Ideenschmiede für neue Inhalte

Sie heißen Saubere Filme, Konspiratives KulturKollektiv, Fiction Zwei Null, miko Film oder Kilger Media und produzieren eine bunte Formatvielfalt vom klassischen Spielfilm über einen narrativen Videoblog oder eine Kultur-Talkshow aus der WG-Küche und Werbespots fürs Internet bis hin zum Testfilm für einen neuen Stereo 3D-Camcorder. Die Start-up-Firmen sind allesamt Stipendiaten der Nachwuchsinitiative „Haus der jungen Produzenten“ in der ehemaligen Trebitsch-Villa auf dem Studio Hamburg Gelände.

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Ideenschmiede für neue Inhalte

Seit 2008 vergibt Studio Hamburg Stipendien für das „Haus der jungen Produzenten“, um jungen talentierten Produzenten einen Erfolgs versprechenden Weg in den Markt zu ermöglichen. Die 18monatigen Stipendien im „Haus der jungen Produzenten“ bilden ein umfangreiches Service-Paket, das so ziemlich alles von der Bereitstellung der Infrastruktur wie Räume und Büroausstattung über Beratung und Unterstützung bei Finanzierungsfragen und Vertrieb bis zur Bereitstellung von Produktions- und Dienstleistungskapazitäten durch Studio Hamburg zu besonderen Konditionen enthält, das die jungen Nachwuchsproduzenten gebrauchen können.

Robin Houcken, Geschäftsführer Studio Hamburg und Vorsitzender des Beirats „Haus der jungen Produzenten“ erklärt: „Bei der Auswahl der Stipendiaten lassen wir das fachliche Spektrum weit offen: von der klassischen Filmproduktion bis zu Webformaten. Dieser bewusst breit gewählte Ansatz hat auch international Beachtung gefunden, so dass Digitas, die weltweit größte Online-Agentur mit ihrem Content-Arm ‚The 3rd Act’, bereits 2008 Partner vom ‚Haus der jungen Produzenten’ geworden ist”.

Gabriele Gillner, die Leiterin der Nachwuchsprogramme von Studio Hamburg ergänzt: „Für uns ist wichtig, dass die Talente neben ihren Ideen und ihrer Qualifikation auch noch einen Businessplan mitbringen, um darzulegen, wie sie die 1,5 Jahre hier verbringen möchten. Die Stipendiaten erhalten jegliche Art von Unterstützung durch Studio Hamburg und die Kooperations-Partner aus der Industrie, aber kein Geld. Daher ist es wichtig, dass die Nachwuchsunternehmen über genügend Luft verfügen, um 1,5 Jahre durchzuhalten. Und das haben die Stipendiaten bisher auch.“

Die Stipendiaten werden sukzessive aufgenommen und erhalten die Möglichkeit nach Beendigung der 18 Monate, noch mal um sechs Monate zu gleichen Bedingungen zu verlängern. Nach Beendigung des Stipendiums können die Talente in ihren Büros bleiben gegen eine kleine Miete, die sich erst nach und nach den Mietkonditionen auf dem Tonndorfer Studio Hamburg Gelände anpasst.

Anspruchsvolle Populärkultur aus der WG-Küche

In den letzten Monaten neu ins Haus gezogen sind das Konspirative KulturKollektiv e.V., Saubere Filme, Kilger Media oder auch Fiction Zwei Null. Jan Brockmann und Susanne Kultau von Saubere Filme wollen technisch innovative Werbefilme für das Internet produzieren, Martin Kilger entwickelt ein crossmediales Projekt, bei dem Video-, Musik- sowie IT-Produktionen im Medienverbund für Web-TV und mobile Portale angeboten werden. Und wie man Musik und Kunst zusammenführt, zeigt das Konspirative KulturKollektiv mit ihrer Talk-Show „Konspirative Küchen Konzerte“ – „dem einzigartigen TV- und Web 2.0-Format für Populärkultur von Zuhause für Daheim“.

Eva Steindorf, Marco Antonio Reyes Loredo und Kerstin Schäfer wollen mit ihren Projekten Musik und Kunst auf mitreißende und intelligente Art und Weise ins Fernsehen bringen. Einmal im Monat kredenzt Gastgeber Marco Antonio Reyes Loredo kulturelle Leckerbissen aus dem wilden Wilhelmsburg und unterhält sich mit einem Musiker und einem Künstler über dessen Projekte und kocht gleichzeitig dabei deren Wunschgerichte. Gedreht wird die rund einstündige Kulturtalksendung in der WG-Küche der Produzenten in Hamburg-Wilhelmsburg. Zehnmal im Monat senden 16 freie Regionalkanäle den ambitionierten Kulturtalk, der 2010 für den Grimme Preis in der Sparte Unterhaltung nominiert war und der auch auf der Homepage (www.konspirativekuechenkonzerte.de) zu sehen ist.

