3D beflügelt 3 Gbit/s-Umstieg

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3D beflügelt 3 Gbit/s-Umstieg

Wie sehen Sie die gegenwärtigen Entwicklung im HDTV-Markt?
Das 1080p-Format hat sich im Produktionsbereich durchgesetzt. In der TV-Serien-Produktion arbeitet man schon seit Jahren mit 1080p, wenn auch nur mit 25 Bildern pro Sekunde. Dafür reicht die 1,5 Gbit/S HDSDI-Infrastruktur. Wenn man aber zur vollen Bildrate mit 50 Bildern pro Sekunde wechseln will, benötigt man schnellere Interfaces und Infrastrukturen. Dabei ist ganz klar die 3 Gbit/s-Technik gefragt. Die treibenden Kräfte für das progressive Format (p) mit 50 Vollbildern kommen hauptsächlich aus Europa. Hier gab es ein etwas späteres HDTV-Roll-out als in den USA und damit einher gehend auch eine Entwicklung hin zu Full-HD im Konsumer-Display-Markt. Weil wir in den USA einen früheren HD-Start hatten wurden hier fast alles noch in 1080i realisiert. Im europäischen Markt sieht man nicht zuletzt vor dem Hintergrund der wachsenden Zahl an Full-HD-Displays in den Haushalten, eine gute Chance sich von Interlaced, i, im Produktionsbereich zu verabschieden und sich einer vollen progressiven Infrastruktur, p, zuzuwenden. 1080p als Mastering-Format bietet eine gute Grundlage zum Einsatz der vereinbarten Distributionsformate 1080i und 720p. Bildsignale lassen sich relativ einfach und verlustfrei von 1080p zu diesen Standards konvertieren. Gerade in Europa macht es Sinn, 1080p mit einer Bildrate von 50 Bildern pro Sekunde als den Zukunftsstandard für Mastering und Produktion zu sehen.

Welche technischen Hürden gilt es auf dem Weg zu 3 Gbit/s zu bewältigen?
Grundsätzlich ist die Verbesserung der Interface-Geschwindigkeit ein wichtiger Schritt nach vorne. Und natürlich sind damit heute noch einige technische Schwierigkeiten erbunden, ähnlich den Anfangszeit von HDTV wo wir Reclocker, Equalizer und andere Kabel brauchten. Wir sehen ähnliche Probleme heute bei der 3 Gbit/s-Einführung. Einige frühe 3 Gbit/s-Installationen unserer Mitbewerber haben Probleme im Einsatz gezeigt. Einige konnten nicht mal 100 Meter Signalstrecke überbrücken. Natürlich gibt es immer viele technische Probleme bei neuen Interfaces zu klären. Wir müssen bei unseren Entwicklungen hin zu einem neuen Produktionsformat sehr stark darauf achten, dass wir am Ende auch alle Erwartungen der Kunden erfüllen können und sie diese neuen Standards auch problemlos in ihre vorhandenen technischen Einrichtungen integrieren können. Letztes Jahr haben wir deshalb auch unserer eigenes 3 Gbit/s-Equipment noch mal auf den Prüfstand gestellt und uns entschlossen, es weiter zu überarbeiten. Wir wollten die Erwartungen der Kunden nicht nur erfüllen sondern übertreffen und ihnen einfachere Einsatzmöglichkeiten von 3 Gbit/s-Technologien bieten. Viele Schwierigkeiten bei der Realisierung von 3 Gbit/s-Infrastrukturen haben mit der Leistungsfähigkeit von Kabeln zu tun. Deren Qualität variiert nun einmal recht stark.

