Reizvolle Sache

Derzeit entsteht in den Barrandov Studios in Prag die zwölfteilige Serie „Borgia“, die hierzulande im ZDF laufen wird. Die ersten vier Folgen der mit rund 25 Millionen Euro budgetierten französisch-deutsch-österreichisch-tschechischen Koproduktion inszenierte Oliver Hirschbiegel. Die Bildgestaltung übernahm Ousama Rawi, der auch schon für die Kamera bei „Die Tudors“ verantwortlich zeichnete. MEDIEN BULLETIN sprach mit Rawi über seine Erfahrungen mit ARRIs Alexa-Kamera, die er erstmals beim „Borgia“-Dreh einsetzte.

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Reizvolle Sache

Aus welchen kreativen und visuellen Gründen haben Sie sich dazu entschieden „Borgia“ mit der Alexa von ARRI zu drehen?

Ousama Rawi: Ich hatte mit „Die Tudors“ bereits an vier Staffeln einer Geschichts-Serie gearbeitet, wo ich in den ersten beiden Staffeln die Sony F900 und dann die Panavision Genesis benutzt hatte. Dort gab es ähnliche Rahmenbedingungen beim Licht wie jetzt bei „Borgia“. Im 15. und 16. Jahrhundert war die hauptsächliche Lichtquelle Tageslicht. Licht, das durch kleine Öffnungen ins Innere drang. Nachts gab es ausschließlich Flammen als Beleuchtung. Flammen von Kerzen, Öllampen oder von Feuerstellen. Das Alles musste ich bei der Lichtsetzung für „Die Tudors“ so simulieren, dass es so aussah, als ob dies die einzigen Lichtquellen seien.
Als wir bei „Borgia“ mit den Produzenten und dem Regisseur Oliver Hirschbiegel die Lichtsetzung diskutierten, wünschte sich Hirschbiegel, dass „Borgia“ noch stärker ‘unterbeleuchtet’ ist, als es „Die Tudors“ schon waren. Das war mit den Chips der digitalen Kameras, die zu dem Zeitpunkt auf dem Markt waren nicht zu machen, da sie für so wenig Licht nicht empfindlich genug waren.
Als zusätzliches Licht hatte ich Kerzen und Feuer in „Die Tudors“ schon eingesetzt, aber nicht als Hauptlicht. Dafür habe ich sie immer künstlich verstärkt. Als dann die Alexa auf den Markt kam, habe ich sie mir angesehen und sie einem kritischen Test unterzogen. Es wurde zu der Zeit schon viel über die Empfindlichkeit des Alexa-Chips geredet und wie weit man ihn beanspruchen kann ohne dass das Bild anfängt unangenehm zu rauschen. Aber davon musste ich mich selbst überzeugen und ich fand heraus, dass ich die Empfindlichkeit in der Tat ziemlich weit pushen konnte. Erst bei einer Blende von 12,80, wenn die Empfindlichkeit auf 1600 ISO sprang, konnte man ein Rauschen erkennen. Das war eine riesige Verbesserung im Vergleich zu den Möglichkeiten, die ich zuvor hatte.

Die Kamera war bei Drehbeginn gerade erst verfügbar. War ihr Einsatz da nicht sehr riskant?

Uns war klar, dass es während des Drehs sicherlich einige Anpassungsprobleme geben würde. Aber wenn der Regisseur unbedingt einen Look haben will, der nur mit der Alexa herzustellen ist und der „Borgia“ visuell klar von „Die Tudors“ unterscheidet, war das die eventuellen Probleme wert. Auch für mich war der Alexa-Einsatz eine reizvolle Sache. Ich möchte gerne etwas Neues ausprobieren und mich weiter entwickeln, anstatt etwas zu wiederholen, was ich schon einmal gemacht habe. Wir wussten, dass wir ein Risiko eingingen, aber wir entschieden uns dazu, es einzugehen und hofften darauf, dass es schon klappen wird.
Das tat es dann auch. Es gab einige Probleme, die ich hier nicht ausbreiten möchte. Aber ARRI hat immer sehr schnell reagiert und mit uns daran gearbeitet, die Probleme rasch zu lösen. Es war ja auch so, dass die Kamera noch kaum eingesetzt war und dass einige Probleme überhaupt erst auftreten konnten, weil wir sie benutzten. Zwei der Probleme wurden innerhalb von zwei Tagen gelöst. Das ist schnell. Das war ein gemeinsames Lernen. Ich habe die Kamera unter Gefechtsbedingungen getestet und ARRI hat auf Nachricht gewartet und dann entsprechend reagiert.

Wie setzten Sie das Zusatzlicht bei „Borgia“ ein?