Jede Menge lecker-konspirative Appetit-Häppchen gibt es im Web auf YouTube, iTunes, Twitter und Facebook. Neben der Weiterentwicklung des Formats geht es nun darum, einen Sender für das ambitionierte Talkformat zu finden.

Einen eigenen Weg ist der Hamburg Media School-Absolvent Stefan Gieren gegangenen, seit kurzem Stipendiat im Haus der jungen Produzenten. Der Produzent will neben klassischen Produktionen auch innovative Erzählformate für die Kommunikations-Portale im Netz wie YouTube, Twitter und Facebook produzieren.

Superhero-Blog

Aktuell in Produktion und schon im Netz ist das Format „Superhero Blog, das die fiktive Geschichte des Abiturienten Robin erzählt, der sich sehnlich wünscht, Superheld zu werden und nach Abschluss seiner Reifeprüfung ein dreimonatiges Praktikum beim legendären New Yorker Superhelden Captain Impact anfängt. Die Erlebnisse des Lehrlings im Office des ruhmreichen Altmeisters der New Yorker Superman-Szene sind in eine klassische Dreiakt-Dramaturgie eingebettet und in 20 vierminütigen Episoden gegliedert. Robin unterhält dazu einen Videoblog auf Twitter und Facebook, wo alle Superhero-Interessenten an seinen Erfahrungen teilhaben können.

Drei Autoren schreiben für Produzent Stefan Gieren die Geschichten im Comedy-Format, das als eine Satire des Superhelden-Genres angelegt ist, sowie die Texte für den Internetblog. Schon heute können Webuser auf die Seite gehen und alles über den Jungen erfahren, der unbedingt in der amerikanischen Liga der Superhelden nach oben will. Ab Februar geht es dann los mit Robins dreimonatiger Lehrzeit in New York. Die Episoden (www.facebook.com/home.php?#!/robinwschrader) werden in der fiktiven Echtzeit eingepasst, das heißt in den täglichen Blog hinein gestreamt, und zwar dann, wenn Robin sie gerade erlebt.
„Die Geschichten sind fiktiv, was im Internet passiert, ist real“, erklärt Produzent Gieren, der bereits ein weiteres Blogformat plant.

Teamgeist und Vernetzung

Eine der Zielsetzungen des Gründerzentrums ist die Idee, dass die Produzenten Teamgeist entwickeln und ihre Stärken untereinander nutzen. Gillner: „Wir wollen, dass sich die Stipendiaten und Alumnis mit einander vernetzen und die Kontakte nutzen, die Studio Hamburg bietet. Die räumliche Nähe hier ist entscheidend, es ist eine gut funktionierende Bürogemeinschaft. Infrastruktur, Räume, Technik – alles ist vorhanden, einschließlich Küche und einem Kino, in dem die Mieter sich gemeinsam Filme anschauen können.“ Aus dieser Bürogemeinschaft heraus kommt es häufig zu Kooperationen bei Projekten wie beispielsweise die Zusammenarbeit von Detail Film und York Street Productions von Produzent und Regisseur Stephan Anspichler, der bei einem Projekt von Detail Film eingesprungen war und die Regie übernommen hatte.

Der Produzent und Regisseur, der vor allem im Bereich internationale Spielfilmproduktionen und Dokumentarfilme unterwegs ist, kooperiert dazu eng mit dem Marketing und Distribution Department von Studio Hamburg, wozu er die Kollegen aus dem Haus der jungen Produzenten einbinden kann.

Roadmovie mit Games-Hintergründen

Auf Zusammenarbeit mit den verschiedenen Departments von Studio Hamburg setzt auch Produzent Faysal Omer von miko-Film, der Kinospielfilme produzieren will. Nach seinem Kinodebutfilm „Wir sagen Du!Schatz“ arbeitet er derzeit an dem experimentellen Road-Movieprojekt, „Hey Joe“, das im Studio vor Green Screen gedreht wird. Für die Hintergründe nutzt er diverse digitale Möglichkeiten wie Software von Videospielen, klassische 3D-Programme sowie deren Kombinationen.

