IRT
Seit über zwei Jahren forscht eine Projektgruppe am IRT, inwieweit die Tonmischung bei Fußballübertragungen durch ballspezifische Geräusche bereichert werden kann. Der Fernsehzuschauer soll dadurch noch besser am Spielgeschehen partizipieren können, seine Aufmerksamkeit gesteigert und die Dramaturgie des Spielgeschehens insgesamt verbessert werden.
Ermöglicht wird der verbesserte Klang von Pässen, Stoppbällen und Lattenkrachern durch die automatische Nachführung von zwei Richtmikrofonen anhand der Positionsdaten des Fußballs, die von einer externen Software bereitgestellt wird.
Aus der anfänglichen Idee ist inzwischen ein Prototyp (Patent wird erwartet) entwickelt worden. Erste Tests haben bereits erfolgreich im Münchner Fußballstadium, der Allianz-Arena, stattgefunden. In Voruntersuchungen und Messungen musste zunächst ein dafür geeignetes Richtmikrofon ausgewählt und die dafür optimale Position im Fußballstadion ermittelt werden. Das Aufnahmesystem besteht aus nur zwei Mikrofonen, welche jeweils im Abstand von sechs Metern hinter der jeweiligen Torlinie und in einer Höhe von acht Metern auf einem ausfahrbaren Stativ montiert werden.
Aufgrund dieser speziellen Position (Mikrofon am Spielfeldende und in acht Metern Höhe) treten dort die geringsten Störgeräusche durch Zuschauer auf, da das Mikrofon durch Begrenzung der Neigungs- und Drehwinkel immer nur auf Ziele innerhalb des Spielfeldes gerichtet ist. Auf dem speziellen Stativ des Mikrofons befindet sich eine motorgesteuerte Halterung, der so genannte Remote-Head. Die eigens dafür konstruierte Mechanik schwenkt und neigt das Mikrofon in zwei Drehachsen. Der sehr schnelle und dennoch leise Motor ist in der Lage, das Richtmikrofon auch bei extremen Bedingungen, wie beispielsweise Ballgeschwindigkeiten von bis zu 140 km/h, exakt nachzuführen. Die Positionsdaten, wo sich der Ball gerade genau auf dem Spielfeld befindet, werden von Image-Tracking-Systemen geliefert, die zum Beispiel auch bei der Fußball-Europameisterschaft 2008 zur Ermittlung von Spielstatistiken für Sportjournalisten verwendet wurden. Eine spezielle Software des IRT errechnet aus den optisch generierten Positionskoordinaten des Balls die Steuerbefehle, um das Mikrofon auf die Geräusche des Balls exakt auszurichten.
Da die Schallwellen je nach Ballposition unterschiedlich lange zum Mikrofonstandort unterwegs sind, wird die Nachführung des Mikrofons durch die Software entsprechend verzögert, damit es immer auf den Ort gerichtet ist, vom dem der Schall tatsächlich kommt, auch wenn der Ball inzwischen diesen Ort schon wieder verlassen hat. Unerwünschte Fremdgeräusche im aufgenommenen Signal werden anschließend in Abhängigkeit der Ballposition automatisch und effektiv gefiltert.
Der Toningenieur im Übertragungswagen erhält letztlich ein optimiertes Tonsignal des Balls mit nur geringen Ambientanteilen, welche von den sonst üblichen, zahlreichen Mikrofonen am Spielfeldrand übertragen werden würden. Dieses optimierte Signal wird vom Toningenieur schließlich für eine lebendige, bildbezogene Tonmischung herangezogen.
