliche Auge tatsächlich sieht“. Das Kino schaffe es schon auf die Hälfte. Und das werde nun noch von HDR getoppt, weil damit etwa zwei Drittel der Bildrealität, wie sie vom menschlichen Auge wahrgenommen wird, abgebildet werde. „Und wenn es gut gemacht ist“, so fügt Feiler hinzu, „ist es ein Wow-Erlebnis“. Denn produktionstechnologisch könne man dank HDR „die Gesichter der Schauspieler als wichtigste Erzählfläche wie real ins Wohnzimmer bringen“, „so dass das Kino neidisch werden kann“. Das vielfältige Grün der Natur sei erst dank der HDR-Brillanz darstellbar und im Show-Sektor können sich endlich auch die Farben Rot und Gold in Glitterattitüde ausbreiten, ohne ins Flimmern zu geraten, wozu Feiler am UFA-Hauptsitz in Potsdam Testbilder präsentiert. Schwärmerisch resümiert er: „TV hat die Brillanz des Kinos überholt“.

Das allerdings ist erst einmal nur eine theoretische Behauptung. Zwar hat die UFA mit „Ku’damm 59“ (ZDF) und „Sankt Maik“ (RTL) in HD/HDR beziehungsweise Ultra HD/HDR bereits zwei fiktionale Serien produziert. Es handelt sich aber „nur“ um Piloten, denn noch ist HDR nicht systemisch von Produktion über Distribution bis zum Empfang in der Broadcast-Technologie integriert. Was noch nicht ist, kann noch kommen, wird sogar kommen, ist Tobias Schwahn überzeugt. Er ist Leiter strategische Planung und Innovation im ZDF-Geschäftsbereich Informations- und Systemtechnologie. Man habe sich beim ZDF schon seit geraumer Zeit in interner Diskussion zwischen Redaktion und Technik mit der Frage auseinandergesetzt, wie man repertoirefähige Programme „über HD hinausgehend“ zukunftssicher machen kann. Zum einen sollen die Programme auch noch in einigen Jahren in bester State of the Art-Bildqualität auf ZDF-Kanälen wiederholbar sein. Zum anderen möchte man schon heute ein zusätzliches Argument haben, um die Produktionen optimal im Weltvertrieb zu positionieren, erklärt Schwahn, der wie Feiler auf HDR als sicheren Zukunftsstandard setzt. Er glaubt, dass der Prozess bis hin zu einem künftigen Regelbetrieb mit HDR ähnlich wie die Einführung von HD, die er beim ZDF mitverantwortet hat, verlaufen werde. Bevor der HD-Regelbetrieb 2010 beim ZDF begonnen habe, habe man bereits ab 2004 angefangen, besonders hochwertige Programme mit langlebigen Themen auch in HD zu produzieren, um ein Repertoire für die Zukunft ab 2010 aufzubauen.

HD/HDR beim ZDF

„Das war damals einfacher weil es nur um HD ging“, meint Schwahn rückblickend. Mittlerweile hat sich beispielsweise die IT-Infrastruktur rund um Broadcast rasant verändert wie die Empfangsgeräte-Situation. Zum einen sind TV-Screens mit mittlerweile durchschnittlich 55 Zoll zu berücksichtigen, zum anderen alle Arten von mobilen Endgeräten mit unterschiedlichen Displays. „Wir haben verschiedenste Technologien bewertet“, sagt Schwahn, „auch unter dem Aspekt, von welcher Technologie der Nutzer ausgehend von der ihm zur Verfügung stehenden Gerätesituation in Zukunft am meisten hinsichtlich der Bildqualitätsverbesserung hat“. Insbesondere in Diskussionen mit Produzenten, die das ZDF zum Thema auf den Lerchenberg geladen hatte, wurde diskutiert, wovon genau die Zukunftssicherheit des Programmmaterials abhängig sei. Sukzessive stellte sich heraus, dass die Qualitätsverbesserung wesentlich mehr durch den HDR-typischen höheren Kontrastumfang, die Erweiterung des Farbraums und schließlich auch höhere Frameraten als durch HD- und Ultra HD-repräsentierte Bildauflösung und -Zeilenzahl generiert werden kann. Außerdem: Wenn man in der Auflösung „auf 4K oder sogar 8K gehe, werde die Postproduktion entsprechend aufwändiger und teurer“. Schwahn: „Laut wissenschaftlichen Untersuchungen, die den Betrachtungsabstand im Zusammenhang mit den Displaygrößen beleuchten, ist das Auflösungsvermögen des menschlichen Auges begrenzt. Das heißt: Die höhere Auflösung wird vom Zuschauer im Gegensatz zur Kontrastverbesserung und der Erweiterung des Farbraums aufgrund der vorherrschenden Betrachtungsabstände häufig gar nicht wahrgenommen, weder am großen Bildschirm im Wohnzimmer noch auf den Displays der mobilen Endgeräte“. Das große Plus von HDR sei „der extrem hohe Kontrastumfang, der sich dem annähert, was das menschliche Auge von Natur aus wahrnehmen kann“. In Quintessenz der Diskussion, so Schwahn, „haben wir zwei Produktionsstandards für die Anlieferung für hochwertige Programme definiert: zum einen Ultra HD/HDR, zum anderen gebe man sich aber auch mit dem HD/HDR-Standard zufrieden, was eine Kostenerleichterung für Produzenten und Sender ist.

