In alle Richtungen offen

Der Schweizer TV-Sender TeleBielingue ist am 28. Mai 2010 mit der NCPower Compact Komplettlösung der NorCom Information Technology AG on air gegangen. MEDIEN BULLETIN sprach mit Robin Ribback, Head of Product Management and Business Development von NorCom, über das Leistungsvermögen des Systems und über NorComs Marktpositionierung im Bereich Newsroom und Media Asset Management (MAM).

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In alle Richtungen offen

Mit TeleBielingue ist Ende Mai ein Regionalsender mit dem Komplettsystem NCPower Compact von NorCom an den Start gegangen. Was leistet dieses System?
NCPower Compact ist eine integrierte All-in-One-Lösung für kleine und mittlere Betriebe. Als multimediales Redaktions- und Produktionssystem liefert es alle Funktionalitäten, die ein Regionalsender wie TeleBielingue benötigt – vom Ingest über Playout bis hin zum voll integrierten Archiv. Es eignet sich insbesondere für solch einen mittelständischen Sender: Es bietet ein schlankes Einführungsmanagement und eine kurze Installationszeit, geringe Investitionskosten, optimale Integrationsfähigkeit in Fremdsysteme sowie automatisiertes Cross-Channel-Management für Web, TV und Radio.
NCPower Compact besteht aus Hard- und Software. Die Hardware basiert auf der IBM-BladeCenter Technologie, die wir zusammen mit IBM entwickelt haben. So werden Systemschnittstellen vermieden und die Lösung ist hochverfügbar, skalierbar und wartungsarm.
Die Software ist unsere leistungsstarke NCPower-Software,
die ihre Bewährungsprobe bei Sendern wie RTL und N24 bestanden hat.
NCPower Compact liefert praxisbewährte Workflows für TV, Web, Mobile und Postproduktion und es lässt sich jeweils der komplette Newsroom-Workflow abbilden.
Für uns ist die Compact-Variante von NCPower ein Technologiesprung auf den ein großer Markt schon lange wartet. Es ist die leichte, schlanke Lösung für kleine bis mittelgroße medienschaffende Unternehmen – ob Sender, Agentur oder Markenartikler. Diesen Markt zu bedienen ist das Ziel unserer Compact-Variante.

Wie schnell konnten Sie denn NCPower Compact integrieren?
Von der Beauftragung bis zum On-air-Termin haben wir nur drei Monaten inklusive komplettem Set-up gebraucht.

Welche Besonderheit kennzeichnet das Projekt bei TeleBielingue?
TeleBielingue produziert am Tag zwei Stunden Live-Programm – in deutsch und in französisch. Das wird dann mehrfach wiederholt. Eine besondere Anforderung an das NorCom-System war deshalb, die Zweisprachigkeit in der Bedienoberfläche und bei allen Produktionsabläufen zu berücksichtigen.

Welche Voraussetzungen in Sachen Know-how und Personal braucht ein Regionalsender beim Einsatz von NCPower Compact?
Technisch gesehen, muss ein Sender das Office-Netz und die Produktionsarbeitsplätze bereitstellen. Der Rest, also der komplette IT Workflow, kommt von uns.
Um mit NCPower professionell umgehen zu können, genügen etwa zwei Tage Schulung. Das hängt auch vom Umfang ab, in dem der Sender NCPower nutzen möchte. Nach zwei Tagen Schulung kann man effizient und schnell mit dem System produzieren. Der Nutzer sollte aber Schnittsysteme wie Final Cut Pro oder Premiere beherrschen.

Wie kam der Auftrag bei TeleBielingue zustande?
Wir haben im letzten Jahr sondiert, wo kleinere Rundfunksender dabei sind, ihre Workflows zu digitalisieren. Dabei sind wir auf den Schweizer Regional-TV-Markt gestoßen und haben uns konsequent mit ihm befasst.
Die jetzt von TeleBielingue eingesetzte Newsroom-Lösung kann aus unserer Sicht als Blaupause für die anderen Regionalsender in der Schweiz wie Tele Zürich oder Tele Bern hergenommen werden. Diese Sender stehen, ähnlich wie viele deutsche Regionalsender, vor einem Innovationssprung.