Für den IRT-Projektleiter Gerhard Stoll sind die ersten Ergebnisse sehr vielversprechend: „Bei den meisten Fußballübertragungen im Fernsehen war von den spezifischen Ballgeräuschen bislang wenig zu hören. Der Fernsehzuschauer hat sich daran gewöhnt, akustisch auf den Zuschauerrängen zwischen den Fans eingebettet zu sein, obwohl er optisch, insbesondere bei HDTV-Übertragungen, viel näher am Spielgeschehen dran ist. Mit der neuen Aufnahmetechnik ist er plötzlich akustisch mitten im Geschehen, und das Spiel wird noch packender. Die Spieler und der Schiedsrichter müssen aber nicht befürchten, dass sie vom Zuschauer belauscht werden können. Ein spezieller Filter überträgt im Wesentlichen nur den Frequenzbereich der Ballgeräusche.“
Weitere IBC-Highlights
Auf der IBC 2008 präsentiert das IRT im Rahmen der Auftragsforschung eine ganze Reihe weiterer neuer Produkte. Dazu zählte unter anderem der Set-Top-Box-Inspektor, eine neu entwickelte Testumgebung für die Qualitätssicherung von Set-Top-Boxen für das Digitalfernsehen. Damit steht künftig ein professionelles Werkzeug für Netzbetreiber und Empfängerhersteller zur Verfügung, das den Abnahmetest von digitalen Set-Top-Boxen für DVB-T, DVB-S und DVB-C erleichtern wird. In zahllosen frei definierbaren Routinen, die zusammen mit dem Kunden spezifiziert werden, prüft das System verschiedene Modulationsparameter, Bild-, Tonsignale und Serviceinformationen von bis zu zehn Empfangsboxen gleichzeitig.
Auch Jugendschutzfunktionen und Rechtemanagement können in die Kontrollen miteinbezogen werden. Eine zentrale Komponente der Testumgebung ist der DVB-Playout-Server des IRT, der verschiedene MPEG-2-Transportdatenströme der DVB-Standardfamilie erzeugt und multiplext.
Ein weiteres IRT-Highlight bildete der MXF Analyser Professional 2.0. In der TV-Produktion hat sich das Material Exchange Format (MXF) inzwischen als das universelle Dateiformat etabliert, um audiovisuelles Material und Metadaten in einer bandlosen Produktions- und Archivumgebung auszutauschen. Mit der neuen Version 2.0 des MXF Analyser Professional, der jetzt über eine intuitive Oberfläche verfügt, erweitert das IRT sein erfolgreiches Analysesystem um weitere spezifische Essenzformate, wie MPEG-4 H.264, JPEG 2000 und MPEG-2 Long GOP. Jetzt kann nicht nur HD-Material in MXF auf Standardkonformität geprüft werden, sondern die Performanz wurde auch deutlich gesteigert, um Dateivolumina im GByte-Bereich schnell zu analysieren. Eine Statusanzeige, der so genannte Progress-Listener, informiert darüber, wieweit die Prüfung fortgeschritten ist. Mit diesem Produkt leistet das IRT einen wichtigen Beitrag, die Interoperabilität zwischen Produkten verschiedener Hersteller in der IT-basierten Fernsehproduktion sicherzustellen.
Das IRT zeigte auch eine komplette Übertragungskette für IPTV. Ein wichtiges Element darin ist der IRT IPTV-Metadatenserver, der alle notwenigen Signalisierungen und Metadaten für IPTV-Fernsehprogramme auf Basis des DVB-IP-Standards liefert. Darüber hinaus war das Münchner Institut auch als Standpartner der Europäischen Rundfunkunion (EBU) mit dem EU-Forschungsprojekt porTiVity zu interaktiven Diensten im Mobilen Rundfunk auf der IBC vertreten.
Bei porTiVity werden Bildobjekte eines Handy-TV-Programms mit Metadaten verknüpft. Auf Knopfdruck erhält der Nutzer auf seinem Endgerät begleitende Hintergrundinformationen und kann interaktiv mit den Programmmachern in Kontakt treten. Hierzu werden über DVB-H (Digital-Video-Broadcast-to-Handhelds) zusätzlich zum laufenden Programm animierte Grafiken in MPEG-4 LASeR (Lightweight-Application-Scene-Representation) mitgesendet. Durch Interaktion des Nutzers mit einem Objekt (zum Beispiel ein Fußballspieler) werden Zusatzinformationen zu dem gewählten Objekt über einen zusätzlichen Datenkanal (zum Beispiel UMTS, WLAN) abgerufen.
Eckhard Eckstein (MB 11/08)