Die digitale Animationstechnologie wird hier in einem filmischen Rahmenkonzept und im Sinn eines Technologietransfers für eine Spielfilmproduktion genutzt. Eines der Ziele dieses Film-Experiments ist, eine Brücke zwischen Game-Anwendung und Film-Ästhetik zu bauen. Die Projektentwicklung wird von der Filmförderung Hamburg-Schleswig-Holstein gefördert und Omer ist hinsichtlich seiner Produktionspartner ebenfalls bei Studio Hamburg fündig geworden, wo er den Chef des Vertriebs Gerd Richter-Kiewning und den Leiter der Postproduktion Helge Sauré als Produktionspartner gewinnen konnte. „Mit den Bildern aus dem Gamesbereich lassen sich eigene Bilderwelten zwischen Wirklichkeit und Fantasy kreieren, die für sich stehen“, erläutert der Produzent die Ästhetik. „Das ist ein komplexes Projekt von den Tests der Games bis zur Postproduktion. Ohne das Knowhow und die Hilfe von Studio Hamburg hätte ich das Projekt als junges Start-up-Unternehmen nicht angehen können“, erklärt er.

Das Verhältnis von Produzenten für die klassischen Medien und den neuen digitalen Anwendungsformaten liege derzeit bei rund 50:50. Bei den kommenden Ausschreibungen Ende Februar und Ende September sollen verstärkt auch Stipendiaten ausgesucht werden, die von der technischen Seite getrieben sind und Anwendungen für Web- und Mobile-Formate entwickeln und programmieren können.

Gillner: „Wichtig für den Bereich der Neuen Medien ist, dass bei diesen Projekten Industriepartner eingebunden sind. Hier geht es primär darum, die jungen Kreativen mit Industriepartnern zusammen zu bringen.“ Solche Partner sind Firmen wie Telekom oder auch Panasonic, welche den jungen Produzenten Aufträge vermitteln, 3D-Technik zu nutzen und Filme zu produzieren, die das Unternehmen auf Messen und auf ihrer Webseite einsetzen kann.

So hat Saubere Filme einen 3D-Testfilm mit dem neuen HD-3D-Camcorder AG-3DA1 von Panasonic gedreht, der auf der IBC 2010 zum Einsatz kam. Susanne Kultau und Jan Brockmann legen ihre Schwerpunkte auf inhaltlich anspruchsvolle und technisch innovative Werbefilme für das Internet sowie auf Produktionen im Stereo-3D-Bereich, für den sie mit dem erfahrenen Hamburger 3D- und Werbefilmregisseur Guido Weihermüller (siehe auch MEDIEN BULLETIN 6/2010) und dem Spielfilm-Kameramann Matthias Bolliger zusammenarbeiten.

Ico Moving Bytes arbeiten mit ARD Aktuell zusammen an dem Pilotprojekt Tagesthemen interaktiv. Ico entwickelt die Idee, das Konzept und die Benutzeroberfläche sowie die Programmierung des Players. Für einen Auftrag der New Yorker Agentur Digitas hat Ico noch Jakun Media aus dem Gründungszentrum mit ins Boot geholt. Es ging darum für Samsung Werbespots zu produzieren, die innovative technische Entwicklungen rein visuell verständlich machen und die weltweit im Netz eingesetzt werden können.

Neue Vertriebsprojekte

Philip Pratt von Jakun Media wollte ursprünglich selbst Inhalte produzieren für Web- und Mobile-Formate, und hat sich schon bald dem Vertrieb von Lizenzen zugewendet. Die Videoinhalte werden ausschließlich über digitale Plattformen vertrieben. Zu den Highlights der jungen Startup-Firma gehören Serienformate im Web wie „Dating Lancelot“, eine Berliner Citysoap auf www.3min.de, einem Portal für professionelle Clips und Kinotrailer. Edward Norton kämpft gegen Brad Pitt in der Serie „Fightclub“ auf dem Onlineportal Zaoza (Fightclub) und die US-Profilerin Dayle Hinman hat in der Serie „Body of Evidence“ bei der Online-Videothek Maxdome die Ermittlungen (Body of Evidence) aufgenommen. 2011 plant Pratt, der inzwischen mit seiner Firma nach Berlin umgezogen ist, neue Vertriebsprojekte wie Video-Apps für Android- und Apple-Systeme und beabsichtigt tiefer in die Welt des stereoskopischen 3D-Contents einzutauchen.

Alle Produzenten im „Haus der jungen Produzenten“ stehen am Anfang ihrer Karriere. Sie bringen Qualifikationen mit und haben ein Ziel vor Augen, die Inhalte zu produzieren, welche die sich stark wandelnde und Technologie getriebene Medienlandschaft künftig benötigt. Daran ist auch Studio Hamburg interessiert, das den Talenten diese Chance bietet.
Bernd Jetschin
(MB 02/2011)

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