Über welche Vertriebswege wird NCPower Compact angeboten?
NCPower Compact wird bevorzugt über Integrationspartner vertrieben. Wir haben weltweit mittlerweile knapp 40 Integrationspartner aufgebaut, die dieses Produkt im Portfolio haben und die spezielles Know-how im IT- und Tapeless Workflow-Bereich mitbringen. Diese Partner betreuen den Kunden vor Ort. Natürlich unterstützen wir am Anfang dabei. Beim ersten gemeinsamen Projekt zeigen wir intensiv, wie das System integriert wird und wie Nutzer geschult werden. Langfristig soll das der Partner aber komplett selbst übernehmen – wir haben dann keinen direkten Kundenkontakt mehr.

Wer macht diesen Job bei TeleBielingue?
Bei TeleBielingue ist das die Jordi AG, aus unserer Sicht einer der fähigsten unabhängigen Dienstleister in dem Bereich. Die Jordi AG hat zum Beispiel auch die Studiotechnik bei Sat.1 Bayern realisiert.

Lassen sich mit NCPower Compact auch individuelle Kundenwünsche erfüllen?
NCPower Compact basiert, wie gesagt, auf der NCPower Technologie, die auch in der hochkonfigurierbaren Pro-Variante ausgeliefert wird. Das heißt nach oben hin sind in Sachen Individualisierung keinerlei Grenzen gesetzt. Die Frage ist eher, was der Kunde will. NCPower Compact ist auf kleinere Unternehmen zugeschnitten und bietet regionalen TV-Sendern alles, was sie benötigen.
Natürlich verbessern wir unser Produkt ständig. Dazu sammeln wir die Anforderungen der Kunden über unsere Partner. Die Anfragen im lokalen TV-Markt unterscheiden sich erheblich von Anforderungen bei N24 oder RTL. Wenn die geäußerten Produktwünsche eine Qualität haben, die gut zur Produktentwicklung passt, setzen wir sie um. Davon profitieren dann alle Kunden bei den regelmäßigen Software-Updates im Rahmen der Serviceverträge – ohne zusätzliche Kosten.
Kristallisiert sich bei einem Projekt heraus, dass hohe individuelle Anforderungen bestehen, werden wir vor Ort auch beratend tätig und leisten Integrationsarbeit. Das wird auf „Time-and-Material“-Basis oder zum Produktoptionspreis angeboten. In solchen Fällen wird Compact allerdings mehr zu einer Pro-Auslieferung.

Lässt sich das System auch vom Anwender selbst weiter entwickeln?
Ein zentraler Punkt unserer Produktphilosophie ist die Offenheit des Systems. Wahrscheinlich ist die Gesamtstruktur unseres Systems die Offenste am Markt. Der Kunde kann weitreichende Änderungen selbst vornehmen und das System nach seinen Wünschen konfigurieren.

Welche Folge- bzw. Supportkosten kommen auf ein Unternehmen zu,
das NCPower Compact erwirbt?
Es bleibt dem Kunden überlassen, wie intensiv er unsere Unterstützung nach der Implementierung nutzen will. Das Rundum-Sorglos-Paket ist der Managed Service. Beim Managed Service sorgt NorCom für den reibungslosen Ablauf von IT-Prozessen in den TV-Redaktionen, übernimmt die komplette Überwachung sämtlicher Systeme und sichert so einen 24/7-Betrieb.
Übrigens sind wir gerade dabei, den angekündigten nächsten strategischen Schritt umzusetzen. Unter dem Namen NCPower Cloud bieten wir NCPower auch als „Software as a Service“ (SaaS).
In Deutschland haben wir ein Beta-Programm mit TV München gestartet. Mit dem Sender testen wir intensiv diese neue Technologie.