Zwar habe Ultra HD, also 4K oder 8K, aktuell „eine große Marketing-Schlagkraft“ und werde von den Endgeräteherstellern stark promotet. Doch, um alle möglichen stationären und mobilen Endgeräte bedienen zu können, mache es keinen Sinn, sich auf eine einzige Lösung festzunageln. „Bei mobilen Endgeräten arbeiten wir heute schon mit x verschiedenen technischen Formaten“, sagt Schwahn. Außerdem habe man auch für den „kleinen“ Standard HD/HDR die Auflösung im Vergleich zu dem heute bei allen Übertragungswegen (mit Ausnahme von DVB-T) verwendeten HD-Standard 720p/50 auf 1080p/50 erhöht. Insofern sei auch der Standard HD/HDR mit einer sehr hohen Bildauflösung verbunden. „Aber nur speziell bei HDR sehen wir eine nachhaltige Entwicklung“, erläutert Schwahn, „die wir peu a peu verfolgen. Wobei wir nicht alles sofort realisieren können, nicht auf jeden Zug aufspringen wollen, der gerade vorbeifährt“. Man probiere viel aus, wie auch seinerzeit bei der Vorbereitung zur Einführung von HD. Der große Unterschied zur damaligen Wechselsituation von SD auf HD sei heute, dass mit Online neue Verbreitungswege zur Verfügung stehen, über die die Realisation von technischen Innovationen schneller angegangen werden kann.

So hat das ZDF die Möglichkeit genutzt, den Zuschauern neben der herkömmlichen Ausstrahlung der Event-Serie „Ku’damm 59“ in HD sie auch in voller HD/HDR-Pracht „als Showcase online via HBBTV“ zum Abruf zu offerieren, berichtet Schwahn. Ergebnis? „Wir haben festgestellt, dass der neue Standard von vielen Endgeräten gut unterstützt wird und von den Zuschauern rege abgerufen wurde“. Mit den Endgeräteherstellern, deren Geräte den Standard noch nicht hundertprozentig unterstützten, wurden Gespräche geführt – und viele haben nachgebessert. Den Geräten, so weiß Schwahn, „ist es egal, ob sie HD/HDR oder UHD/HDR auf den Bildschirm zaubern“. Rein vom subjektiven Empfinden, so fügt Schwahn hinzu, „konnten weder ich noch meine Kollegen einen großen Unterschied zwischen HD/HDR und Ultra HD/HDR auf den heute typischen 55 Zoll-Endgeräten erkennen – nicht die noch höhere Auflösung bei UHD, sondern HDR und erweiterter Farbraum machen den Unterschied“.

Noch schneller als das ZDF ist die Mediengruppe RTL Deutschland in Bezug auf den HDR-Standard hierzulande und womöglich sogar weltweit vorgeprescht. Während das ZDF, wie Schwahn berichtet, (U)HD/HDR bis auf weiteres nur für „Konserven“, also vorproduzierte Sendungen einsetzen möchte und die Zeit noch lange nicht für reif hält, auch mit Live-Produktionen den neuen Standard zu erproben, ist die Mediengruppe RTL diesen Schritt schon experimentell gegangen. Der Reihe nach.