Was bedeutet das konkret für die 3 Gbit/s-Installation?
Man muss bei Kabelauswahl wie auch bei der Installation insgesamt sehr sorgfältig vorgehen und berücksichtigen, dass bei 3 Gbit/s höhere Anforderungen an sie gestellt werden. Ingenieure sind nicht immer bereit, alle technischen Entwicklungen mitzugehen. Das führt oft zu Versäumnissen. Bei einer 3 Gbit/s-Installation können deshalb auch Schwächen vorhergehender Installationen deutlich werden. Allein wenn Kabeltypen bei einer 1,5 Gbit/s-Infrastruktur gemischt wurden, kann das bei einer 3 Gbit/s-Infrastruktur ernste Probleme verursachen. Grundsätzlich aber gilt: Wenn alle einen guten Job bei der 1,5 Gbit/s-Infrastruktur-Installation mit Blick auf Verkabelung, Steckfelder etc. gemacht haben, dann sollte auch die 3 Gbit/s-Aufrüstung funktionieren. Solide Ingenieursarbeit ist also wichtigste Voraussetzung für eine gute 3 Gbit/s-Installation.

Heißt das im Extremfall, dass die technische Infrastruktur eines Produktionsbetriebs bei der 3 Gbit/s-Aufrüstung komplett erneuert werden muss?
Ob man ganze Infrastrukturen ersetzen muss oder nicht lässt sich nicht allgemein sagen. Einerseits existieren diesbezüglich noch nicht ausreichende Erfahrungen, anderseits hängt das sehr stark vom Alter der vorhandenen Infrastruktur ab, von der Kabelwahl, und von der Qualität einer vorhandene Implementierung. Man kann aber wohl sagen, je mehr Kabel von der gleichen Art verbaut sind, desto weniger Probleme hat ein Unternehmen bei der Umrüstung. Wichtig bei der Installation ist natürlich auch, dass eingesetzte Router und modulares Equipment in der Lage sind, über große Kabeldistanzen hinweg zu arbeiten. Darauf haben wir bei der Entwicklung unseres Equipments großen Wert gelegt. Es kann mit neuen guten Kabeln leicht 140 Meter überbrücken und selbst mit älteren Kabeln schaffen wir 100 Meter. Aber selbst mit gutem Equipment kann man Probleme bekommen, wenn die existierende Implementierung schlecht ist. Verschiedene Kabeltypen haben wir Blick auf ihre 3 Gbit/s-Eignung übrigens auch von der Rundfunk-Betriebstechnik GmbH in Nürnberg testen lassen.

Wie weit ist man in den USA mit 3 Gbit/s-Infrastrukturen?
Da gibt es nur ein paar wenige Pioniere, die heute in komplette 3 Gbit/s Produktionslösungen investieren. Was wir heute dort sehen, ist ein starkes Interesse daran, Routing- und Kabelinfrastrukturen zu bauen, auf denen man später dann Upgrades auf 3 Gbit/s realisieren kann. Das ist der Grund dafür, warum heute das Hauptinteresse bei 3 Gbit/s die Bereiche Routing und modulare Produkte betrifft, die in der Regel ja einen recht langen Lebenszyklus haben.

Welche Relevanz hat das für die Investitionsplanung?
Unsere Trinix NXT 3Gb/s HD Router sind modular aufgebaut. Die Routing Frames lassen sich wahlweise mit 3 Gbit/s- oder 1,5 Gbit/s Karten bestücken. Die Kostenunterschiede sind dabei nicht so groß. Wenn unsere Kunden ein Frame bestellen, haben sie auch die Wahl, wie viele In- und Outputs sie wollen. Upgrades lassen sich dadurch nahtlos und an den tatsächlichen Bedürfnissen orientiert realisieren. Das sorgt für mehr Transparenz bei den Investitionen. Wir haben feststellen können, dass unsere Kunden selbst in einer Phase des wirtschaftlichen Abschwungs sehr daran interessiert sind, ihre Einrichtungen mit 3Gbit/s zukunftssicher zu machen. Wie schnell sie aber tatsächlich von 1,5 Gbit/s- auf 3 Gbit/s-Produktionsinfrastrukturen umstellen werden, ist schwer zu prognostizieren. Es könnte aber darauf hinauslaufen, dass die gegenwärtige 3D-Entwicklung den Start solcher Upgrad-Aktivitäten stärker als die 1080p/50-Produktion beflügelt. Schließlich kann man eine 3GBbit/s-Infrastruktur nicht nur mit einem Single-Stream mit 1080p/50 sondern auch einem Dual-Stream mit 1080i/50 nutzen. Damit werden also auch die Anforderungen für 3D-Produktions-Infrastrukturen erfüllt.