Wie kann man sich NCPower Cloud beim Kunden vorstellen?
In der Cloud Version kommt NCPower quasi aus der Steckdose. Der größte Vorteil für den Kunden ist: er muss keine Anfangsinvestition tätigen, wir bieten sogar einen Testzugang für einen Monat an. Entscheidet sich der Kunde dafür, erfolgt die Abrechnung monatlich – abhängig vom Nutzungsumfang. Es besteht somit volle Kostenkontrolle durch den Kunden.
Die Installation ist denkbar einfach: der Kunde bestellt bei uns und erhält eine kleine schwarze Box, die er bei sich konfiguriert. Das dauert etwa zehn Minuten. Dann richtet er die Nutzer ein, die mit NCPower arbeiten sollen. Das dauert noch mal circa zehn Minuten. Und schon kann es losgehen.
NorCom ist dabei verantwortlich für die Wartung und Aufbewahrung der Software und garantiert ein fehlerfreies System und einen reibungslosen Ablauf. Abgestimmt auf den jeweiligen Bedarf erhält der Kunde regelmäßig Updates.

Sind die großen Datenmengen denn kein Problem?
Wo liegen beispielsweise die Videos?
Weiterhin beim Kunden. Seine existierende Infrastruktur bleibt bestehen. Nur die Arbeitssoftware kommt von uns. Mit anderen Worten: alles, was zwischen Ingest und Playout steht, bildet unsere Software ab. Der Kunde kann aber aus dem Programm heraus auf seine Videos und sämtliche Daten zugreifen. Sein Archivserver ist mit unserem Programm verbunden. Wer aber eine Komplettlösung inklusive Ingest und Playout sucht, ist mit der Compact-Variante besser bedient.

Welche Rolle spielt das Media Asset Management bei NCPower Compact?
In der Newsroom-Komponente ist das ganze Production MAM natürlich integriert. Insofern bietet NCPower Compact weit mehr als eine einfache Newsroom-Lösung. Eigentlich kommen wir ja aus dem Metadaten-Management-Bereich. NorCom setzt im Kern auf objektorientierte Datenbanksysteme. Mit jedem Objekt kann man in sogenannten Themencontainern beliebig viele andere Objekte verbinden. Wenn wir ein Hauptobjekt haben, sagen wir mal ein Script, können wir ein Video, Audio, pdf oder Powerpoint dazupacken oder die Steuerdaten von irgendwelchen Kamerasystemen oder Metadatenpositionen. So bleibt thematisch oder projektbezogen zusammen, was zusammen gehört. Natürlich stellen wir dieses ganze Metadatenframework auch bei NCPower Compact zur Verfügung.

Wie ist die Marktpositionierung von NorCom im MAM-Bereich? Welche Vorteile bietet das Unternehmen gegenüber Wettbewerbern?
Wir kommen, wie gesagt, aus dem MAM-Bereich und haben bei unseren Lösungsangeboten schon immer mindestens ein Newsroom-MAM bereitgestellt und in den Workflow integriert. Natürlich haben wir über die Zeit und die Kooperation mit IBM, die Möglichkeiten geprüft, die MAM-Möglichkeiten weiter auszubauen.
Unter dem Namen NCSpace werden wir demnächst ein Produktions-MAM für Großsender und auch in der Compact-Variante bereitstellen. Die ersten Funktionalitäten dazu werden wir auf der IBC 2010 in Amsterdam vorstellen.

Welche Rolle spielen für NorCom Kooperationen mit anderen Herstellern und Entwicklern?
NorCom setzt verstärkt auf Kooperationen. Wir sehen unsere Lösungen immer als Integrationssysteme, das möchte ich deutlich betonen. Das bedeutet, wir haben nicht den Anspruch, immer alle Elemente selber machen zu müssen. Oft arbeiten wir lieber mit Partnern zusammen. Für Rundfunksender ist es wichtig, dass die Komponenten replizierbar integriert werden können und nicht immer erst beim Kunden entwickelt und zusammengeschraubt werden. Wir glauben, die Entwicklung muss in diese Richtung gehen, weil alle unter hohem Kostendruck stehen. Mit duplizierbaren Manufaktur-Lösungen kann man zudem die Qualität der Produkte steigern. Das ist unser Ziel und deshalb arbeiten wir auch eng mit Partnern zusammen für die wir jetzt auch ein eigenes ISV-Programm (Integrated Solution Vendors) aufgesetzt haben. Das ist keine Kampfansage an andere Anbieter, die auch in diesem Bereich aktiv sind, sondern eher die Aufforderung, uns zu kontaktieren und mit uns gemeinsam zu sondieren, wie wir in dem IT-basierten MAM-Workflow kooperieren können, um die Metadatenanreicherung mit Blick auf Schnittsysteme, 3D-Produktionen, Archive etc. weiter zu optimieren und am Ende die Inhalte der Rundfunksender noch attraktiver zu machen. Viele Funktionalitäten werden wir nicht selber programmieren, aber integrieren.