So wie das ZDF hat auch die Mediengruppe RTL ihre erste in Kombination mit HDR produzierte fiktionale Serie, „Sankt Maik“, online gestellt: zum einen auf die unternehmenseigene Plattform TV Now (via Android TV-App), von wo sie mit UHD HDR-fähigen Philips und Sony-TV-Geräten abgerufen werden konnte. Zum anderen über die kostenpflichtige HD+-Plattform. Auf letzterer Plattform hat die Mediengruppe RTL Deutschland mittlerweile auch einen linearen UHD-Testkanal/„RTL UHD“ zeitlich limitiert bis Ende 2018 gestartet, zunächst mit Liveausstrahlung der Formel 1 und des Finales von „Deutschland sucht den Superstar“, DSDS. Für den neuen Kanal hat die Mediengruppe RTL Deutschland sogar ihr Sendezentrum weiterentwickelt und somit die technischen Voraussetzungen geschaffen, um das UHD-Signal Plattform-Partnern von Köln aus zur Verfügung zu stellen – aber eben auch die Kombination mit HDR, wie sie bei der Live-Ausstrahlung des DSDS-Finales ausprobiert wurde.

Andere Konkurrenzsituation

Während Schwahn für das ZDF unter Kosten-/Nutzen- beziehungsweise Wirkungsaspekten den Standard HD in Verbindung mit HDR für innovativ genug hinsichtlich des künftigen TV-Bilderlebnisses hält, setzt RTL strikt auf UHD auch in Verbindung mit HDR: Warum denn das? Gerade ein privatwirtschaftliches Unternehmen wie RTL ist doch wohl noch mehr als ein öffentlich-rechtlicher Sender an effektive an den Bedürfnissen der Zuschauer interessierten Lösungen interessiert! Feiler hat eine Erklärung: „Die Privatwirtschaft steht in einer anderen Konkurrenzsituation als die Öffentlich-Rechtlichen“, sagt er. Sie müsse sich ganz stark mit Streaming-Plattformen auseinandersetzen, mit neuen Serienprogrammen und neuerdings auch neuen Show-Programmen wie bei Sky. Und, wenn dann auch noch beispielsweise Netflix verkündet, man werde in Zukunft nicht mehr unter der Qualität von 4K produzieren, „wird diese Botschaft in der Öffentlichkeit als Qualitätsmerkmal für Netflix wahrgenommen, obwohl die meisten Konsumenten eine tatsächliche Verbesserung ihres Seherlebnisses auf ihrem Bildschirm im Wohnzimmer gar nicht nachvollziehen können“. Als privatwirtschaftliches Unternehmen dürfe man sich im Wettbewerb nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, sondern müsse auch in technologischer Qualität von Anfang an mithalten.

Wie teuer ist denn nun UHD/HDR genau? Feiler: „Auf der Kostenseite ist es einfach: Im fiktionalen Programm sind 99 Prozent der eingesetzten Kameras und Bildsensoren schon längst in der Lage, UHD/HDR Standards abzubilden. Das Leck liegt in der Postproduktion und auf der Senderstrecke und ist abhängig davon, mit welchem Codec ich aufzeichne“. Es gehe darum, „wieviel von dem hervorragenden Bild, das alle fiktionalen Kameras auf dem Chip aufnehmen können, bei der Aufzeichnung dann auch tatsächlich genutzt werde“: „Wieviel Datenkompression erlaube ich mir?“ In den niedrigeren Qualitätssektoren, so weiß Feiler, „gibt es nur 8 Bit-Farbtiefe, die von den auf dem Chip gespeicherten eine Milliarde Farben nur zwölf Millionen übrig lässt. Wenn man die Postproduktion mehr auf Effizienz trimmt, verliert man an Qualität“. Schlussendlich hängt es jeweils vom Inhalt ab, ob es sinnvoll ist, mit einer höheren oder niedrigeren Bildqualität und Auflösung zu produzieren. Ob man den Bergdoktor dreht oder Naturfilme im Amazonas. In der Nacht sind alle Katzen grau, weshalb es sich kaum lohnt, im Dunkeln mit einer hohen Bildauflösung zu drehen.