Wenn das Set klein ist, habe ich Kerzenlicht als Hauptlicht verwendet. Wir hatten einige Sets, die ziemlich lang und groß waren. Im Vordergrund gibt es Leute, die miteinander reden und Kerzen tragen, doch der Hintergrund ist dunkel. Ich hätte auch schwarzen Samt hinter die Schauspieler hängen können, das hätte denselben Effekt ergeben. Aber ich wollte ja einen großen Raum zeigen. Das ging nur mit Zusatzlicht. Doch um es authentischer wirken zu lassen habe ich dort, wo es Fenster gab, von außen Fackeln anbringen lassen, deren Licht zur Atmosphäre beigetragen hat. Letztendlich habe ich eine Mischung aus vorhandenem Licht und sehr kleinen Lampen benutzt, um die Kerzen zu ergänzen. Bei „Die Tudors“ haben wir LED-Lampen benutzt, die auf einem Band aufgereiht waren. Wir haben das Band in die Länge geschnitten, die wir brauchten und die Lampen dann zur Verstärkung eingesetzt. Doch in diesem Fall habe ich das Licht der Kerzen nicht verstärkt, allerdings hatte ich zwei Kerzenarten. Die normalen mit einem Docht und Spezialanfertigungen mit zwei Dochten, wenn ich einen größeren Radius beleuchten muss. Am Set haben wir unsere Witze darüber gemacht, dass das Arbeitslicht deutlich heller war, als das Drehlicht. Wenn wir zu drehen anfingen und sich die Augen noch nicht an das Licht gewöhnt hatten, entstand der Eindruck wir drehten in Dunkelheit aber die
Kamera konnte alles sehr genau erfassen.

Wie ist die Handhabung der Alexa?

Ein Kritikpunkt bei allen digitalen Kameras ist bisher der Sucher. Der Sucher ist zufriedenstellend. Das ist gut gelöst und er gibt ein HD-Bild wieder. Außerdem bildet er ein größeres Bild ab, als das, was er aufzeichnet. So war ich immer gewarnt, wenn dem Bildteil, das aufgezeichnet wird etwas zu nahe kommt. Und ich mag das Gewicht der Alexa. Sie ist zwar kein Fliegengewicht, aber sie ist leichter, als das Meiste, was es sonst noch gibt. Als Handkamera ist sie ein sehr komfortables Arbeitsgerät. Auch als Steadicam. Man kann sie einfach greifen und loslegen ohne sie sich umschnallen zu müssen. Und ich mag die Farbkorrekturmöglichkeiten mit denen man Tages- und Kunstlicht ausbalancieren kann. Die Systeme der anderen Kameras konnten mich nie überzeugen und ich war schon darauf eingestellt die normalen Farbkorrekturfilter zu benutzen. Doch die Farbkorrektur der Alexa ist sehr gut entwickelt und genau und sie lässt sich am Set leicht einrichten.

Welche Objektive nutzen Sie?

Ausschließlich Cooke-Objektive. Durch sie wird das Bild etwas weicher. Die DigiPrime-Objektive sind hervorragende Objektive, aber sie sind extrem klar und scharf. Das ist für eine Serie, die im 15. Jahrhundert spielt nicht so gut. Wir kennen diese Zeit nur aus Gemälden und egal ob das nun so stimmt, der normale Zuschauer erwartet, dass die Bilder der Serie genauso aussehen wie in den Gemälden. Wenn es nicht so aussieht, erscheint es unwirklich und künstlich. Mit Cooke-Objektiven jedoch können wir diesen Eindruck erzeugen.

Warum drehen Sie in 4K, wenn die Bilder für die Ausstrahlung letztendlich auf HD umkonvertiert werden?

Wegen der Farbtiefe. Wenn ich in 4:2:2 statt 4:4:4 drehen würde, dann würde die Farbtiefe komprimiert aufgezeichnet und bei den Lichtverhältnissen mache ich dies nicht, um mir das komplette Farbspektrum zu erhalten. Zudem haben wir aufwändige Visual Effects, die in 4:4:4 entstehen. Wenn man jetzt erst komprimiert und dann wieder aufbläst, bedeutet dies einen deutlichen Qualitätsverlust. Um das zu vermeiden, zeichne ich grundsätzlich immer in der höchstmöglichen Qualität auf.

Wie haben Sie die Daten gesichert und weiter verarbeitet?

Ursprünglich sollten die Daten auf Band aufgezeichnet werden. Das Bandgerät wäre aber per Kabel mit der Kamera verbunden gewesen und da ich viel aus der Hand oder mit Steadicam aber sehr wenig mit Stativ oder Dolly gedreht habe, wäre es mir immer im Weg gewesen. Also war dies keine Option. Mit der Alexa kann man auch Sonys SxS-Speicherkarten als Aufzeichnungsmedium verwenden, aber die stand noch nicht zur Verfügung. Deshalb habe ich gefordert: wenn ich mit der Alexa drehen soll, dann nur in Kombination mit SxS-Karten. Am Ende ist es tatsächlich gelungen, die Karten fertig zu bekommen und sie fünf Tage vor Beginn der Dreharbeiten anzuliefern. Es waren zwar nur die kleinen Karten mit 32 Gbit Speicherkapazität – aber immerhin. Im 4:4:4-Format reichen sie nur für 13 Minuten. Aber eine Filmrolle reicht auch nur neun bis zehn Minuten.

Wie lief die Qualitätskontrolle beim Kopieren der Daten ab?

Wir waren sehr sensibel gegenüber den Problemen, die hier auftreten können. Wir hatten eine Überspielstation am Drehort, wo die Karten sofort auf zwei Festplatten überspielt wurden. Eine der Festplatten verblieb bei uns, die andere wurde bei einem Dienstleister in Prag noch einmal geklont. Von dort wurden die Daten nach New York geschickt, wo wir unsere Postproduktion machen. Nachdem bestätigt wurde, dass die drei Kopien der Daten fehlerlos waren, wurden die SxS-Karten gelöscht und wieder verwendet. Die Qualitätskontrolle erfolgte über Nacht in Prag.
Thomas Steiger
(MB 05/11)