Sie verzeichnen also trotz Wirtschaftskrise weiter Investitionen
in neue Technologien für den 3 Gbit/s-Umstieg?

Durchaus. Drei Gebit/s-Investitionen in Routing- und modulares Equipment für Produktionsinfrastrukturen sind von der Wirtschaftkrise kaum betroffen. Hier geht die Entwicklung weiter voran. Die Kostenunterschiede zwischen 3 Gbit/s- und 1,5 Gbit/s-Technologien sind, wie gesagt, auch nicht so hoch. Grundsätzlich ist aber die Frage offen, wie und wann Unternehmen auf durchgehende 1080p/50-Workflows umsteigen wollen. Das hat zunächst wenig mit der reinen technischen Infrastruktur in den Produktionsstätten zu tun, sondern mit all den anderen Systemen, die hier zum Einsatz kommen, von Servern über Grafiksysteme bis hin zu Kameras. Insgesamt wird der Umstieg auf 3 Gbit/s wohl langsamer von statten gehen als von vielen erwartet. Wir haben hier übrigens ein ähnliches Szenario wie beim Umstieg von SD auf HD. Auch da konnten wir beobachten, dass die HD-Router schon viele Jahre auf dem Markt waren bevor das Upgrade der anderen Systeme passierte.

Haben Sie Kunden, die besonders starkes Interesse an 3 Gbit/s signalisieren?
Es gibt weltweit eine Handvoll sehr großer Firmen, die starkes Interesse am Umstieg auf 3 Gbit/s gezeigt haben. In Großbritannien gehört Sky dazu und in den USA ESPN.

Welche Erwartungen verbinden Sie in Bezug auf 3 Gbit/s-Infrastrukturen?
Was wird in den kommenden Jahren hier passieren?

Wir werden weitere Roll-outs von 3 Gbit/s-Lösungen sehen. Die werden, wie gesagt, nicht nur durch 1080p 50/60 getrieben, sondern insbesondere durch das wachsende Interesse an 3D-Produktionen und den Nutzwert, den 3 Gbit/s-Infrastrukturen hierfür bieten. 3D wird für viele Kunden den Wechsel zu 3 Gbit/s-Infrastrukturen sicherlich beschleunigen, weil sich damit Geld verdienen lässt. In der Filmindustrie sieht man das schon. Kinobetreiber registrieren mit 3D-Angeboten höhere Ticketverkäufe und steigende Umsätze. Die Workflows im Postproduktionsbereich der 3D-Filmproduktion sind mittlerweile auch gut eingespielt. Im Live-TV-Bereich ist es hingegen noch recht schwer 3D zu machen. Wir haben schon einige Versuche gesehen, einige waren gut andere weniger gut. Es fehlt uns hier noch am Know-how und den Tools um effizient in 3D zu produzieren, an der Definition der 3D-Übertragungskette und an 3D-Empfangsgeräten in den Haushalten.

Was steht auf der Prioritäten-Liste bei Grass Valley in Sachen 3 Gbit/s ganz oben?
Routing- und modulare Systeme haben auf unserer Produkt-Roadmap natürlich weiterhin erste Präferenz. Darüber hinaus planen wir auch Videomischer, Server und Editing-Systeme und am Ende die komplette Produktpalette 3 Gbit/s-fähig zu machen. (MB 9/09)

Eckhard Eckstein