„Es geht wie immer zum einen um die Kosten, zum anderen um die Frage, wie man welche Inhalte transportieren will“, weiß Feiler. UHD heiße immer vier mal so viel Daten speichern, sichten, auswerten, speichern, weiterleiten. Das sei eben ein größerer finanzieller Aufwand als nur ein Viertel der Daten durch die Pipeline zu schieben. Feiler skizziert drei konkrete Beispiele. Wenn in UHD/HDR gedreht werde, müsse man die Qualität auch am Set erkennen können. Also wird ein UHD/HDR-fähiger Monitor gebraucht, der kostet 30.000 Euro. Zweitens braucht man vier Mal so viel Speicherplatz/Karten am Set, wodurch sich ein langwieriges Handling zur Materialsicherung ergibt. Und last but not least braucht man einen vier Mal so großen Speicher, dessen Miete eben teurer als ein kleinerer ist.

Bedeutet das denn nun hinsichtlich der Kosten – auf die Spitze getrieben –, dass es sich bei den fiktionalen Serien „Ku’damm 59“ und „Sankt Maik“ um die teuersten UFA-Produktionen aller Zeiten handelt? „Auf keinen Fall!“, antwortet Feiler blitzschnell. „Der Anteil der technischen Mehrkosten im Rahmen des Gesamtbudgets ist überschaubar. Heutzutage werden die Kosten im fiktionalen Bereich nur im marginalen Bereich durch Technologien bestimmt“.

Bei „Ku’damm 59“ seien höhere Kosten „Resultat des gewaltigen Kostüm-, Set- und Bauaufwands, der den Kostenaufwand für Technik in den Schatten stellt“. Genau deshalb sei eben auch „Ku’damm 59“ ein hervorragender Pilot für den Standard HD/HDR gewesen, da es sich um nichts Kostbareres als die Reproduktion der zeitlichen Epoche um 1959 gehandelt habe, die mit ganz bestimmten Stilen, Farben, Mustern, prägend für die Zeit war. „Genau dafür bietet HDR ein authentisches Bild, um die Historie emotional noch lebendiger werden zu lassen“, meint Feiler: „In der Relation reden wir nicht über einen sehr großen Finanzierungsaufwand, aber dennoch über einen Mehrwert“. „Ku’damm 59“ wie „Sankt Maik“ seien Piloten, um dafür Erfahrung zu sammeln. Wobei Feiler gerade das ZDF für die lehrreiche Diskussion um den neuen Standard zusammen mit Produzenten und Postproduktionshäusern lobt. „Das war großartig, eine super Motivation in der Art der Zusammenarbeit zwischen Sender und Produzenten, freut sich Feiler.

Wer einmal UHD/HDR oder HD/HDR in voller Qualität erlebt habe, möchte nie mehr zurück!“, betont Feiler vehement: „Für uns als UFA ist schon jetzt klar, dass wir diesen Standard nehmen, weil er die beste Qualität auch für die Zukunft bietet“. Und Feiler glaubt sogar daran, dass es nicht mehr lange dauern wird, dass auch die Zuschauer nur noch den neuen Standard sehen wollen.

Er erinnert sich: „Bei 1,4 Millionen Zuschauern für HD kippte alles von SD 4:3 auf HD 16:9. Wir bewegen uns jetzt mit UHD/HDR auf diesen Tipping-Point zu“.

Anders als das ZDF ist Feiler davon überzeugt, dass auch Live-Events schon bald in UHD/HDR übertragen werden. Beim Fußball gebe es schon die ersten Schritte. Mehrere Ü-Wagen seien bereits mit UHD/HDR ausgerüstet, um live zu produzieren. Wobei gerade Deutschland in Sachen UHD/HDR mit an der Spitze sei, in der Diskussion viel weiter als andere Territorien. Das weiß Feiler auch, weil die UFA Tochter der international erfolgreich im Weltvertrieb operierenden FremantleMedia ist, die zur RTL Group gehört. Und die hält ihre großen Castingshows, wozu unter anderem DSDS gehört, „für prädestiniert, um in HDR abgebildet zu werden“. So wird der Mehrwert noch mal größer: „Ein Quantensprung in eine neue technische Spitzenqualitätsklasse“, in der die großen Shows mit ihren Glitzerkostümen, immer aufwändigeren Bühnenbildern und ausgefeilten Inszenierungen laut Feiler „noch emotionaler an die Zuschauer gebracht werden können“.

Erika Butzek

MB 2/2018