Einen ähnlichen Weg geht Dalet. Auch dieser Anbieter sucht die Zusammenarbeit mit möglichst vielen Partnern.
Ja, Dalet verfolgt eine ähnliche Strategie. Technologiepartner sind wichtig, weil dadurch Komponenten integriert werden können, die man nicht alle selbst entwickeln kann. Der Markt stellt aber verschiedene Anforderungen: Einmal gibt es den lösungsorientierten Ansatz, der viel Integration – auch von Fremdanbietern – erfordert. Was wir aber zusätzlich bieten ist die kompakte Gesamtlösung, bei der die Integration schon erfolgt ist. Das unterscheidet uns von anderen Anbietern. Damit werden unsere Produkte auch für kleinere Unternehmen attraktiv und erschwinglich.

MAM-Anbieter Blue Order wurde unlängst von Avid übernommen. Was bedeutet das für die Wettbewerber?
Mit Blue Order hat sich Avid ein gutes Unternehmen mit viel Know-how gekauft. Aber man muss natürlich sagen, dass manche Kunden nicht immer alles aus einer Hand haben wollen und bestimmte Lösungen lieber woanders einkaufen.
Blue Order hatte den Vorteil als unabhängiger Anbieter agieren zu können. Das ist jetzt nicht mehr so. Blue Order ist jetzt Avid. Für NorCom bedeutet das, dass am Markt jetzt ein Platz für einen unabhängigen MAM-Provider frei geworden ist.

Auch andere große Hersteller wie zum Beispiel Sony mit dem Netzwerk-Produktionssystem Sonaps oder dem auf der NAB 2010 vorgestellten Media Backbone agieren verstärkt im MAM-Geschäft. Wie stellt sich die Wettbewerbssituation hier dar?
Sony Sonaps ist im Bereich des Video-Produktions-MAM ein Teil unserer Third-Party-Lösung, die wir integriert haben. Das ist der Beweis dafür, dass unsere Strategie aufgeht. Wir suchen solche Lösungen.
Wir glauben, dass es abhängig von den Kundenwünschen wichtig ist, die richtigen Partner zu finden. Sonaps ist ein Platzhirsch im MAM-Bereich. Für lokale Rundfunkanbieter spielt Sonaps jedoch in der falschen Preisklasse.

Wie findet ein regionaler Rundfunkanbieter die für ihn richtige Newsroom-MAM-Lösung?
Manchmal ist es nur eine Geschmacksfrage, welche Komponenten man in einem Workflow integrieren möchte. Wir möchten, wenn wir können, ein offenes Framework für MAM bereitstellen und dabei das machen, was wir am besten können – integrieren.

Manche Hersteller sind an solchen Kooperationen nicht interessiert und wollen lieber ihre eigenen proprietären Lösungen verkaufen.
Grundsätzlich mag das so sein. Aber wir stellen immer wieder fest, dass der Markt sich im Broadcastbereich verändert und zwar auf Seiten der Anbieter ebenso wie auf Seiten der Kunden. Natürlich ist IT in der ganz offenen Variante noch sehr jung am Markt und natürlich müssen die Sender selber lernen, mit dieser Herausforderung umzugehen und erkennen, dass man auch was falsch machen kann, wenn ein Netzwerk so offen ist und man vielleicht nicht die Bandbreiten zur Verfügung gestellt bekommt, die man braucht. Aber aus unserer Sicht gibt es relativ wenig IT-Integratoren, die heute über das nötige kombinierte Netzwerk- und Software-Know how verfügen. NorCom kann sich hier deshalb gut als Katalysator einbringen. Wir können natürlich niemandem verbieten, eine geschlossene Strategie zu fahren. Wenn man sich aber andere Branchen, zum Beispiel den Bankenbereich anschaut, sieht man, dass dort mittlerweile überall offene IT-Strukturen vorherrschen. Und auch der Broadcast-Bereich wird sich am Ende dahin entwickeln.
Eckhard Eckstein
(MB 07/10)

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